Deutschland

Kohleausstieg bis 2038? Scharfe Kritik an Vorschlag Pofallas

Das war zumindest der falsche Zeitpunkt für den Zeitplan: Die Kohlekommision ist weit davon entfernt, sich auf ein Datum für den Kohleausstieg festzulegen. Ein Vorstoß des Mitvorsitzenden und Merkel-Vertrauten Ronald Pofalla war offensichtlich nicht abgesprochen. Andere Mitglieder sind empört.
16.09.2018

Ronald Pofalla, Bahn-Vorstand, Merkel-Intimus und Co-Vorsitzender der sogenannten Kohlekommission

Ein Bericht über einen Zeitplan für den Kohleausstieg hat heftigen Streit ausgelöst. Dem «Spiegel» zufolge legte der Co-Vorsitzende der von der Bundesregierung eingesetzten Kohlekommission, Ronald Pofalla, ein Konzept vor, wonach zwischen 2035 und 2038 die letzten Kohlekraftwerke geschlossen werden sollen. Der Bahnvorstand und frühere CDU-Kanzleramtsminister habe einen solchen Kompromiss mit anderen Mitgliedern der Kommission erarbeitet. Dem widersprachen andere Angehörige des Gremiums.

Die Kommission «Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung» soll bis Jahresende eine Strategie zum Ausstieg aus der Kohleverstromung ausarbeiten. Derzeit belastet vor allem der Streit um die Räumung des Hambacher Forstes die Arbeit der Kommission. Umweltschützer kämpfen erbittert gegen die vom Energiekonzern RWE geplanten Rodungen und fordern einen Aufschub, bis die Kommission ihr Ergebnis vorlegt.

"In höchstem Maße irritiert"

Kritik an Pofalla, einem der vier Vorsitzenden der Kommission, kommt aus dem Gremium selbst, aber auch aus den betroffenen Ländern. Zehn Mitglieder der Kommission, darunter Arbeitgebervertreter und Gewerkschafter, schreiben in einem gemeinsamen Brief, die Berichterstattung habe sie «in höchstem Maße irritiert». Pofalla müsse auf der nächsten Sitzung des Gremiums am Dienstag erläutern, welche Gespräche er mit der Bundesregierung geführt habe «und wie angesichts der Veröffentlichungen eine vertrauensvolle Konsensfindung aus Ihrer Sicht noch möglich ist».

NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP), der auch Mitglied der Kommission ist, sagte am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur, das Gremium habe noch viel Arbeit vor sich; wichtige Grundlagen seien ungeklärt. «Umso unverständlicher ist es, dass zu so einem frühen Zeitpunkt Ausstiegsdaten genannt werden.»

Zuerst das Gesamtkonzept, dann das Ausstiegsdatum

Auch Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) lehnt derzeit eine Diskussion über konkrete Daten ab. «Wir sind überhaupt nicht bereit, über Ausstiegsdaten zu reden, solange nicht klar ist, wie das Gesamtkonzept aussieht», sagte Haseloff der dpa. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sagte der dpa, die Kohlekommission sei obsolet, wenn es solche Vorfestlegungen gebe. «Die Arbeit der Kommission hat nur einen Sinn, wenn sie an Fakten orientiert ist und ergebnisoffen.»

Auf dpa-Anfrage sagte eine Sprecherin des Bundesumweltministeriums: «Ministerin Svenja Schulze rät allen Beteiligten, die Debatte nicht über die Medien zu führen, sondern dies der Meinungsbildung innerhalb der Kommission zu überlassen.»

Keine Einigung in Sicht

Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser sagte: «Von einer Einigung in der Kommission kann keine Rede sein.» Die Verhandlungen über das Tempo des Kohleausstiegs hätten nicht einmal begonnen. «Greenpeace kennt keinen Vorschlag von Herrn Pofalla.»

Auch Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter kritisierte, «Vorfestlegungen und Geheimabsprachen» würden die Arbeit der Kohlekommission unnötig erschweren. Zudem sei der Vorschlag viel zu ambitionslos, die Pariser Klimaziele würden damit verfehlt. Grünen-Parteichefin Annalena Baerbock sagte der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft, es brauche nun dringend «vertrauensbildende Maßnahmen» in der Kommission.

RWE: "Nicht akzeptabel"

RWE bezeichnete einen Ausstieg bis 2038 als «nicht akzeptabel». Das Ende der Kohleverstromung hänge auch vom schnellen und konsequenten Ausbau der Netze und der erneuerbaren Energien ab. Die Kohlekommission müsse dafür ein schlüssiges Gesamtkonzept vorlegen.

Der Konzernbetriebsrat des Lausitzer Energieunternehmens Leag forderte Pofalla auf, die Kommission zu verlassen. Er gebe all denen Recht, «die von Anfang an die Sorge hatten, dass die Kommission nur eine Alibiveranstaltung für einen in Hinterzimmern ausgehandelten politischen Deal ist». Rund 8000 Mitarbeiter sind bei Leag beschäftigt. In der Lausitz liegt das zweitgrößte Braunkohlerevier Deutschlands - das größte ist das Rheinische Revier in NRW. (dpa/al)