Wärme

„Für eine CO2-neutrale Wärmeversorgung kommen mehrere Lösungen in Frage“

Wie lässt sich CO2-Neutralität im Gebäudebestand erreichen? Ein Interview der Bauverein AG Darmstadt und der Horizonte-Group AG zum Thema CO2-Strategie
29.01.2022

Oliver Kisignacz (links)ist Senior Manager bei der Horizonte-Group und Leiter der Business-Unit Wärme und Energiedienstleistungen. Stefan Backmund (rechts) ist Bereichsleiter Bestandsmanagement und Prokurist bei der Bauverein AG sowie Geschäftsführer der Bautega

Die Bauverein AG arbeitet an einem Projekt mit dem Ziel, CO2-Neutralität im Gebäudebestand bis zum Jahr 2035 zu erreichen. Herr Backmund, können Sie uns hier genaueres erzählen?
Stefan Backmund, Bereichsleiter Bestandsmanagement und Prokurist bei der Bauverein AG sowie Geschäftsführer der Bautega: „Im Rahmen der Gebäudeinitiative 2020 haben wir uns das Ziel gesetzt, erstmal herauszufinden wie wir unseren Immobilienbestand bis 2035 umbauen müssen, um nahezu CO2-neutral zu werden. Wir wissen schon heute, dass wir die notwendigen Investitionen im Rahmen unser Projekttätigkeit nicht stemmen können. Wie hoch der tatsächliche realistische Kapitalbedarf sein wird, ist eine zentrale Fragestellung. Um diese zu beantworten, brauchen wir die für uns spezifischen Maßnahmenpakete.“
 

Das Gebäudeenergiegesetz (GEG) und die Bundesförderung für effiziente Wohngebäude (BEG) geben doch hier bereits gute Leitlinien. Was erwarten Sie von diesem Projekt im Besonderen?
Backmund: „Was die Gebäudehülle betrifft, so sehen wir hier natürlich schon die grundsätzlichen Maßnahmen, welche auf uns zukommen. Wirtschaftlich ergibt es jedoch keinen Sinn, alle Gebäude einfach nur einzupacken. Mit unseren eigenen Bauingenieuren und Architekten können wir im Bereich der Gebäudehülle das Maßnahmenpaket bereits zusammenstellen. Wir wollen aber noch einen Schritt weiter gehen und auch die passenden Maßnahmen für die technische Gebäudeausrüstung (TGA) sowie die Energieversorgung zusammenstellen und vorplanen.“

Klingt nach einer sehr komplexen Aufgabenstellung. Wo holen Sie sich die Expertise dafür her?
Backmund: „Zum Glück haben wir auch eigene TGA-Planer. Aber der Fachkräftemangel in diesem Bereich ist für uns deutlich spürbar. Wir brauchen daher auch externe und neutrale Expertise. Etliche Berater wurden hier ausprobiert. Angekommen sind wir schließlich bei der Horizonte-Group, welche neben der reinen Theorie auch einen sehr starken Praxisbezug liefern kann.“

Was ist der Beratungsansatz der Horizonte-Group hier und welche ersten Erkenntnisse haben sich ergeben?
Oliver Kisignacz, Senior Manager bei der Horizonte-Group  und Leiter der Business-Unit Wärme und Energiedienstleistungen: „Unser Beratungsansatz ist, die kundeneigenen Überlegungen mit unseren Erfahrungen anzureichern, um eine klare Strategie ableiten zu können. In diesem Projekt hat sich als eine Erkenntnis gezeigt, dass der Immobilienbestand in Gruppen aufgeteilt werden kann, welche von der umgebenden Energieinfrastruktur abhängen. Diese vorgelagerte Infrastruktur hat wiederum Einfluss auf die Planung der technische Gebäudeausrüstung und somit Einfluss auf die Investitionskosten.“

Was heißt das konkret und um welche Energieart geht es vorwiegend?
Kisignacz : „Für die Wohnungswirtschaft ist vor allem der Wärmesektor relevant. Die Höhe der Heizkosten wird schon heute als ‘zweite Miete‘ betrachtet. Auch wenn einige Immobilieneigentümer mehr und mehr auf die Wärmepumpe setzen, sind hier aktuell Grenzen bei den Systemtemperatu-ren und Leistungen gegeben. Die Wärmepumpe im Mehrfamilienhaus konkurriert hier und da schon mal mit einer E-Ladestation oder scheitert an der Leistungsfähigkeit des Strom-Hausanschlusses. Hinzukommt die Strompreissteigerung in den letzten Monaten durch den Ausstieg aus Kern- und Kohlekraft. Vor allem in den Zeiten, wo es dunkel und kalt ist, fehlen die strompreissenkenden und CO2-sparenden Effekte der erneuerbaren Energien.“

Welche Lösungen sehen Sie hier bzw. in welche Richtung beraten Sie?
Kisignacz : „Im Immobilienbestand der Bauverein AG können wir bereits zu Anfang des laufenden Projektes erkennen, dass mehrere Lösungen für eine Wärmeversorgung zur Anwendung kommen werden. Fernwärme ist ein wichtiges Thema, aber auch die Gestaltung der Wärmeübertragung in die Hausinstallation und neuartige Wärmeübergabestationen zeichnen sich als Lösung ab. Dort wo es keine Fernwärme gibt, können Quartierskonzepte mit Niedertemperaturnetzen eine Lösung sein. Das Beratungsprojekt ist noch ganz am Anfang. Die abschließenden Betrachtungen und Wirtschaftlichkeitsberechnungen der Varianten stehen noch aus.“

Herr Backmund, wie stellen Sie sich für diese zukünftigen Anforderungen am Wärmemarkt auf?
Backmund: „Wärmeerzeugung selbst ist kein Schwerpunkt der Bauverein AG und stellt für uns einen eigenen Wertschöpfungsbereich da. Daher haben wir als gemeinsame Tochter mit der Entega die Bautega gegründet. Hier sollen dann die Lösungen wie Quartierswärme oder auch Einzelanlagen realisiert werden. Im Rahmen dieses Projektes erhoffen wir uns wegweisende Antworten, um für unser Immobilienportfolio die ideale Strategie festlegen zu können. Die hohe Anzahl der Möglich-keiten wie unterschiedliche Wärmeerzeugung und -verteilung kombiniert werden kann, macht es nicht leicht. Unsere eigenen Projektleiter haben mit Unterstützung der Horizonte-Group hier bereits die Komplexität deutlich reduziert, so dass sich bereits eine erste Struktur abzeichnet. Bis zum Sommer 2022 sollen die Ergebnisse zusammengetragen sein. (sg)