Deutschland

Kohleländer können mit mehr Geld vom Bund rechnen

Strukturwandel im Mittelpunkt des Spitzentreffens. Die Kohlekommission soll am 25. Januar zur entscheidenden Sitzung zusammenkommen.
16.01.2019

Ein Demonstrant hält auf einer Kundgebung von Braunkohlegegnern ein Schild mit der Aufschrift "Schaltet endlich ab!" vor dem Kanzleramt in die Höhe.

Beim Kohleausstieg können die betroffenen Regionen und die Braunkohle-Kumpel langfristig mit einer milliardenschweren Unterstützung des Bundes rechnen. Das wurde nach einem Spitzentreffen von Ministerpräsidenten der Kohleländer mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) deutlich. Dazu könnten im Zuge des anstehenden Strukturwandels neue Jobs etwa in der Lausitz durch die Ansiedlung von Bundesbehörden geschaffen oder die Verkehrsinfrastruktur durch neue Bahnstrecken verbessert werden. Ein konkretes Maßnahmenpaket gibt es aber noch nicht.

"Es müssen Tausende von neuen Arbeitsplätzen geschaffen werden", sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) am Mittwoch. "Wir wollen, dass die Regionen am Ende der Transformation eine höhere Wirtschaftskraft haben als zuvor." Am Zug ist nun aber zunächst die von der Regierung eingesetzte Kommission "Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung", die Ende Januar ein umfassendes Konzept für den Kohleausstieg inklusive eines Enddatums verabschieden soll.

Kommission muss "Leitplanken" setzen

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) sagte in der Nacht zum Mittwoch nach dem Treffen mit Merkel und mehreren Bundesministern im Kanzleramt, Strukturhilfen beim Kohleausstieg seien notwendig über viele Jahre. Es müsse sich um "erhebliche Mittel" handeln. "Der Bundesfinanzminister hat dafür im Rahmen von Maßnahmengesetzen, die wir immer auch gefordert haben, auch klar eine langfristige Finanzzusage sicher zugesagt." Die Ministerpräsidenten hatten deutlich mehr Geld für den Strukturwandel gefordert als die bisher im Bundeshaushalt eingeplanten 1,5 Mrd. Euro bis 2021.

Es müssten aber nun zunächst von der Kohlekommission "Leitplanken" gesetzt werden, sagte Haseloff. Die entscheidende Sitzung des von der Regierung eingesetzten Gremiums sei am 25. Januar. Falls es dann nicht zu einem Ergebnis komme, solle es am 31. Januar erneut ein Treffen der Regierungschefs der Kohleländer Sachsen-Anhalt, Sachsen, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen mit Merkel und beteiligten Bundesministern wie Finanzminister Olaf Scholz (SPD) geben.

Noch Zehntausende Jobs betroffen

Die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer sagte am Mittwoch, das Spitzentreffen habe dem Informationsaustausch gedient. "Bei dem Treffen sind keine Entscheidungen gefallen." Umweltschützer hatten gefordert, konkrete Hilfszusagen zwingend an einen schnelleren Kohleausstieg zu koppeln, statt erst über das Geld und dann über den Klimaschutz zu verhandeln.

In der Lausitz, im Mitteldeutschen Revier und im Rheinischen Revier hängen noch Zehntausende Jobs direkt oder indirekt an der Kohle. Mehr als ein Drittel des Stroms in Deutschland liefern nach wie vor Braun- und Steinkohlekraftwerke. Umstritten bei den Verhandlungen der Kommission ist vor allem noch, in welchen Schritten der Ausstieg aus der klimaschädlichen Kohleverstromung erfolgen soll und bis wann.

Soforthilfe von 150 Mio. Euro zugesagt

Daneben geht es um möglichst konkrete Vorschläge zum Strukturwandel. Die ostdeutschen Ministerpräsidenten hatten bereits ein Gesetz für den Strukturwandel gefordert. In Sachsen und Brandenburg werden im Herbst die Landtage neu gewählt.

