„Es wird eine neue Allgemeinverfügung geben“

Welche Auswirkungen hatte der OVG-Eilbeschluss und ist damit wirklich alles "repariert"? Vier Experten haben in der Serie "ZfK im Gespräch" über die aktuellen Herausforderungen diskutiert. Noch in diesem Jahr wird eine neue Allgemeinverfügung erwartet.
25.03.2022

Lieferten sich eine spannende und kontroverse Diskussion (von oben nach unten, von links nach rechts): Fritz Wengeler (Geschäftsführer Smartoptimo), Ingo Schönberg (Vorstandsvorsitzender PPC), Moderator Klaus Hinkel (Chefredakteur ZfK), Jörn Lutze (Geschäftsführer

TMZ Thüringer Mess- und

Zählerwesen Service), Holger Schneidewindt (Jurist, Verbraucherzentrale NRW) und Co-Moderator Frank Hirschi (Senior Consultant, Horizonte-Group)

Ein Jahr ist es inzwischen her, dass der das Oberverwaltungsgericht Münster mit einem Eilbeschluss die Einbaupflicht intelligenter Messsysteme für 50 Messstellenbetreiber aufgehoben hat.
Seitdem ist viel passiert: Das Messstellenbetriebsgesetz wurde angepasst und drei Geräte-Hersteller sind nach der neuen Technischen Richtlinie zertifiziert. In der Diskussionsrunde ZfK im Gespräch „Smart-Meter-Rollout: Hochlauf oder Heiße Luft?“ blicken die vier Diskutanten nochmals auf das Jahr zurück.

Ingo Schönberg, Gründer und Vorstandsvorsitzender der Power Plus Communications AG spricht nach dem Eilbeschluss von einem großen Schreck in der Branche, relativiert aber: „Als wir uns das Urteil dann angeschaut haben, las es sich wie eine Hausaufgabenliste, die es dann im vergangenen Jahr abzuarbeiten galt.“

Novelliertes MsbG: alles geheilt?

Hierzu zählen etwa banale Themen wie die Einrichtung eines Gateway-Ausschusses, aber auch anspruchsvolle Themen wie die technische Zertifizierung der Geräte hinsichtlich der Mindestanforderungen zur Interoperabilität. „Aus unserer Sicht sind die Dinge, die bemängelt wurden geheilt, bzw. korrigiert worden. Und einige Punkte, die im Messstellenbetriebsgesetz nachzuschärfen, sind jetzt entsprechend angepasst worden“, so Schönberg.

Anders sieht es Jurist Holger Schneidewindt von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Das seien keine Hausaufgaben gewesen, sondern für ihn – und viele andere auch – eine Klatsche. „Es war sicher keine Kleinigkeit und auch keine Überraschung.“ Er betrachte die Novelle auch nicht als Heilung. Mit dem Eibeschluss habe man strukturelle Probleme aufgezeigt, die auch nicht alle gelöst worden sind. „Juristen würden nicht zustimmen, dass man jetzt einfach weiter fortfahren kann.“

Smart-Meter-Rollout vs. Einkauf beim Discounter

Fritz Wengeler, Geschäftsführer von Smartoptimo, bewertet die Anpassungen im Messstellenbetriebsgesetz positiv. „Wir bekommen immer mehr einen klaren Fahrplan“. Der Rollout-Prozess lasse sich nun mal nicht mit einem Milchtüten-Einkauf bei Aldi vergleichen.  

„Wir wollen Energiewende, wir brauchen dafür intelligente Netze, die wiederum müssen gesteuert werden, dafür brauchen wir Gateways. Insofern wird technisch immer nachgefahren als auch juristisch geheilt, was man nicht vorhersehen konnte“, bekräftigt Wengeler.

