Recht & Regulierung

Grund- und Ersatzversorgung müssen nicht mehr gleich bepreist werden

Der Bundestag beschließt die EnWG-Novelle. Diese sieht einen besseren Schutz für Verbraucher und Grundversorger vor Spontankündigungen durch andere Energielieferanten vor.
26.06.2022

"Schwarzen Schafen werden neue Grenzen gesetzt und die Aufsicht der Bundesnetzagentur gestärkt. Das schützt insbesondere die einkommensschwächeren Kunden der Grundversorgung", sagt VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing.

Gute Nachricht für die Stadtwerkebranche: Energielieferanten werden künftig verpflichtet, eine beabsichtigte Beendung der Belieferung von Haushaltskunden spätestens drei Monate vorher bei der Bundesnetzagentur anzuzeigen und ihren Kunden mitzuteilen.

So können die Kunden sowie die Grundversorger besser auf beabsichtigte Marktaustritte reagieren. Zudem wird das Prinzip der Gleichpreisigkeit der Grund- und Ersatzversorgung von Haushaltskunden aufgegeben. Möglich wird dies durch die Änderung des Energiewirtschaftsrechts, das der Bundestag am Freitag nach 2./3. Beratung verabschiedet hat. Es handelt sich um erste wichtige Festlegungen des  so genannten "Osterpakets" der Regierung.

Grundversorger können damit künftig die Ersatzversorgung entsprechend der Beschaffungskosten an den Spotmärkten bepreisen - ohne die Bestandskunden zu belasten. Damit sind künftig gespaltene Bestands- und Neukundenpreise überflüssig und die Grundversorger können mit der vom Bundestag vorgesehenen Übergangsregelung wieder zu einheitlichen Grundversorgungspreisen zurückkehren - unabhängig vom Zeitpunkt des Vertragsschlusses.

Liebing: "Haushaltskunden werden besser vor fragwürdigen Energie-Discountern geschützt"

„Insgesamt ziehen Bundesregierung und Bundestag mit dieser EnWG-Novelle die richtigen Lehren aus der Discounter-Krise Ende 2021/Anfang 2022 und schieben unseriösen Geschäftspraktiken einen Riegel vor“, lobte VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing den für die kommunale Energiewirtschaft wichtigen und positiven Enscheid.

Dadurch würden Haushaltskunden „künftig besser vor fragwürdigen Energie-Discountern und ihren unseriösen Geschäftspraktiken geschützt“.

Gerade in der aktuell hochgradig angespannten Lage der Energieversorgung und -märkte sei das auch ein wichtiges Signal für die Versorgungssicherheit: Die Märkte würden künftig nicht noch zusätzlich durch Spekulationsgeschäfte und Marktaustritte einzelner Lieferanten belastet.

Aufsicht der BNetzA soll gestärkt werden

Dem neuen Gesetz zufolge soll ein früherer Ausstieg aus Verträgen nur noch dann möglich sein, wenn ein Unternehmen einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt hat. Zudem soll künftig die Aufsicht der Bundesnetzagentur gestärkt werden.

Die Neuregelung ist eine Reaktion auf Entwicklungen im vergangenen Winter als einige Billiganbieter in Turbulenzen geraten waren und zahlreiche Verträge gekündigt hatten. Die betroffenen Verbraucher fielen dann in die Ersatzversorgung. Um die Belieferung Hunderttausender Neukunden sicherzustellen, mussten Stadtwerke und andere Energieversorger die erforderlichen Energiemengen oftmals zum massiv gestiegenen Preisniveau beschaffen.

Um die deutlich höheren Beschaffungskosten weiter geben zu können und gleichzeitig die Bestandskunden zu schützen, wurden vielerorts Neukundentarife eingeführt, die mit einer großen Rechtsunsicherheit einhergingen. Verbraucherschützer und der Ökostromanbieter Lichtblick zweifelten die Rechtmäßigkeit des Tarifsplits an und klagten deutschlandweit mehr als ein Dutzend mal gegen die Neukundentarife - mit unterschiedlichem Ausgang.

Neue Regelungen sollen Stromnetzausbau beschleunigen

Neben diesen Neuerungen beschlossen die Abgeordneten auch Regelungen, die den Ausbau erneuerbarer Energien und der Stromnetze vorantreiben sollen - unter anderem dadurch, dass bürokratische Hürden wegfallen. Mit dem Gesetz wird der sogenannte Bundesbedarfsplan für den Ausbau der Stromnetze aktualisiert.

Weiterhin werden die Planungs- und Genehmigungsverfahren für Stromnetze weiter gestrafft und beschleunigt. Der Rechtsrahmen der Verteilernetzplanung wird zu einer stärker vorausschauenden und integrierten Verteilernetzplanung weiterentwickelt. Zudem werden Netzanschlussprozesse vereinfacht und digitalisiert.

Ausbau der Strom- und Wasserstoffnetze künftig im "überragenden öffentlichen Interesse"

Der Bundesverband der Energie-und Wasserwirtschaft (BDEW) begrüßte vor allem, dass dem Ausbau von Stromnetzen und Wasserstoffleitungen künftig «ein überragendes öffentliches Interesse» eingeräumt werde. Die BDEW-Vorsitzende Kerstin Andrae mahnte aber an, diese bislang befristete Regelung über 2025 hinaus gelten zu lassen. Das sei für den erfolgreichen Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft in Deutschland wichtig.

Das Gesetz enthält aber auch Anpassungen im Wettbewerbsrecht. Unter anderem wird die verschärfte kartellrechtliche Preismissbrauchsaufsicht im Energiesektor um weitere fünf Jahre verlängert und auf den Bereich der Fernwärme ausgeweitet. (hoe/dpa)