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"Untauglich und praxisfern": Verband kritisiert Blauen Engel für Rechenzentren

Rechenzentren, die das Umweltzeichnen tragen wollen, müssen zu 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Energiequellen nutzen. Doch es fehlt dafür an Grünstrom, mahnt die Eco Allianz - auch, weil die Politik die Energiewende verschlafen hat.
08.02.2023

"Blauer Engel" für Rechenzentren? Ein Branchenverband kritisiert die dafür nötigen Voraussetzungen. (Symbolbild)

Mit dem "Blauen Engel" werden besonders energieeffiziente Rechenzentren ausgezeichnet. Das Umweltbundesamt (UBA) hat die Richtlinien für das Umweltzeichen überarbeitet. Unter anderem wurden die beiden Blauen Engel für den Energieeffizienten Rechenzentrumsbetrieb (DE-UZ 161) und für die klimaschonende Co-Location (DE-UZ 214) zusammengeführt. Zuvor konnten die Geschäftsmodelle der Rechenzentren nicht immer eindeutig dem einen oder anderen Umweltzeichen zugeordnet werden.

Der vom Verband der Internetwirtschaft (eco Verband) initiierten Allianz zur Stärkung digitaler Infrastrukturen gehen die Änderungen des UBA aber nicht weit genug. Vielmehr seien sie weiterhin "untauglich und praxisfern". "Der Blaue Engel muss handhabbar und praktikabel für Rechenzentren werden", sagt Béla Waldhauser, Sprecher der Allianz zur Stärkung digitaler Infrastrukturen in Deutschland. "Bei der Überarbeitung des Umweltzeichens hat das UBA die Gelegenheit verstreichen lassen, den sehr starren Anforderungskatalog flexibler auszugestalten und die Praktikabilität des Blauen Engels zu stärken."

Abnehmer für Abwärme fehlen

Rechenzentrenbetreiber hätten bereits ein Eigeninteresse, die Effizienz ihrer Rechenzenten so gut wie möglich zu steigern, so Waldhauser weiter. Die Kriterien zum Blauen Engel würden zwar vorhandene und praktizierte Konzepte zur Eigenstromversorgung von Rechenzentren anerkennen. Bei der Abwärmenutzung – dem neuen Kriterium des Blauen Engels – bestehe jedoch dasselbe Problem wie bei dem von der Bundesregierung geplanten Energieeffizienzgesetz.

Es sei weiterhin schwierig, Abnehmer für die Abwärme zu finden, was unter anderem an der fehlenden kommunalen Wärmenetzinfrastruktur liege. Zudem sei die Möglichkeit der Abwärmenutzung grundsätzlich standortabhängig und nicht überall möglich.

"An dieser Stelle ist es Aufgabe der Politik, einen Markt für Abwärme-Abnehmer sowie ausreichend Ressourcen für Grünstrom aus erneuerbaren Energien zu schaffen. Ansonsten können diese Potenziale nicht genutzt werden", warnt der Verbandssprecher.

Nur nationale Bedeutung

Die eco Allianz fordert realistische Anforderungen für die Energieversorgung. "Mit dem Blauen Engel ausgezeichnete Rechenzentren müssen zu 100 Prozent mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen versorgt werden. Das ist unterstützenswert, aber an diesem Punkt sind wir schlichtweg noch nicht, weil die Politik die Energiewende um mehr als zehn Jahre verschlafen hat", so Waldhauser. Die Eigenstromnutzung reiche nicht aus, um den gesamten Strombedarf von Rechenzentren abzudecken.

Außerdem durchdringe der Blaue Engel den international geprägten Markt nur wenig. "Europäische Selbstregulierungsinitiativen wie etwa den Climate Neutral Data Centre Pact halte ich für sehr viel sinnvoller. Die meisten in Deutschland ansässigen Rechenzentren agieren im europäischen und internationalen Wettbewerb, sodass national ausgelobte Umweltzeichen nur wenig Relevanz und Anerkennung bei internationalen Kunden finden."

"Willkürliche" Grenzwerte

Das Hauptproblem beim "Blauen Engel" sieht der Verband aber in den "willkürlich gesetzten Grenzwerten", die zu einer mangelnden Markt- und Branchenakzeptanz führten. "Ich erwarte nicht, dass sich die Anzahl der Blauen Engel in der Branche nach den Richtlinien-Anpassungen signifikant erhöhen wird. Die Anforderungskriterien zum Blauen Engel müssen sich deutlich stärker an europäischen Normen, Branchenstandards und Vereinbarungen orientieren", so Waldhauser.

Der Experte hält es für notwendig, dass die Zertifizierung an die praktischen Gegebenheiten der Rechenzentren angepasst wird. "Konvergente und anschlussfähige Kriterien sollten auch für den Blauen Engel im Vordergrund stehen. Nur so können Vergleichbarkeit und Transparenz in einem europäischen Marktumfeld sowie ein Mehrwert für Rechenzentren und deren Kunden geschaffen werden." (jk)