„Kapazitätsmärkte werden kommen“
„Der ganz große Durchbruch ist das nicht.“ Mit diesen Worten beurteilte Johannes Kempmann, Präsident des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) die bisherigen Ergebnisse der Verhandlungen der Koalitionspartner CDU/CSU und SPD bei der Eröffnungskonferenz zur Messe E-World in Essen. „Vieles ist noch nicht so klar, manches schon, es gibt noch viel Licht und Schatten.“
Als bedauerlich bezeichnete Kempmann die Tatsache, dass die Koalitionäre bislang noch kein Wort zu Kapazitätsmärkten fixiert haben. „Der Energy-only-Ansatz Energy 2.0 ist krachend gescheitert“, machte er deutlich. Bis 2023 werden rund 26 GW an gesicherter Leistung vom Netz gehen. Um jetzt diese Lücke zu füllen, müssten neue Kraftwerke, vor allem Gaskraftwerke, bereits im Genehmigungsverfahren sein. Doch dies ist nicht der Fall. „Kapazitätsmärkte werden kommen“, ist er sich sicher. Doch statt zielgerichtet vorzugehen, werde die Lösung dann „überhastet und teuer“ angegangen werden. In die gleiche Kerbe schlug auch Nordrhein-Westfalens Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart: „Es braucht Sicherheit für die Investition in gesicherte Leistung.“ Er habe sich deshalb „als einer der Ersten“ für Kapazitätsmärkte ausgesprochen.
Der entscheidende Wille fehlt
Als nicht „ernsthaft genug“ betreibe die künftige Bundesregierung auch den Ausbau der Netze, erklärte BDEW-Präsident Kempmann. Zwar gebe es ein ganz klares Bekenntnis zum Ausbau der Erneuerbaren bis 2030 auf 65 Prozent. Doch wie steht es um den nötigen Netzausbau? „Wenn die Netze aufnahmefähig sind“, zitierte Kempmann die entsprechende Passage. Hier fehle es am entscheidenden Willen, den Netzausbau voranzubringen, erläuterte Kempmann. Als „vernünftig“ bezeichnete er die Tatsache, dass nun erstmals auch Verteilnetzbetreiber in ihrer Verantwortung als Akteur beim Netzausbau gesehen werden.
Bedauerlich sei, dass die in Zukunft wichtige Sektorkopplung von den Koalitionären „stiefmütterlich“ behandelt werde. Hierfür sei eine Angleichung der Belastungen der Sektoren Strom, Wärme und Verkehr nötig. Doch schon der Wegfall der Stromsteuer wurde nicht angepackt. „Wahrscheinlich wegen des bayerischen Widerstands“, mutmaßte Kempmann. Schließlich bedürfe dieser Schritt einer Gegenfinanzierung.
Die Rolle von Erdgas nicht verstanden
„Nicht wirklich richtig verstanden“ hätten die Koalitionäre auch die Rolle von Erdgas, äußerte der BDEW-Präsident. Positiv sei, dass jetzt erstmals das Wort „Gaswirtschaft“ in die Papiere aufgenommen wurde, doch der Energieträger verdiene eine andere Wertschätzung. „Gas ist Teil der Lösung, Gas ist nicht Teil des Problems“, machte Kempmann deutlich.
Auch für den Non-ETS-Bereich brauche man in Zukunft eine CO2-Bepreisung. Ohnehin hätten die Koalitionäre die Gründe für das Nichterreichen der CO2-Minderungsziele für 2020 besser analysieren müssen. Schließlich habe die Energiewirtschaft 15 bis 17 Mio. Tonnen CO2 seit 1990 eingespart („Wir sind die Guten“), während der Wärme- und der Verkehrssektor zulegten. „Da ist nicht alles falsch, manches ist auch gut, doch insgesamt hätte ich mir mehr Mut von der Politik gewünscht“, lautete das Abschlussfazit von Kempmann.
Das Quartier ist interessant
Dieter Steinkamp, Vorstandsvorsitzender der Rheinenergie, verwies auf den neuen Fokus, den Energieversorger heute haben: Interessant ist in Zukunft das Quartier. Sei es nun bei der Entwicklung von Nahwärmesystemen, der Integration der E-Mobilität oder dem Aufbau von Plattformen für das Datenmanagement – hier gelte es, Geschäftsmodelle zu entwickeln.
Der Wirtschaftsminister von Nordrhein-Westfalen, Andreas Pinkwart, stellte die Wichtigkeit der Energiebranche für das Bundesland heraus. Nicht nur bei der Erzeugung, sondern auch bei der Forschung und der Digitalisierung des Energiesektors. Näher in den Fokus müsse aber wieder die Versorgungssicherheit genommen werden. Auch sollten jetzt die Sektoren Wärme und Verkehr bei der Energiewende eine Rolle spielen. Pinkwart schlug jetzt neue Töne bei den Themen Dezentralität und erneuerbare Energien an: „Ein breiter Mix an erneuerbaren Energien ist eine Chance für Nordrhein-Westfalen.“ Und: „Dezentrale Einheiten können Stabilität in das System bringen.“ Pinkwart sprach sich zudem für den Ausbau der Photovoltaik auf Dachflächen und Freiflächen aus. Gerade bei denkmalgeschützten Bauten bestehe hier noch großes Potenzial. Bei Freiflächenanlagen müssten die Nutzungskonkurrenzen gesehen werden, ergänzte Christina Schulze Föcking, Umweltministerin von Nordrhein-Westfalen.
Neuer Rekord
Mit 750 Ausstellern erreichte die E-World einen neuen Ausstellerrekord. Im vergangenen Jahr waren es noch 710 Unternehmen. Da 200 neue Unternehmen hinzugekommen waren, blieben faktisch 160 der Messe wieder fern. „Die Messe verändert sich in ihrer Zusammensetzung“, bemerkte Niels Ellwanger, Vorstand des Mitveranstalters Conenergy. Zum einen liege das an einer neuen Schwerpunktsetzung, zum anderen kämen auch manche Unternehmen wie kleinere Stadtwerke nicht mehr. Insgesamt werde die Messe internationaler. (al)