Recht & Regulierung

Füllhorn für Atomstrom, Vages zur Abschaltung

Minister Altmaier hat von Frankreich nur unverbindliche Zusagen bekommen, das AKW Fessenheim zu schließen. Derweil hält das EU-Gericht die Subventionsschleusen für die Kernkraft geöffnet. Der Druck wächst, den Euratom-Vertrag neu auszuhandeln. Zumindest in Österreich.
12.07.2018

Der französische Atommeiler in Fessenheim am Rhein liegt nahe der deutschen Grenze.

Die Atomindustrie in der EU darf bis auf Weiteres auf Milliarden-Subventionen bauen. Das Gericht der Europäischen Union (EuG) wies am Donnerstag eine Klage Österreichs und Luxemburgs gegen staatliche Finanzhilfen für das britische Atomkraftwerk Hinkley Point C ab.

Eine Förderung der Kernenergie auch mittels Anreizen decke sich mit dem vertraglichen Ziel der Euratom von 1957, Investitionen im Bereich der Kernenergie zu erleichtern, so das Gericht. Außerdem habe jedes Land in der EU das Recht, zwischen verschiedenen Energiequellen zu wählen. Das Urteil stößt auf Empörung bei Grünen und Umweltschützern.

108 Milliarden Euro für ein AKW

Hinkley Point C ist der erste AKW-Neubau in Großbritannien seit Jahrzehnten. Das Atomkraftwerk soll 2023 ans Netz gehen, also nach dem Brexit und dem deutschen Atomausstieg, nach dem dann innerhalb der EU nur noch zwölf der dann 27 Mitgliedsstaaten AKW haben. Aus Sicht Österreichs, das mit Zwentendorf bei Wien ein einziges Atomkraftwerk bauen, dann aber per Volksentscheid stoppen ließ, ist die Kernkraft nicht förderungswürdig und wettbewerbsverzerrend. So hieß es 2015 in der Begründung der Klage.

Großbritannien hatte den AKW-Betreibern einen hohen garantierten Einspeisetarif für 35 Jahre zugesagt. Nach Berechnungen von Greenpeace lässt sich die britische Regierung den Reaktor in dieser Zeit rund 108 Milliarden Euro an Subventionen kosten. Die EU-Kommission hatte die britischen Beihilfen 2014 genehmigt. Österreich hatte eine ähnliche Klage gegen den subventionierten Ausbau des ungarischen Atomkraftwerks Paks durch Rosatom eingebracht.

"Erneuerbare geraten ins Hintertreffen"

«Ein schwarzer Tag für die Energiewende in Europa», sagte die atompolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Sylvia Kotting-Uhl, zu dem Urteil. Atomwillige Länder könnten sich nun auf wohlwollende Entscheidungen für horrende und völlig absurde AKW-Beihilfen verlassen. «Die heute schon tatsächlich viel günstigeren Erneuerbaren Energien geraten durch dieses Urteil ins Hintertreffen», warnte die Politikerin.

Euratom-Reform steht in beiden Koalitionsverträgen

Greenpeace Österreich rief die dortige rechtskonservative Bundesregierung dazu auf, Berufung einlegen. Dies ist innerhalb von zwei Monaten vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) möglich. Die österreichische "IG Windkraft" verwies zusätzlich darauf, dass sowohl der deutsche als auch der österreichische Koalitionsvertrag von einer aktiven Änderung des Euratom-Vertrages spricht. Diese Selbstverpflichtung müsse Österreich, das im Juli für ein halbes Jahr die EU-Ratspräsidentschaft angetreten hatte, jetzt umsetzen. Wien will aber das schriftliche Urteil abwarten, bevor es über weitere Schritte befindet.

Fessenheim "so schnell wie möglich" vom Netz

Derweil hat Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier bei seinem Kollegen Nicolas Hulot in Paris nur weitere unverbindliche Äußerungen zum Abschalttermin für Fessenheim erreicht. In der gemeinsamen Erklärung heißt es unter anderem, das AKW werde "so schnell wie möglich" geschlossen. Der Betreiber EDF hatte stets die Inbetriebnahme des Reaktors in Flamanville zur Bedingung gemacht. Diese verzögert sich erneut wegen technischer Mängel um mehrere Monate.

Deutschland und Frankreich vereinbarten in Paris unter anderem

  • gemeinsame Pilotprojekte bei Offshore-Windkraft im Rahmen der bereits bestehenden Nordsee-Energiezusammenarbeit und gemeinsame Methoden bei der Umweltverträglichkeitsprüfung,
  • ein Lastenheft zur Umsetzung eines Piloten für grenzüberschreitende Erneuerbaren-Ausschreibungen,
  • eine "zügige Umsetzung" der ”Smart Border Initiative“, einem Forschungsprojekt zur grenzüberschreitenden Integration der Erneuerbaren auf Verteilnetzebene sowie
  • die Erhöhung der direkten deutsch-französischen Strom-Kuppelkapazität und der dahinterliegenden Übertragungsnetze "sobald und soweit machbar". (dpa/geo)