Nach einem "Spiegel"-Bericht sollen in den betroffenen Regionen bis zum Jahr 2028 rund 5000 neue Behördenstellen entstehen, unter anderen an zwei Fachschulen für den Zoll. In der Lausitz soll unter anderem auch eine neue Panzerbrigade angesiedelt werden. Die Regierung habe den betroffenen Bundesländern am Dienstagabend zudem eine Soforthilfe von 150 Mio. Euro zugesagt.

Einnahmen aus Solidaritätszuschlag verwenden

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) forderte für die betroffenen Regionen eine gesetzliche Grundlage für den schnellen Ausbau der Infrastruktur. Bislang dauerten Maßnahmen wie der Bau von Autobahnen, Fernstraßen oder ICE-Verbindungen in Deutschland viel zu lange, kritisierte er. Außerdem müssten in den vom Strukturwandel betroffenen Regionen Standortvorteile geschaffen werden, um neue Arbeitsplätze zu bekommen. Dafür müsse die EU ins Boot geholt werden, um zu einem einheitlichen Beihilferecht zu kommen. So könnten Unternehmen bei Forschung und Entwicklung sowie bei Investitionen in diese Regionen unterstützt werden.

Haseloff verlangte, die verbleibenden Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag für den Kohleausstieg zu verwenden. Union und SPD wollen den Soli schrittweise abschaffen. "Was den verbleibenden Rest des Solis betrifft, so wäre die Finanzierung des industriepolitischen Megaprojekts Kohleausstieg und der Energiewende eine einleuchtende und sinnvolle Verwendung dafür", sagte Haseloff der "Wirtschaftswoche".

NRW: Projekte für bisherige Kraftwerksstandorte

Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) wertet das Spitzentreffen als ein "positives Signal für Nordrhein-Westfalen". Der CDU-Politiker sagte dem "Kölner Stadt-Anzeiger", das bevölkerungsreichste Bundesland sei dafür gerüstet, die zu erwartenden Bundesmittel für konkrete Projekte einzusetzen. "Nur mit langfristigen finanziellen Hilfen können wir eine breite gesellschaftliche Akzeptanz für die einschneidenden Maßnahmen gewinnen", betonte er.

NRW wolle dabei Strukturwandel und Energiewende verbinden. So soll an einem der bisherigen Kraftwerksstandorte ein hochmodernes Flüssigsalz-Wärmespeicherkraftwerk entstehen, das bis zu ein Gigawatt Wärme speichern kann, kündigte der Ministerpräsident an. Dabei würden nicht nur neue Jobs für Hochqualifizierte geschaffen. Dort könnten zum Beispiel auch Arbeiter beschäftigt werden, die heute noch bei RWE tätig seien.

RWE-Beschäftigte in Handwerksberufe vermitteln

Außerdem entwickle das Land derzeit mit den Handwerkskammern ein Konzept, das dabei helfen soll, RWE-Beschäftigte in Handwerksberufe zu vermitteln. Ziel müsse es sein, Frühverrentungen so weit wie möglich zu vermeiden und den Beschäftigten eine Job-Perspektive zu vermitteln. "Darüber hinaus sind wir mit dem Bund weiterhin auch über die Ansiedlung von Behörden im Gespräch", sagte Laschet.

Grüne und Linke forderten konkrete Vereinbarungen für den Klimaschutz. Strukturhilfen könne es nur geben, wenn auch die Stilllegung von Kraftwerken vereinbart werde, sagte Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer. Der klimapolitische Sprecher der Linke-Fraktion, Lorenz Gösta Beutin, verlangte "ein verlässliches Strukturwandelgesetz und Kohleausstiegsgesetz". Das geplante Klimaschutzgesetz reiche nicht für breite Akzeptanz der Energiewende. (dpa/hil)

Die Meldung wurde um 18.20 Uhr erneut aktualisiert.