Deutschland

Summer in the City: Hitzekampf im Städtebau

Heiße Sommer sind in Großstädten manchmal unerträglich. Gerade zwischen Beton und Asphalt staut sich die Hitze. Städtebauer greifen jetzt in die Trickkiste. Ihre Empfehlung: Bringt Farben in die Stadt.
27.06.2019

Mehr Grün und Wasser in den Städten kann gegen die Hitze helfen.

Ungewöhnlich weiße Bahnschienen sorgen für Verwirrung bei Reisenden. Im Netz kursieren wilde Gerüchte: ein Rostschutz? Gegen Unkraut? Kalk? Alles falsch. Das Weiß der Schienen ist eine Art Hitzeschutz. Es soll die Schienentemperatur reduzieren. In Italien gibt es sie schon länger, seit kurzem auch in der Schweiz. Nun hat auch Würzburg Straßenbahnschienen weiß angestrichen, an einem Hang über gut einen Kilometer Länge.

"An sehr heißen Tagen haben wir hier zuvor an den Schienen 60 Grad Celsius gemessen", sagt Jürgen Dornberger, Sprecher der Würzburger Verkehrs-GmbH. Durch die Hitze dehnten sich die Schienen aus; der Druck verschiebe die Gleise. Mit der Farbe lasse sich die Temperatur um acht Grad reduzieren. Dabei sei es keine Spezialfarbe; nur der Farbton als solcher wirke. Diese Woche müssen sich die Schienen unter besonders hohen Temperaturen bewähren.

In Städten bis zu zehn Grad wärme als im Umland

Ähnlich soll heller Asphalt wirken. Los Angeles hat 2017 begonnen, einige Straßen in hellem Grau zu gestalten. Das Projekt "Cool Pavement " (kühler Straßenbelag) soll laut Straßenamt hitzebezogene Todesfälle und den Energieverbrauch von Klimaanlagen reduzieren.

Kalifornien ist schon lange eine besonders warme Gegend. Doch auch Bayerns Städte sind zunehmend im Hitzestress. In Städten ballt sich die Wärme, Straßen und Gebäude speichern die Sonnenenergie meist besonders stark. Zudem produzieren Menschen und Fahrzeuge zusätzliche Wärme. Und Regen kann schlecht versickern, verdunsten und die Luft abkühlen. Laut Forschern sorgt hauptsächlich die mangelnde Verdunstung für sogenannte Wärmeinseln. In Städten ist es bis zu zehn Grad wärmer als im Umland, so der Deutsche Wetterdienst (DWD).

Mehr Bäume – doch Konfliktpotential Parkplätze

Durch die Klimaveränderungen wird das Problem kontinuierlich größer. Das Umweltbundesamt prognostiziert zunehmende Hitzeperioden. Sie könnten künftig länger und intensiver ausfallen. Gerade für ältere und kranke Menschen sowie für Kleinkinder ist die Hitze gesundheitlich kritisch.

Das unterfränkische Kitzingen kennt die Situation gut. Der Ort war in den vergangenen Jahren die heißeste Stadt Deutschlands. Im August 2015 überstieg das Thermometer gar die 40-Grad-Marke. Gegenmaßnahmen sind aber erst in Planung. "Wir haben momentan nichts, das andere Städte nicht auch hätten", sagt eine Stadtsprecherin. Die Stadt wolle mehr Bäume pflanzen. Nur gehe das zu Lasten von Parkplätzen - und das sorge für Konflikte.

Flächen entsiegeln – innovative Kühlsysteme

Dabei gäbe es Alternativen. Das Umweltbundesamt empfiehlt etwa, Flächen zu entsiegeln und ähnlich wie beim hellen Asphalt die Rückstrahlung zu erhöhen. Der Landesentwicklungsplan Bayern sieht vor, für Frischluft wichtige Freiflächen nicht zu bebauen. Über das Portal Inkas des Deutschen Wetterdienstes können Kommunen herausfinden, was bei ihnen am wirkungsvollsten ist.

Einige Stadtplaner werden wie die Würzburger Verkehrs-GmbH erfinderisch. Sie holen nicht nur Anstreicher mit ins Boot, sondern auch Ingenieure und Landschaftsgärtner. Das Bayerische Zentrum für Angewandte Energieforschung (ZAE) entwickelt innovative Kühlsysteme für Gebäude - etwa indem erwärmtes Kühlwasser nachts auf dem Dach erneut abgekühlt wird.

Fassadenbegrünungen – allerdings bei Neubauten einfacher

Am Institut für Stadtgrün und Landschaftsbau der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) erforschen Mitarbeiter Klimafassaden und -dächer. Projektleiter Jürgen Eppel bezeichnet sich selbst als "großen Fan von beidem". Aber die Kommunen zeigten "erschreckend wenig Interesse". Sie erkundigten sich zunehmend, aber nur wenige setzten auch etwas um.

Tatsächlich gibt es für die Fassadenbegrünung ein Hindernis: "Sie funktioniert nur bei Neubauten wirtschaftlich gut", sagt Eppel. Denn die Begrünung müsse mit dem Gebäude zusammenpassen, mit Materialien, Statik, Wasseranschlüssen. Gründächer seien einfacher, aber in den 70er Jahren in Verruf gekommen, weil sie damals oft handwerklich schlecht ausgeführt worden seien, sagt Eppel. Dass Kommunen wenig Interesse zeigen, liegt seines Erachtens aber vor allem an mangelndem Wissen über die Chancen und Grenzen der Begrünungen.

Den richtigen Baum für den richtigen Ort finden

Den kühlenden Effekt von Bäumen erforscht das Zentrum für Stadtnatur und Klimaanpassung der Technischen Universität München. Den richtigen Baum für den richtigen Ort zu finden, ist offenbar nicht einfach. Projektmitarbeiter Mohammad A. Rahman erläutert: "Bäume sorgen für Abkühlung, weil sie Schatten spenden und Wasser von ihnen verdunstet". Alleine durch die Verdunstung sei es unter Bäumen drei bis vier Grad kühler.

Doch in trockenen Gegenden wie in Unterfranken sollte man eher auf schattige Bäume setzen, sagt Rahman. Auch in Parks seien durstige Bäume wie Linden nicht gut, da sie dem Gras Wasser rauben könnten. Besser wären Robinien. In Straßen sei es hingegen wichtig, dass die Bäume entgegen der üblichen Windrichtung stehen, um Luftzirkulation zu ermöglichen.

Auch mehr Wasserflächen schaffen

Auch wenn die Umsetzung vieler Kühl-Ideen noch nicht einfach ist - Baumforscher Rahman und Landschaftsgärtner Eppel sind sich einig: Städte brauchten mehr Grün und Blau. Nicht nur Pflanzen, sondern auch Wasserflächen. Denn ohne Wasser kann es kein Grün geben. Kombiniert mit den Straßenbahnschienen heißt es also: Mehr Grün, Blau und Weiß in die Städte. (dpa/hcn)