„Nicht am Verbraucher vorbei!“

Unterstützung gibt es von Jörn Lutze, Geschäftsführer Geschäftsführer TMZ Thüringer Mess- und Zählerwesen Service. Der Rollout sei ein Thema, das sich entwickeln müsse. In Thüringen habe der Eilbeschluss und die darauffolgenden Änderungen niemanden aus den Angeln gehoben. „Wir gehen davon aus, dass das ein Stück weit auch in der Zukunft weiter so passieren wird.“

Kontra gab es abermals von Schneidewindt von der Verbraucherzentrale, der ein klares Grundproblem ausmacht: „Die Branche denkt völlig am Verbraucher vorbei und das ist möglicherweise nicht richtig. Wenn ich hier höre, wir sind nicht bei Aldi, wir testen mal und müssen weiter agil handeln. So wird es nicht funktionieren, wenn Pflichten greifen und die Entgelte dazu. Wenn das greift, dann muss es so sein wie bei Aldi – aus Verbrauchersicht.“

Schneidewindt ist sich sicher, dass es Probleme geben wird, wenn man die Verbraucher nicht mitnimmt. „Bieten Sie den Verbrauchern bitte etwas an und kommen ihnen preislich entgegen. Dann machen Sie diese Tests auch mit.“

Türen zu den Kellern öffnen

Der Verbraucherschützer betont auch, dass die Verbraucherzentrale dafür sei, dass die 40 Mio. Zählpunkte ausgestattet werden. Nur müsse das anders ablaufen. „Wenn ich jetzt nicht hier wäre, würden alle rausgehen und sagen, morgen geht es los! Und so einfach ist es nicht. Das zeigt die Vergangenheit und da müssen wir einfach mehr aufpassen.“

Und weiter: Wenn die Messsysteme das alles können, was sie sollen, wäre es ein „Bombending“. Nur funktioniere das und wann? Schneidewindts Meinung nach ist das Kind auch noch nicht in den Brunnen gefallen, auch was die Akzeptanz der Verbraucher angeht.

„Deswegen fordere ich auch alle auf, nochmal die grundsätzlichen Fragen zu diskutieren, etwa, wo muss die Intelligenz sein? Wir müssen nochmals anlässlich des OVG-Urteils diese Fragen stellen. Und wenn wir dann weiterfragen und alle sagen, das schaffen wir bald, ist das in Ordnung. Aber jetzt zu sagen, Augen zu und durch, wird uns nicht helfen, auch nicht mit agilem Testen. Die Türen zu den Kellern müssen aufgehen, das wollen wir ja auch!“

Neue Allgemeinverfügung soll kommen

Auf die Frage des Publikums, wann das abschließende Urteil des Verwaltungsgerichts Köln zu erwarten sei, erklärte Ingo Schönberg von PPC, dass das Urteil mittlerweile fast egal sei. „Ich bin der festen Überzeugung, die Allgemeinverfügung von 2020 wird aufgehoben“, so Schönberg. Ob das Verwaltungsgericht oder das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik die alte Allgemeinverfügung aufhebe, sei eigentlich nur noch eine Formsache. „Aber es muss auf den Stand der heutigen Technik, dem Stand des heutigen Messstellenbetriebsgesetzes und dem Stand der drei zertifizierten Gateway-Hersteller eine neue Allgemeinverfügung geben.“

Auf die Nachfrage von Co-Moderator Frank Hirschi, Senior Consultant bei der Horizonte-Group, ob dies auch der Grund sei, warum die Marktanalyse noch nicht veröffentlicht wurde, erklärte Schönberg, dass aktuell im Moment einfach noch offen sei, was der richtige nächste Schritt sei. „Macht man jetzt eine Allgemeinverfügung, die quais die alte ersetzt, also im Roadmap-Prozess Stufe zwei entspricht. Oder geht direkt zu Stufe 3 und schreibt bereits steuernde Geräte zusätzlich frei?“

Hier gebe es eine intensive Diskussion zwischen den Behörden, „aber da bin ich auch überzeugt, dass in den nächsten Wochen eine Entscheidung gefällt wird. Am Ende wird durch eine kurzfristig oder später verfügbare Allgemeinverfügung die alte aufgehoben. So oder so besteht Rechtssicherheit für den weiteren Ausbau“, bekräftigte PPC-Chef Schönberg. Fritz Wengeler von Smartoptimo verwies auf die Folgen: "Wenn die Allgmeinverfügung zurückgezogen wird, beginnen die Fristen von Neuem."  Das heißt auch die Zehn-Prozent-Quote müsste dann nach Verkünden der neuen Allgemeinverfügung erst in drei Jahren erfüllt werden.

