Smart City / Energy

Smart-Metering: Technische Lösung für Mehrwertdienste

Die Stadtwerke München und Coneva haben eine dezentrale Energiemanagement-Lösung über den CLS-Kanal am Smart-Meter-Gateway getestet. Damit sind zahlreiche Mehrwertdienste möglich.
11.12.2019

Mit dem Energiemanagementsystem können Haushalte und Gewerbebetriebe lokale Komponenten – vor allem Photovoltaikanlage und Batteriespeicher – optimiert regeln , Energieflüsse in Echtzeit überwachen sowie Anlagen über ein ein virtuelles Kraftwerk des Energieversorgers zentral steuern.

Zur Vorbereitung für den bevorstehenden Rollout haben die Stadtwerke München (SWM) und die SMA-Solar-Technology-Tochter Coneva ein gemeinsames Projekt durchgeführt und nach eigenen Angaben Pionierarbeit geleistet: Erstmals sei eine Verbindung von intelligenten Messsystemen mit einer PV-Anlage eines privaten Haushalts zum Aufbau eines bidirektionalen Kommunikationskanals zwischen lokalem Energiemanagementsystem und Energiewirtschaft aufgebaut worden. Die technische Lösung soll Grundlage für eine Vielzahl von bidirektionalen Anwendungsfällen – auch Mehrwertdienste genannt – werden, die sowohl privaten und gewerblichen Endkunden dienen, als auch für die Energiewirtschaft im Kontext des Messstellenbetriebsgesetzes relevant sind.

Ablauf des Tests

Konkret wurde in einem Proof-of-Concept die Integration einer dezentralen Energiemanagement-Lösung über den CLS-Kanal am Smart Meter Gateway getestet. Endkunden können über ein solches dezentrales Energiemanagementsystem Erzeugungs- und Verbrauchsleistung hinter dem Netzanschlusspunkt steuern. Bei dem Projekt kam ein noch in Entwicklung befindliches CLS-Modul zum Einsatz. Dieses ermögliche, im Vergleich zur FNN-Steuerbox, umfassendere Anwendungen für energiewirtschaftliche Geschäftsmodelle, heißt es in dem zugehörigen White-Paper der beiden Partner.

Dieses Steuerungsmodul bildet mit den intelligenten Messsystemen die Grundlage für die digitale Anbindung und Vernetzung lokaler Komponenten. In dem Proof-of-Concept wurde ein bereits bestehendes Energiemanagementsystem und dem noch in den Startlöchern stehenden intelligenten Messsystem geschaffen. Dazu wurde der Softwarestack des CLS-Moduls um die Energiemanagement-Software "ennexOS" von SMA Solar Technology erweitert. Über ein CLS-Modul wurden Anlagedaten einerseits für den Anwender an ein Monitoringportal übertragen und visualisiert. Andererseits wurde eine Verbindung in das virtuelle Kraftwerk der SWM geschaffen, um damit Steuerbefehle und Fahrpläne an die lokale Anlage zu übermitteln.

Energieflüsse in Echtzeit

Das Energiemanagementsystem sorgt dafür, dass Haushalte und Gewerbebetriebe lokale Komponenten – vor allem Photovoltaikanlage und Batteriespeicher – optimiert regeln können, Energieflüsse in Echtzeit überwacht sowie Anlage über ein virtuelles Kraftwerk des Energieversorgers zentral gesteuert werden können. Dadurch sei auch eine Optimierung der Einspeiseerlöse und die Nutzung von Flexibilitäten aus der Elektromobilität möglich, erklärten die Projektpartner. Für den Testaufbau wurde ein PV-Simulator eingesetzt, der softwarebasiert realitätsnahe Leistungs- und Energiedaten einer PV-Anlage an das Energiemanagementsystem auf dem CLS-Modul sendet.

Ebenfalls wurde untersucht, ob moderen Messeinrichtungen als Zähler in das Energiemanagementsystem eingebunden werden können. Im Testaufbau wurden von den Messeinrichtungen zunächst Messwerte in einer Auflösung von einer Minute über das Gateway bereitgestellt und im Portal visualisiert. Eine höhere Auflösung in fünf bis zehn Sekundenintervallen, sei zum Beispiel für dynamische Wirkleistungsbegrenzung der PV-Anlage oder für intelligente Verbrauchersteuerung sei grundsätzlich möglich, so eines der Ergebnisse. Für die meisten Anwendungsfälle im lokalen Energiemanagement sei das ausreichend. Bei der Eigenverbrauchsoptimierung mit Batteriespeicher und pulsierenden Lasten hingegen sei eine Auslösung der Messwerte von einer Sekunde nötig, was nicht getestet wurde.

