Deutschland

Koalition entlastet Bürger weiter und setzt neue Anreize für mehr Energieffizienz

Die Beschlüsse sehen auch neue Vorgaben zu Fern- und Abwärme, Kommunaler Wärmeplanung und für neu eingebaute Heizungen vor. Auch eine Wärmepumpen-Offensive wird es geben.
24.03.2022

Die Spitzen von SPD, FDP und Grünen haben am Donnerstagmorgen ein neues Entlastungspaket für Haushalte und Wirtschaft beschlossen.

Mit umfangreichen Entlastungen für die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland reagiert die Ampel-Koalition auf die stark gestiegenen Energie- und Spritpreise. Geplant sind eine Energiepreispauschale, eine Absenkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe für drei Monate sowie Hilfen für Familien und Geringverdiener. Das teilten die Spitzen von SPD, Grünen und FDP am Donnerstag in Berlin mit.

Vorgesehen sind auch billige Tickets für Busse und Bahnen im öffentlichen Personennahverkehr - sowie Maßnahmen für mehr Energieeffizienz, heißt es in dem Beschluss, der der ZfK im Original vorliegt. Die Spitzen von SPD, FDP und Grünen hatten sich am Donnerstagmorgen auf das Paket geeinigt. Die Gespräche hatten am Vorabend um 21 Uhr begonnen.

Energiepreispauschale und befristete Absenkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe

Die «Mitte» der Gesellschaft solle schnell, unbürokratisch und sozial gerecht entlastet werden, hieß es in einem Beschlusspapier. Daher solle eine Energiepreispauschale eingeführt werden: Allen einkommensteuerpflichtigen Erwerbstätigen werde einmalig eine Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro als Zuschuss zum Gehalt ausgezahlt.

Befristet für drei Monate soll die Energiesteuer auf Kraftstoffe auf das europäische Mindestmaß abgesenkt werden, um Pendler und Firmen zu entlasten.

Entlastungen im ÖPNV und Einmalbonus beim Kindergeld

Die Koalition will zudem bundesweit für 90 Tage ein Ticket für 9 Euro pro Monat für den öffentlichen Personennahverkehr einführen. Dazu sollen die Länder entsprechende Mittel bekommen.

Zur Abfederung besonderer Härten für Familien soll schnellstmöglich für jedes Kind ergänzend zum Kindergeld ein Einmalbonus in Höhe von 100 Euro über die Familienkassen ausgezahlt werden. Der Bonus wird auf den Kinderfreibetrag angerechnet.

Erhöhung der Einmalzahlung für Empfänger von Sozialhilfe

Die bereits beschlossene Einmalzahlung von 100 Euro für Empfängerinnen und Empfänger von Sozialleistungen soll um 100 Euro pro Person erhöht werden. Weiter hieß es, bei den jetzigen Energiepreisen sei davon auszugehen, dass zum 1. Januar 2023 die Regelbedarfe die hohen Preissteigerungen abbilden und damit angemessen erhöht werden.

Um in Zukunft einen einfachen und unbürokratischen Weg für Direktzahlungen an die Bürgerinnen und Bürger zu ermöglichen, werde die Bundesregierung möglichst noch in diesem Jahr einen Auszahlungsweg über die Steuer-ID für ein Klimageld entwickeln.

Ab 2024 soll jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit Erneuerbaren betrieben werden

Die Koalition verständigte sich außerdem auf Maßnahmen für mehr Energieeffizienz. Das soll auch dazu beitragen, wegen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine die Abhängigkeit von Gas, Öl und Kohle aus Russland zu verringern.  Auch die Produktion heimischer Grün-Gase soll weiter gesteigert und die Rückverstromung weiter flexibilisiert werden. Dabei sollte Biomasse für Methanisierung und Einspeisung ins Gasnetz genutzt werden, heißt es.

Ab dem Jahr 2024 soll jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden - im Koalitionsvertrag war das bisher zum 1. Januar 2025 vorgesehen. Es soll zudem der Rahmen dafür geschaffen werden, dass Eigentümerinnen und Eigentümer von Immobilien ihre über 20 Jahre alten Heizungsanlagen austauschen können.

