Wärme

Mikro-Bohrturbine verbessert Effizienz der Geothermie

Fachleute schätzen, dass sich die Zahl der Geothermie-Kraftwerke in Europa in den nächsten fünf bis acht Jahren verdoppeln wird. Die neue Bohrturbine soll das Fündigkeitsrisiko deutlich senken.
06.01.2022

Geothermie wird ein wichtiger Wärmelieferant, so wie in Schwerin. Aber es besteht bei den Bohrungen jederzeit ein 30-prozentiges Risiko, daneben zu liegen.

Erdwärme ist eine unerschöpfliche Energiequelle. Tief in der ca. 30 Kilometer dicken Erdkruste findet sich heißes Wasser in Reservoiren, Klüften oder Rissen. Bereits in 5000 Meter Tiefe hat das Wasser bis zu 200 °C. Doch die mehrere Tausend Meter tief reichenden Bohrungen sind aufwendig und gleichzeitig riskant. Das Risiko, danebenzuliegen und nichts zu finden – Fachleute sprechen vom Fündigkeitsrisiko – liegt bei etwa 30 Prozent, heißt es in einer Pressemitteilung der Fraunhofer Gesellschaft.
 

Hier setzen die Expertinnen und Experten der Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG in Bochum an: Ein Minibohrer perforiert das Umfeld der Bohrung in einem Umkreis von etwa 50 Metern. Dabei stößt er in benachbarte Risse und Klüfte vor und erschließt diese für die Heißwassergewinnung. Das Wasser fließt in die Förderbohrung und kann nach oben gepumpt werden. Das Risiko, daneben zu liegen, wird verringert.

Neue Technologie: MTD

Herzstück der Technologie Micro Turbine Drilling (MTD) ist eine kompakte Mikro-Bohrturbine, die mit einem speziellen Bohrmeißel ausgestattet ist. Mit Abmessungen von gerade einmal 3,6 Zentimetern im Durchmesser und 10 Zentimetern in der Länge ist das Gerät extrem klein. Die Mikro-Bohrturbine ist an einem hochdrucktauglichen Schlauch befestigt, über den sie mit bis zu 200 Liter Wasser pro Minute bei etwa 100 bar Eingangsdruck angetrieben wird, um den Meißel in Rotation zu versetzen. Dieser besteht aus einer Wolframcarbid-Matrix mit eingearbeiteten Diamantkörnern und schleift sich mit bis zu 80.000 Umdrehungen pro Minute in das Gestein.

  • Die Mikro-Turbine: Mit Abmessungen von gerade einmal 3,6 Zentimetern im Durchmesser und 10 Zentimetern in der Länge ist das Gerät extrem klein.

Vorteil der Technik: Für hartes Gestein geeignet

Dabei ist er besonders für sehr hartes, kristallines Gestein wie Granit geeignet. Er ist aber auch in der Lage, Stahl zu durchbohren. Das ist wichtig, da die Bohrungen für bessere Stabilität häufig mit einer Stahlverrohrung ausgekleidet sind. Ohne das Bohrwerkzeug zu tauschen, kann mit dem MTD in einem Schritt zuerst die Stahlverrohrung und dann das Gestein bearbeitet werden. »In der Stunde schaffen wir zwei bis drei Meter. Das Wasser, das die Mikroturbine antreibt, dient zugleich als Kühlung, damit der Bohrer nicht heiß läuft, und auch als Spülung, um den Bohrstaub abzutransportieren«, erklärt Niklas Geißler, der am Fraunhofer IEG in Bochum und am Fraunhofer-Chalmers Research Center for Industrial Mathematics FCC in Schweden forscht.

Ähnliche Verfahren habe es in der Vergangenheit bereits gegeben. Doch das ebenfalls druckwasserbasierte Radial Jet Drilling (RJD) beispielsweise funktioniere nur in weichem Gestein. Für die Geothermie sei es damit ungeeignet, da geothermische Reservoire nur mit wenigen Ausnahmen im Hartgestein zu finden seien, heißt es in der Pressemitteilung weiter.

Nächster Schritt ist die Audioaufnahme

Die Fraunhofer IEG-Forschenden treiben das Vorhaben unterdessen weiter voran. Im nächsten Schritt sollen die Bohrgeräusche aufgenommen werden. Als akustische Referenz bei der Analyse kann dabei auch das Geräusch der Mikro-Bohrturbine dienen, deren Schaufeln bei der Rotation ein charakteristisches Pulsmuster aussenden. Mit der Analyse der Audioaufnahme lassen sich die Gesteinsarten, die der Meißel bearbeitet, erkennen und lässt sich zugleich feststellen, ob der Bohrer sich in der richtigen Geschwindigkeit dreht, gerade feststeckt oder gar leerläuft. Die Geräusche werden dabei auf die stählerne Rohrleitung als Körperschall übertragen und aufgenommen.

Die Technologie ist nicht nur für Geothermie-Anwendungen einsetzbar. »Generell kann das MTD in jeder Tiefbohrung eingesetzt werden, wo es darauf ankommt, die Umgebung einer Bohrung mit möglicherweise heterogenen Gesteinsarten zu erkunden, etwa für die Öl- oder Gasindustrie. Im Bereich Geotechnologien oder Tunnelbau können mit dieser Mikro-Bohrtechnologie beispielsweise Ankerbohrungen an schlecht zugänglichen Stellen gesetzt werden. (gun)