Deutschland

"Daseinsvorsorge ist auch Zusammenhalt in Ausnahmesituationen"

Drei Fragen an den VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing zur aktuellen Hochwasserkatastrophe, wie kommunale Unternehmen die Situation bewerkstelligen und was sich in Zukunft ändern muss.
20.07.2021

"Wir sind überwältigt, in welchem Maß sich die kommunale Familie spartenübergreifend gegenseitig unterstützt und welche Hilfsangebote vor Ort aktiviert wurden", sagt VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing.

Herr Liebing, die Hochwasserkatastrophe hat uns alle geschockt…

Ja. Das, was wir in den letzten Tagen in Deutschland erlebt haben, hat die schlimmsten Vorstellungen übertroffen und alle Dimensionen gesprengt. Keiner hat sich das vorstellen können. Es ist leider Realität. Unsere Gedanken und Mitgefühl sind bei allen, die betroffen sind, und bei den unermüdlichen Helfern, die mit höchstem Einsatz vor Ort sind und dabei sehr viel riskieren.

Aktuell steht nach wie vor noch das Retten und Bergen im Vordergrund. In vielen Teilen der betroffenen Regionen hat das Aufräumen begonnen. Was wir hier sehen zeigt ein beispielloses Maß an Solidarität. Vor Ort hält man zusammen: Man kennt sich, man hilft sich. Was wir aber jetzt schon absehen können: Es wird eher Monate als Wochen dauern, bis alles wieder geordnet läuft.

Wir sind überwältigt, in welchem Maß sich die kommunale Familie spartenübergreifend gegenseitig unterstützt und welche Hilfsangebote vor Ort aktiviert wurden. Dafür sage ich Danke! Das ist wirklich bewegend. Daseinsvorsorge ist eben auch Zusammenhalt in Ausnahmesituationen.

Was gilt es jetzt für kommunale Unternehmen konkret zu tun?

Erste Priorität der Versorger vor Ort ist zunächst, die Grundversorgung wiederherzustellen. Aber auch die kommunalen Abfallbetriebe haben nun eine zentrale Rolle.

Hier haben wir umgehend die interkommunale Solidarität bekräftigt und Unterstützung zugesichert, wo es nur geht. Derzeit lässt sich noch nicht absehen, wie hoch die Abfallmengen sind. Wir gehen von einem enormen Mehranfall aus. Das haben uns die Erfahrungen vergangener Hochwasser gezeigt. Es geht aktuell beispielsweise um Kapazitäten für die thermische Entsorgung in Abfallbehandlungsanlagen. Hier müssen kurzfristig viel mehr Abfallmengen untergebracht werden. Es zahlt sich dabei aus, dass wir eine gutes kommunales Netz an Anlagen gerade auch für die thermische Abfallbehandlung haben.
 
Teilweise müssen auch bestimmte Abfallsorten wie Gewerbemüll in der Priorisierung zurückstehen. Und es wird einen Bedarf an Zwischenlagerflächen geben und eines pragmatischen Lösungsansatzes bedürfen. Über unsere Landesgruppen vor Ort adressieren wir diese Themen an die entsprechenden politischen Entscheidungsebenen.
 
Was lehrt uns das für die Zukunft?

Für eine Analyse und Bewertung ist es viel zu früh. Noch stehen wir tief bewegt unter den Eindrücken der letzten Tage. Die aktuellen Entwicklungen zeigen, wie wichtig es ist, dass wir uns zukünftig besser auf Extremwetter-Ereignisse in Folge des Klimawandels einstellen und wappnen müssen.  

Klimaschutz und Klimaanpassung müssen zusammengedacht und endlich gemeinsam angegangen werden. Es ist deshalb gut, dass das nationale Zentrum KlimaAnpassung vor kurzem seine Arbeit aufgenommen hat, um Kommunen und kommunale Unternehmen bei Anpassungsmaßnahmen zu beraten und zu unterstützen. Auch die aktuellen Klimaanpassungsprogramme sind ein richtiger Schritt, reichen aber langfristig für die anstehenden Herausforderungen nicht aus. Genau hier müssen wir ansetzen. (sg)