„Die Erkenntnisse aus dem Kooperationsprojekt ermöglichen die Visualisierung der Energieflüsse hinter dem Netzanschlusspunkt und die Realisierung zentraler Steuerbefehle erstmals auch auf der Smart Meter Infrastruktur. Bisher war dies nur über die Internetverbindung der Endkunden möglich“, fasste es Jochen Schneider, Geschäftsführer der Coneva, zusammen.

Mehrwerte für Endkunden und Vertriebe

Die getestete Lösung sei vor allem für Haushalte und Gewerbebetriebe mit dezentraler PV-Erzeugungsanlage mit und ohne Batteriespeicher, die als Pflicht-Einbaufall im Rahmen des Smart-Meter-Rollouts gelten, interessant.

Für Vertriebe bzw. wettbewerbliche Messstellenbetreiber biete sich die Möglichkeit über Bündel-Angebote aus intelligenten Messsystemen, Energiemanagementsystemen und Backend möglichwerweise in Kombination mit einer Hardware-Lösung für PV-Systeme und Batteriespeicher neue Geschäftsmodelle entwickeln, so ein Ergebnis. Mit der Integration der Energiemanagementfunktion auf dem CLS-Modul des Gateways benötige der Anwender zudem keine zusätzliche proprietäre Infrastruktur und könne somit einen Teil der hardwareseitigen Fixkosten einsparen.

Daneben biete die Lösung Potenziale zur Erweiterung von Tarifmodellen wie zeitvariable Tarife oder Regionalstrom-Tarife. Einen zusätzlichen finanziellen Anreiz können zudem Flexibilitätsvermarktungs- und Direktvermarktungsmodelle – vor allem für Post EEG-Anlagen – bieten. Denkbar seien auch Community-Lösungen, die im regionalen Raum die Direktbelieferung von Kunden untereinander ermöglichen.

Netzbetrieb könnte Anlagen netzdienlich steuern

Für den Netzbetrieb gebe es die Möglichkeit eines dezentralen Anlagenzugriffs über die SMGW-Kommunikationsinfrastruktur, die im Rahmen des Proof-of-Concepts untersucht werde. Perspektivisch könnte hier die Einbindung von Klein- und Kleinstanlagen für netzseitige Anwendungsfälle realisiert werden. Use Cases wären hier anreizbasierte Modelle, die Anlagenbetreibern ein der Eigenverbrauchsoptimierung oder vertrieblichen Geschäftsmodellen wie Community-Tarife gleichwertiges Angebot bieten.

Möglich seien auch Vergütungen für Schalthandlungen zum Beispiel über Fahrpläne der Verteilnetzbetreiber. Aktuell sei der operative Aufwand für die Umsetzung solcher Maßnahmen aber noch unverhältnismäßig hoch.

Fazit

Insgesamt habe der technische Proof-of-Concept eine gute Basis geschaffen, um weitere Anwendungsfälle und neue Geschäftsmodelle für eine Energieversorgung der Zukunft zu entwickeln, heißt es im Fazit des White-Papers. Bei der Ausgestaltung und Vermarktung der Lösung hingegen würden  zahlreiche Hindernisse bestehen. Etwa die konsequente Ausprägung eines wettbewerblichen Messstellenbetreibers bei Stadtwerken als vertrieblicher Gegenpart zur Grundzuständigkeit, um neuen Geschäftsmodellen eine Basis zu geben.

Die regulatorischen Unsicherheiten in der Gesetzgebung durch Messtellenbetriebsgesetz, Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende, EEG oder auch EnWG würden zwar Spielräume bieten, hemmen aber die konsequente Umsetzung neuer Geschäftsmodelle im Zusammenhang mit dem Smart-Meter-Rollout. Bisher gebe es außerdem für Endkunden keine Motivation sich mit Smart Metering auseinanderzusetzen und eine Zahlungsbereitschaft zu beweisen. Vermisst werden auch offene Protokollstandards wie es bei IoT und Plattform-Ökonomie üblich sei. Diese Offenheit und die daraus resultierende Performanz sei in der Smart-Meter-Infrastruktur nicht geklärt, weil schlicht die Anreize auf Anbieterseite fehlen würden.

„Durch die Möglichkeit, die SMGW-Infrastruktur nicht nur zum Auslesen von Stromzählern zu verwenden, sondern auch zur Steuerung und Optimierung von Erzeugern und Verbrauchern wird das Smart Grid zur Realität“, bilanzierte Barnabas Kittlaus, Leiter Marktnahe Dienstleistungen der SWM.
Das White Paper zu den Ergebnissen gibt es hier: http://bit.ly/ems-smart-me-ter-gateway. (sg)