H2-Marktindex: Großes Interesse an Wasserstoff, aber Ärger über Regulierung
Wie gut ist Deutschland beim Thema Wasserstoff aufgestellt? Kommt der Hochlauf voran? Wo muss die Politik besser werden? Und was erwarten die Akteure von der Bundesregierung? Antworten auf diese Fragen gibt der H2-Marktindex. Entwickelt wurde das neue Instrument, das am Dienstag im Rahmen einer digitalen Pressekonferenz vorgestellt wurde, vom Energiewirtschaftlichen Institut an der Universität zu Köln (EWI). Der Auftrag kommt vom Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW).
Ein zentrales Ergebnis: 84 Prozent der teilnehmenden Marktakteure schätzen die Bedeutung von klimaneutral erzeugtem Wasserstoff für die zukünftige Energieversorgung in Deutschland überwiegend als hoch und teilweise sogar sehr hoch einschätzen. Demgegenüber steht jedoch die Gesamtbewertung des Markthochlaufs, die mit 42 von 100 Punkten eher im Mittelfeld der Skala liegt. „Das zeigt: Die Bereitschaft der Branche ist da, aber es müssen die Weichen so gestellt werden, dass sich alles in Richtung H2 entwickeln kann“, führte Gerald Linke, Vorstandsvorsitzender des DVGW aus.
Viele Stakeholder unter einen Hut bringen
Die Schaffung eines neuen Marktes in derartiger Größe und in so kurzer Zeit sei ein ambitioniertes Unterfangen, da eine große Anzahl an Stakeholdern entlang der Wertschöpfungskette koordiniert sowie neue Regeln und geeignete Rahmenbedingungen geschaffen werden müssten. Der DVGW werde mit der Erstellung eines verbindlichen Wasserstoff-Regelwerks mit dazu beitragen, dass das Thema vorankommt, so Linke.
Der H2-Marktindex zeigt aber auch, dass die Akteure massiv mit dem vorhandenen politischen und regulatorischen Rahmen hadern. Dieser wird von den Befragten mit 41 von 100 Punkten als eher niedrig bis neutral bewertet. 43 Prozent der Befragten sind sogar der Meinung, dass er die derzeit größte Herausforderung für den Wasserstoffmarkthochlauf ist, und sehen den Ordnungsrahmen als Hemmnis für den Ausbau von Infrastruktur und Erzeugungskapazitäten. Auf die Frage, was am meisten durch den regulatorischen Rahmen ausgebremst werde, nannten 36 Prozent die Erzeugung, 28 Prozent den Transport und 21 Prozent die Nutzung von Wasserstoff. Auch bei der Speicherung sehen die Befragten Handlungsbedarf.
Kein "Deutschlandtempo" zu erkennen
„Die Branche wartet auf positive Signale der Politik“, machte Linke klar. Die wesentlichen Technologien zur Herstellung von Wasserstoff seien entwickelt und zur Marktreife geführt. Der Hochlauf sei aber trotzdem nicht da. Anders als bei der schnellen Genehmigung von LNG-Terminals sei von einem „Deutschlandtempo“ beim Wasserstoff also nichts zu sehen, kritisierte der DVGW-Chef. Linke sprach sich für eine Verschlankung und Erleichterung von Genehmigungsverfahren aus – insbesondere beim Ausbau der Wasserstoff-Infrastruktur. Hier brauche es dringend auskömmliche und planbare Investitionsanreize.
Eine weitere Baustelle aus Sicht von Linke ist die Technologieoffenheit. Sein Plädoyer: Die Politik sollte nicht nur Technologien mit dem höchsten Wirkungsgrad, wie etwa die Wärmepumpe, fördern, sondern auch Technologien, die für die Stabilität und Resilienz des Energiesystems sorgen. Luft nach oben sieht Linke auch bei den verschiedenen Wegen, Wasserstoff herzustellen. Eine Fokussierung auf die Elektrolyse sei nicht zielführend. Es sei wichtig, etwa auch die Pyrolyse stärker in den Blick zu nehmen.
Förderdschungel lichten
Zentral ist aus Sicht des DVGW zudem eine „ressortübergreifende Bündelung von Fördermöglichkeiten“. Die Bundesregierung müsse die Abstimmung zwischen den Ministerien verbessern und so für mehr Transparenz und weniger Aufwand im Beantragungsprozess sorgen.
Der H2-Marktindex ist das Ergebnis einer Online-Befragung relevanter Akteure der Wasserstoffwirtschaft in Deutschland. Er hat den Anspruch, die aktuelle Wahrnehmung der Marktteilnehmer widerzuspiegeln. Er basiert auf 373 indexrelevanten Rückmeldungen von Stakeholdern der Wasserstoffwirtschaft in Deutschland. Die Stakeholder umfassen alle relevanten Bereiche für eine Wasserstoffwirtschaft: zum einen Akteure entlang der Wertschöpfungskette, von der Bereitstellung des Wasserstoffes über Transport und Verteilung bis zur Anwendung, und zum anderen die beteiligten Hersteller von Technologie und Equipment. Die Befragung erfasst die Zufriedenheit der Marktakteure zur aktuellen und zukünftigen Lage verschiedener Themenfelder des Wasserstoffmarktes wie Innovationsumfeld, politisch-regulatorischer Rahmen, Infrastrukturausbau und Marktentwicklung. Linke kündigte an, dass die Marktabfrage nun regelmäßig durchgeführt werden soll. Ein einmaliges Stimmungsbild sei nicht zielführend. Man wolle herausfinden, wer in den verschiedenen Bereichen seine Hausaufgaben gemacht habe bzw. wo noch nachgebessert werden müsse. (amo)