Nach Meinung von Jörn Lutze von TMZ, zählen die Themen Einspeisung und weitere Use-Cases um den Paragraph 14a EnWG auch zur Allgemeinverfügung. Die hoffentlich im Spätsommer oder Herbst dann anstehe. „Darauf baue ich die Hoffnung und wir steuern darauf zu“

Fehlender Rechtsrahmen bei steuerbaren Verbrauchern

Gefragt nach der fehlenden Rechtssicherheit beim Thema steuerbare Verbraucher, erklärte Ingo Schönberg, dass es für den Endkunden aktuell vor allem beim Thema Steuern keinen Rechtsrahmen gebe, der ihm wirklich Mehrwerte oder monetären Nutzen biete. „Die Technik ist da. Technisch liefert die Richtlinie TR-03109-5 jetzt auch die Interoperabilität zu den Energiemanagement-Systemen und zu Steuereinrichtungen. Aber der Rechtsrahmen setzt ganz maßgeblich den Rahmen für die Wirtschaftlichkeit der Endkunden und Netzbetreiber.“

Die Feedbacks, die man aktuell im Moment zum finalen Entwurf des BSI hierzu höre, egal ob von Anwendern oder Betreibern sind Schönberg zufolge sehr positiv. Bestätigung zu dieser Aussage gab es auch von Jörn Lutze und Fritz Wengeler. „Deswegen glaube ich, dass bis zum Sommer die TR durch ist und der Stand der Technik definiert ist“, so Schönberg.

„Wir laufen heiß“

„Hochlauf oder heiße Luft?“ auf die abschließende Frage des Chefredakteurs Klaus Hinkel erklärte Fritz Wengeler von Smartoptimo, „man kann klar sagen, wir laufen hoch“. Die Stückzahlen steigern sich, wenn auch auf moderatem Niveau. Er erinnere sich noch, als man das erste Gerät eingebaut habe, „da waren wir total happy“, inzwischen habe man mehrere 1000 intelligente Messsysteme installiert.

„Ich würde sagen, wir laufen heiß“, bekräftigte Jörn Lutze von TMZ. „Ich sehe es nicht so, dass wir in ein Stocken geraten, sondern ich bin da eher positiv eingestellt, dass es ein Stück vorangeht“. Er gebe aber auch Herrn Schneidewindt recht, dass sich die Einbaufälle und Use-Cases natürlich zum Kundenvorteil verbreitern müssen. „Der Kunde muss merken, dass das einen Sinn ergibt, was wir machen, damit das nicht in die Gegenrichtung tendiert“.

Mehr Mut gefragt

Schneidewindt von der Verbraucherzahle wünscht sich, dass man nicht so sehr auf Stückzahlen achte. Viel wichtiger wäre es Mehrwerte zu nutzen und Funktionalitäten sicherzustellen. „Und da sind wir noch weit weg. Das ist das was mich persönlich überzeugen würde“, so Schneidewindt. Bei den Verbrauchern zähle vor allem in der aktuellen Situation jeder Euro, deswegen sei es noch wichtiger, dass der Rollout kostenneutral ist. Dies gehe aber nur über Funktionalitäten und variable Tarife.

Zu mehr Furchtlosigkeit rief Ingo Schönberg auf: „Wir brauchen jetzt einfach auch mal richtigen Mut, um einfach in die Anwendungen reinzugehen. Diese ewige Diskussion, was alles noch nicht geht, was schwierig ist und so weiter, das wird nichts werden. Wir müssen rein in die Anwendungen und müssen die auch umsetzen. Und man muss auch dann ein bisschen Mut mitbringen und die Dinge auch tun!“ (sg)