Wärme

Kühl ab, Berlin! – Die Kältezentrale läuft auf Hochtouren

Bei Temperaturen von über 30 Grad ist es meist leer in den Straßen. Auch viele Berliner ziehen sich in klimatisierte Gebäude zurück. Ein Blick in die größte Kältezentrale Deutschlands am Potsdamer Platz.
30.07.2018

Hier wird Kälte gemacht: Blick in die Berieselungsanlage der Kältezentrale von Vattenfall am Potsdamer Platz in Berlin

Es ist kurz nach 9 Uhr, als sich die Sonne hinter dem hohen Bürokomplex am Potsdamer Platz hervorschiebt. Das dunkelrote Klinkergebäude wirft einen schmalen Schatten auf den Asphalt, drei verschwitzte Touristen machen eine Pause. Draußen herrschen bereits fast 30 Grad, im Innern des Gebäudes ist es angenehm kühl – so wie in 12 000 anderen Büros rund um den Potsdamer Platz.

Der Grund dafür liegt in der benachbarten Stresemannstraße – dort steht der «größte Kühlschrank Berlins», wie der Betreiber Vattenfall den sandfarbenen Komplex nennt. Hinter den schweren Stahltüren winden sich dicke Rohre vor grauen Betonwänden. 15 Kältemaschinen reihen sich aneinander, ihr pulsierendes Dröhnen schallt durch die Halle. Zu jedem der Geräte führen Dutzende Schläuche und Rohre, an den metallischen Verbindungsstücken sammelt sich eiskaltes Kondenswasser. Durch sie werde das Kältewasser zu den Abnehmern geleitet, erklärt Obermonteur Gunnar Schmidt, der schon seit 19 Jahren in der Kältezentrale arbeitet. Die klimatisieren damit dann ihre Räumlichkeiten. Und die sind groß: Das Werk kühlt eine Fläche von über einer Million Quadratmetern; mit einer Leistung, die rund 600 000 Kühlschränken entspricht.

Zwei Arten von Kühlmaschinen

Um immer stabil kühlen zu können, gibt es im Werk zwei Arten von Maschinen. «Unsere Absorptionskältemaschinen nutzen einen chemischen Prozess, um Warmwasser aus dem Heizkraftwerk für die Kühlanlagen aufzubereiten», erklärt Schmidt. Doch die benötigen mindestens 300 Kubikmeter Wasser pro Stunde. Laut Schmidt wird das vor allem dann zum Problem, wenn die Berliner viel heizen und lange duschen.

Deshalb gibt es zusätzlich auch Kompressionskältemaschinen. «Die funktionieren wie ein klassischer Kühlschrank», erklärt er. «Kaltes Wasser durch viel Strom.» Dieses wird anschließend über insgesamt 14 Kilometer Leitungsnetz zu den Kunden gepumpt. Mit sechs Grad verlässt das Kältewasser die Zentrale. Mit zwölf Grad kommt es zur erneuten Kühlung zurück.

Für medizinische Einrichtungen und Serverräume

Die derzeitigen Höchsttemperaturen von über 30 Grad machen sich auch in der Kältezentrale bemerkbar, erzählt Schmidt. «Wenn es am Nachmittag richtig heiß ist, pumpen wir derzeit über 5000 Kubikmeter Wasser pro Stunde zu den Kunden.» Das sei fünfmal so viel wie in kälteren Monaten, in denen vorrangig medizinische Einrichtungen und Serverräume gekühlt werden. Schmidt erwartet deshalb für den Juli einen neuen Rekordmonat.

Die Kältezentrale am Potsdamer Platz wurde bereits 1997 eröffnet. «Damals war das hier noch lange nicht so dicht bebaut, da konnten wir die Rohre direkt unter der Wiese verlegen», erzählt Schmidt. Heutzutage sei es natürlich deutlich schwieriger das Netz zu erweitern.

Zentralisierter Ansatz

Dass die Kühlung zentralisiert sei, helfe dabei auch dem Umweltschutz, so der Betreiber. Im Vergleich zu einzelnen Klimaanlagen in allen Gebäuden spare dies jährlich 9000 Tonnen Kohlenstoffdioxid ein. Auch der Bundesverband Wärmepumpe sieht die Vorteile der Fernkälte. So habe jedes einzelne Gerät seinen eigenen Wirkungsgrad und eigene Verluste, erklärt Technikreferent Alexander Sperr. «Je weniger Maschinen im Einsatz sind, desto weniger Energie geht deshalb auch verloren.» In der Größe des Netzes sehe er aber auch Probleme. «Gerade in solchen Systemen muss das kalte Wasser lange Strecken zurücklegen.» Dabei wärme es sich natürlich wieder auf.

Das bestätigt auch Jens Jäger, Experte für Energieeffizienz bei der Deutschen Energie-Agentur (dena). Außerdem seien die verschiedenen Ansprüche der Kunden problematisch. «Jeder Abnehmer benötigt eine andere Temperatur zum Kühlen, da muss ein Leitungsnetz natürlich allen gerecht werden.» Für die Energiebilanz sei die Kältezentrale dennoch positiv zu bewerten. Für einzelne Gebäude sei es auch nicht umsetzbar, Abwärme aus dem Heizkraftwerk zur Kühlung wieder nutzbar zu machen. «So etwas geht einfach nicht im kleinen Stil», erklärt Jäger. (dpa/al)