E-Mobilität

Kommission findet keine gemeinsame Linie zum Klimaschutz im Verkehr

Bis in den frühen Morgen hinein saß die Klimaschutz-AG für den Verkehrsbereich zusammen. Ein paar Kompromisse gelingen - aber für das Klimaschutzziel im Verkehr reicht es noch lange nicht.
26.03.2019

Wie kann die Verkehrswende gelingen? Auch nach einem Tagungsmarathon hat die Klimaschutz-Arbeitsgruppe darauf keine genauen Antworten.

Die Regierungskommission für den Verkehrsbereich hat sich in rund 17-stündigen Beratungen nicht auf einen Weg einigen können, das Klimaschutzziel für 2030 vollständig zu erreichen. Wie die Deutsche Presse-Agentur von Teilnehmern erfuhr, verständigten sich die Mitglieder bis Dienstagmorgen zwar unter anderem auf das Ziel von bis zu zehn Millionen Elektro-Pkw bis 2030 und massive Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr, die Bahn und die Digitalisierung des Verkehrs. Strittig aber blieben eine verbindliche E-Auto-Quote, ein generelles Tempolimit auf Autobahnen und ein Bonus-Malus-System, das Käufer dazu bringen soll, auf ein klimafreundliches Auto zu setzen. Umweltschützer und Industrievertreter fanden keinen Kompromiss.

Die Arbeitsgruppe sollte Maßnahmen vorschlagen, wie der Treibhausgas-Ausstoß im Verkehr von derzeit knapp 170 Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) auf unter 100 Mio. Tonnen im Jahr 2030 gedrückt werden kann. Wenn umgesetzt würde, worauf die Vertreter der Industrie, der Umweltverbände und Verbraucherschützer sich bisher einigen konnten, bliebe nach Teilnehmerangaben noch eine Lücke von 16 bis 26 Millionen Tonnen.

Arbeitsgruppe weit von ihrer Ziel entfernt

Die Vorschläge sollen in den Zwischenbericht der Gesamt-Kommission «Nationale Plattform Zukunft der Mobilität» einfließen, die insgesamt sechs Arbeitsgruppen zu unterschiedlichen Themen hat. Die Klima-AG ist die ursprünglich im Koalitionsvertrag geplante Kommission zum Klimaschutz im Verkehr. Der Bericht der «Nationalen Plattform» könnte zur Handlungsgrundlage für die Politik werden.

Die Umweltseite zeigte sich nach Ende der Marathonsitzung enttäuscht. Man bedauere, dass es in der Sitzung nicht möglich gewesen sei, sich einvernehmlich auf ein konkretes und wirkungsvolles Maßnahmenpaket zu verständigen, hieß es in einer Stellungnahme. Die Arbeitsgruppe sei mit dem nun erzielten Zwischenbericht «weit davon entfernt», ihren Auftrag zu erfüllen. Der fortschreitende Klimawandel mache wirksame und schnelle Maßnahmen zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens sowie der deutschen und europäischen Klimaschutzziele immer drängender.

Sozialverträglicher CO2-Preis

In der Arbeitsgruppe vertreten sind unter anderem der Industrieverband BDI, der Deutschen Städtetag, die IG Metall, die Deutsche Bahn, der BUND, der Fahrradclub ADFC, die Mineralölwirtschaft, der Autobranchenverband VDA, der Naturschutzbund Deutschland (Nabu), die Allianz pro Schiene und der ADAC.

Sie einigten sich darauf, dass die Regierung prüfen solle, dem CO2-Ausstoß im Verkehr und anderen Bereichen einen Preis zu geben. Es geht um alle Sektoren, die nicht vom Emissionshandel der EU abgedeckt sind. Das würde auch den Gebäudebereich, die Landwirtschaft und Teile der Industrie betreffen. Ein CO2-Preis würde das Fahren von Autos mit hohem Spritverbrauch teurer machen. Allerdings legte die Arbeitsgruppe auch Wert auf eine sozialverträgliche Gestaltung.

E-Mobilität alternativlos?

Zudem sollten Wettbewerbsverzerrungen vermieden werden, heißt es in einem neuen Entwurf für ein Berichtskapitel «Schlussfolgerung und Ausblick», das der Deutschen Presse-Agentur vorlag. Dem Entwurf zufolge schlägt die Arbeitsgruppe zudem vor, dass die Maßnahmen in den Jahren 2021, 2023, 2026 und 2029 transparent auf ihre Wirksamkeit hin überprüft werden sollen - um nachsteuern zu können und die Akzeptanz bei den Bürgern zu erhöhen.

Gestritten hatten sich die AG-Mitglieder aber unter anderem darüber, ob die Politik voll auf den Ausbau der Elektromobilität setzen solle, oder ob auch Biosprit aus Pflanzen und aus Strom gewonnenen Kraftstoffe eine Rolle spielen sollten. Damit könnten Verbrennungsmotoren noch weiter betrieben werden. In der Autobranche arbeiten in Deutschland mehr als 800.000 Menschen.

Weniger Spirt, aber mehr Verkehr

Der Treibhausgasausstoß im Verkehr ist seit 1990 nicht zurückgegangen und zuletzt sogar angestiegen. Zwar brauchen die einzelnen Fahrzeuge weniger Sprit und stoßen deswegen auch weniger CO2 aus, aber es wird insgesamt mehr gefahren und die Zahl der Pkw hat zugenommen. Zudem boomen spritschluckende schwere Geländewagen (SUV).

Bis 2030 sollen die Emissionen im Verkehr um 40 bis 42 Prozent sinken. So steht es im Klimaschutzplan, zu dem Union und SPD sich im Koalitionsvertrag bekennen. Noch in diesem Jahr will die Koalition ein Gesetz oder mehrere Gesetze verabschieden, die sicherstellen, dass Deutschland das Klimaschutzziel 2030 erreicht - nämlich den Treibhausgas-Ausstoß insgesamt um 55 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken. Dafür müssen alle Sektoren liefern, auch der Verkehr.

Kritik an Scheuer

Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hatte Gedankenspielen etwa zu möglichen höheren Steuern bereits eine Absage erteilt. Die Mobilität von morgen müsse effizient, digital, bezahlbar und klimafreundlich sein. Nun erntet er dafür Kritik von Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender der Grünen: "Es ist wenig verwunderlich, dass sich die Verkehrskommission nicht auf ein umfassendes Paket zum Klimaschutz im Verkehr verständigen konnte. Dafür trägt Verkehrsminister Scheuer mit seinen Denkverboten und Sabotageakten die Verantwortung. Sein Ziel war von Anfang an, den Klimaschutz im Verkehr auszubremsen", sagte Hofreiter.

Der Bundesverband Neue Energiewirtschaft sieht in der Arbeit der Kommission zumindest einen kleinen Erfog, kommentiert Geschäftsführer Robert Busch: „Es ist kein Zeichen für eine wirklich gewollte und ambitionierte Energie- und Klimapolitik im Verkehrssektor, wenn auch die dafür eingesetzte Kommission nur in der Lage ist, sich auf einen eher unambitionierten Kompromiss zu einigen. Immerhin: Die Arbeitsgruppe 1 der "Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität" hat viele der notwendigen Maßnahmen erkannt und zumindest diskutiert. Das Wissen, mit welchen Instrumenten die energie- und klimapolitischen Ziele zu erreichen sind, ist also vorhanden. Es ist und bleibt damit die originäre Aufgabe der Politik, die Energiewende auch im Verkehrssektor umzusetzen." (dpa/ls)