Deutschland

Streit um Hambacher Forst spaltet Kohlekommission

RWE hat nun bekräftigt, im Oktober mit der Rodung des Hambacher Forstes zu beginnen. Die Mitglieder der Kohlekommission sehen diesen Schritt unterschiedlich, entsprechend ist mit einem Anstieg der Spannungen innerhalb der Kommission zu rechnen. Rund 3500 Polizisten sind vor Ort – für 50 bis 60 Aktivisten.
14.09.2018

Donnerstag, 13. September, Hambacher Forst: Die Polizei weist die Aktivisten per Lautsprecher an, die Baumhäuser zu verlassen.

Der Streit um das Braunkohlerevier Hambacher Forst entzweit die von der Bundesregierung eingesetzte sogenannte Kohlekommission. «Der Tagebau Hambach ist genehmigt und bisher in allen Instanzen bei gerichtlichen Überprüfungen bestätigt worden», sagte Kommissionsmitglied Eric Schweitzer, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), dem «Handelsblatt» (Freitag, 14. September). «Deshalb ist es in einem Rechtsstaat nur konsequent, dass RWE dann auch den Tagebau weiterführen kann.»

Die Polizei hat am Donnerstag im Hambacher Forst mit der umstrittenen Räumung der Baumhäuser von Umweltschützern und Braunkohlegegnern begonnen. Der Einsatz soll an diesem Freitag fortgesetzt werden. Der Energiekonzern RWE will im Herbst weite Teile des Waldes abholzen, um weiter Braunkohle baggern zu können. Die Baumhäuser der Besetzer gelten als Symbol des Widerstands gegen die Braunkohle.

Vassiliadis kritisiert Proteste

Michael Vassiliadis, Chef der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie und Mitglied der Kohlekommission, kritisierte die Proteste gegen die geplante Rodung: «Der Hambacher Forst steht schon länger nicht mehr nur für friedlichen Protest und eine offene Streitkultur.»

Dagegen sagte Kommissionsmitglied Martin Kaiser, der zugleich Geschäftsführer von Greenpeace ist, die «unverantwortliche Räumung unter vorgeschobenen Gründen» belaste «die bislang vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit in der Kohlekommission massiv». Auch der Umweltdachverband Deutscher Naturschutzring (DNR) und der Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber, beide ebenfalls in der Kohlekommission vertreten, bewerteten die Räumung als kontraproduktiv.

RWE will im Oktober roden

Der Energiekonzern RWE hat nun sein Vorhaben bekräftigt, im Oktober die umstrittene Abholzung des Hambacher Forsts fortzusetzen. «Der Tagebau steht quasi direkt vor dem Wald und dementsprechend müssen wir auch roden», sagte RWE-Vorstandsmitglied Lars Kulik am Freitag dem Hörfunksender WDR 2. Es gebe keinen Zeitpuffer mehr, da bereits im vergangenen Jahr nicht gerodet worden sei. Aus Sicht des Konzerns ist die Abholzung unvermeidbar, um die Stromproduktion zu sichern.

RWE will für den Braunkohleabbau mehr als 100 der verbliebenen 200 Hektar Wald abholzen, darf damit aber frühestens mit Beginn der Rodungssaison ab 1. Oktober beginnen. Gegen die Abholzung der Bäume im Hambacher Forst gibt es seit langem heftige Proteste von Besetzern vor Ort. Die Polizei hatte am Donnerstag mit der Räumung der Baumhäuser von Umweltschützern und Braunkohlegegnern begonnen.

Warum riskiert die Landesregierung ein Auseinanderbrechen der Kohlekommission?

Harte Kritik an dem Einsatz übte Lorenz Gösta Beutin, Klima- und energiepolitischer Sprecher der Partei "Die Linke": „Der vielleicht größte Polizeieinsatz in der Geschichte des Landes Nordrhein-Westfalen zur Räumung des Hambacher Forstes muss restlos aufgeklärt werden." Schließlich stehen laut Beutin rund 3500 Polizisten mit schweren Panzer- und Räumfahrzeuge etwa 50 bis 60 Aktivisten gegenüber. Es müsse geklärt werden, warum die schwarz-gelbe Landesregierung den Konflikt um den Erhalt des Waldes mit ihrer Räumungsweisung an die Tagebau-Kommunen anlasslos eskalieren lasse und damit ein Auseinanderbrechen der Kohlekommission in Berlin provoziere.

„Der vorgeschobene Grund der ‚Gefahr für Leib und Leben‘ für die Waldbewohner ist durchschaubar wie Plexiglas und für alle Beteiligte ein Hohn. Es kommt der dringende Verdacht auf, dass Düsseldorf kein Interesse daran hat, dass in der von der Bundesregierung eingesetzten Kohlekommission ein Kohleausstiegsdatum ausgehandelt wird. Damit würde sich Schwarz-Gelb unter Ministerpräsident Armin Laschet zum fragwürdigen Erfüllungsgehilfen des Energiekonzerns RWE machen."

Härte bei Waldschützern, Wegschauen bei Rechtsradikalen

Und abschließend: "Vielen Menschen vor Ort und im Rest der Republik ist unbegreiflich, warum der Staat gegen Waldschützer hart durchzieht, aber bei tatsächlichen Gefährdungen des Rechtsstaates und friedlichen Zusammenlebens wie zuletzt in Chemnitz wegschaut.“

Die Kohlekommission soll bis Ende des Jahres eine Strategie zum Ausstieg aus der Kohleverstromung ausarbeiten und Vorschläge für die Finanzierung und Gestaltung des Strukturwandels in Tagebau-Regionen wie dem Rheinischen Revier vorlegen. (dpa/al)