Deutschland

Bayerische Staatsregierung will 10H aufweichen - CSU stimmt Konzept zu

Bayern geht als einziges Bundesland einen Sonderweg beim Windkraftausbau und hat die härtesten Abstandsregeln. Zumindest noch, denn nach langem Ringen werden aus 10H nun 1000 Meter.
27.04.2022

Bayern sieht sich selbst als Sonnenland, an der Windkraft kommt der Freistaat dennoch nicht vorbei. Zur Not will der Bundeswirtschaftsminister die 10-H-Regel abschaffen.

Nach langem CSU-internem Widerstand und unter hohem politischem Druck will die bayerische Staatsregierung die umstrittene 10H-Mindestabstandregel für Windkraftanlagen aufweichen. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) warb in einer CSU-Fraktionssitzung am Mittwoch für gezielte Lockerungen. «Wir müssen was tun», sagte er nach Teilnehmerangaben. Am Mittwoch stimmte auch die bis zuletzt skeptische CSU-Landtagsfraktion gezielten Lockerungen zu – nach stundenlangen Diskussionen und bei fünf Gegenstimmen.

Die 10H-Regel definiert den Mindestabstand einer Windkraftanlage zur nächsten Wohnbebauung: Dieser muss der zehnfachen Höhe des Rades entsprechen. Seit Einführung der umstrittenen Regelung ist der Ausbau der Windkraft in Bayern praktisch zum Erliegen gekommen. Die in den vergangenen zehn Jahren errichteten Windräder sind oft deutlich höher als 100 Meter. Nun wollen auch Söder und die CSU die strikte Regelung aufweichen - aber nicht aufgeben. Unklar ist allerdings, ob Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) das bayerische Konzept am Ende ausreichen wird - oder ob 10H letztlich über eine bundesweite Regelung ausgehebelt wird.

1000 Meter als neue Lösung

Laut dem Kompromiss soll auf bestimmten Flächen – etwa in Wäldern, entlang von Autobahnen, vierspurigen Bundesstraßen oder Haupteisenbahnstrecken sowie in ausgewiesenen Vorranggebieten - für die Windkraft ein reduzierter Mindestabstand von 1000 Metern gelten. Ebenso beim Ersatz bestehender Windenergieanlagen, auf Truppenübungsplätzen und bei Windkraftanlagen als «industriellen Nebenanlagen».

Damit könnten bis zu 800 neue Anlagen gebaut werden, sagte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nach der Fraktionssitzung. Man ermögliche damit Windkraft auf knapp zwei Prozent der Landesfläche.

Warnung an Berlin

Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) wiederum sagte: «Ich gehe davon aus, dass der Bund den Vorschlag Bayerns akzeptieren wird." Er warnte Berlin davor, die aktuelle positive Grundstimmung für erneuerbare Energien nun nicht zu gefährden - «wenn der Bund jetzt sieht, dass wir uns ernsthaft bewegen, dass wir wirklich der Windkraft Potenzial ermöglichen».

Die Landtags-Grünen sprachen dagegen von einem bloßen «Herumdoktern» an der 10H-Regel. Die bislang geplanten Änderungen seien zum Scheitern verurteilt, sagte der Grünen-Energieexperte Martin Stümpfig. «Die jetzt geplanten Lockerungen bei 10H machen aus der Windkraft-Verhinderungsregel keinen Windkraft-Ausbau-Turbo. Das bräuchten wir aber.» Ohne eine verbindliche Ausweisung von zwei Prozent der Landesfläche für die Windkraft werde es nicht funktionieren.

170 Anlagen pro Jahr

«Da werden dann in den nächsten Jahren einige Anlagen entlang der Autobahn gebaut, einige in die bestehenden Vorranggebiete, einige in den Wäldern - das ist aber zu wenig und wir verlieren wieder wertvolle Jahre», sagte Stümpfig. «Wir brauchen aber so schnell wie möglich einen Zubau von 170 Anlagen pro Jahr - und das über zehn Jahre.» Aber dafür müsse die 10H-Regel abgeschafft werden. SPD-Fraktionschef Florian von Brunn sagte ebenfalls: «Die CSU muss 10H jetzt ohne Wenn und Aber beerdigen und den Weg für einen starken Windkraft-Ausbau freimachen. Ein bisschen mehr Wind reicht nicht.» (dpa/lm)