Anteil klimaneutraler Wärme bei der Fernwärme soll bis 2030 bei 50 Prozent liegen

Außerdem soll eine große Wärmepumpen-Offensive mit staatlicher Förderung gestartet werden. Grünen-Chefin Ricarda Lang sprach von einem Ausstieg aus der Gasheizung. Ab 2023 soll im Wohnungsbau zudem der Effizienzstandard EH55 gelten.

Außerdem soll eine flächendeckende kommunale Wärmeplanung eingeführt und als zentrales Koordinierungsinstrument für lokale, effiziente Abwärmenutzung verankert werden. Weiterhin soll bei der Fernwärme bis 2030 ein Anteil von mindestens 50 Prozent klimaneutraler Wärme erreicht werden. Die Regierung will dafür sorgen, dass Abwärme schnell und unkompliziert in die Fernwärme integriert werden kann.

Mehr Rechte fürs Kartellamt bei Preissprüngen

Nach der Preisexplosion beim Sprit nimmt das Bundeskartellamt die Preise an Tankstellen näher unter die Lupe. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte von «Kriegsgewinnen» und einer problematischen Machtposition der großen Tankstellenketten gesprochen.

Nun will die Regierung alle Möglichkeiten prüfen, durch kartell- und wettbewerbsrechtliche Maßnahmen sicherzustellen, dass die Märkte funktionieren und sinkende Rohstoffpreise auch rascher als bislang an die Endverbraucher weitergegeben werden. Das Kartellamt soll in einem ersten Schritt Zugang zu mehr Daten bekommen.

VKU hält weiteren Entlastungsbedarf für wahrscheinlich

VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing sprach von einem insgesamt ausgewogenen Paket. Allerdings werde man abwarten müssen, ob noch weitere Schritte notwendig werden, beispielsweise eine Absenkung der Strom- und Energiebesteuerung.

Als erfreulich wertete er, dass die Koalition ihr Bekenntnis zur kommunalen Wärmeplanung als dem zentralen Instrument für die erfolgreiche Umsetzung der Wärmewende vor Ort bestärke. Der VKU begrüßte zudem, dass Abwärme möglichst unkompliziert in Wärmenetze integriert werden soll.

Dafür sei es notwendig, dass Abwärme aus Industrie, Kläranlagen oder thermischen Abfallbehandlungsanlagen gleichermaßen anerkannt und genutzt werden könnten. Der Verband warnt aber vor abrupten Schritten im Heizungs- und Fernwärmemarkt. Hier brauche es praktikable Rahmenbedingungen und eine viel stärkere Förderung des Fernwärmeausbaus von etwa 1,5 bis 2 Milliarden Euro pro Jahr.

BEE begrüßt Vorgaben zur Fernwärme

Der Bundesverband Erneuerbare Energie begrüßte unter anderem die neuen Vorgaben zum Thema Fernwärme und deren geplante Umstellung auf 50 Prozent erneuerbare Energien bis 2030.  "Der energieintensivste Bereich ist der Wärmesektor, bei dem die Effizienz erheblich zu steigern und die Abhängigkeit von Energieimporten zeitnah zu beenden ist“, so BEE-Präsidentin Simone Peter.

Deneff: "Habeck muss bei Energieeffizienz nachliefern"

Als unzureichend bezeichnete hingegen die Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz das Entlastungspaket. "Habeck muss bei Energieeffizienz nachliefern", so die Überschrift der Deneff-Pressemitteilung.

Wichtige Maßnahmen aus einem vorher bekannt gewordenen Entwurf des Koalitionsausschusses seien dem Rotstift zum Opfer gefallen, unter anderem ein Vorschlag für ein Energieeffizienzgesetz. Einige enthaltene Maßnahmen seien laut Deneff aber absolut richtig und wichtig.

Dazu gehörten eine große Energiesparkampagne, eine Zusage zur auskömmlichen Förderung für Gebäudeeffizienz und die hohe Priorität, die der Modernisierung der energetisch schlechtesten Gebäude zuteil wird. 

Bisherige Entlastungsmaßnahmen der Regierung Scholz

Die Koalition hatte sich im Februar vor Ausbruch des Ukraine-Krieges auf ein erstes Entlastungspaket geeinigt. Dieses sah unter anderem vor, die milliardenschwere EEG-Umlage über die Stromrechnung ab Juli abzuschaffen. Zuvor war dies für Anfang 2023 geplant. Außerdem ging es bei dem Paket um eine Erhöhung der Pendlerpauschale für Fernpendler. (dpa/hoe)