Recht & Regulierung

Gutachten: Kohleausstieg verfassungswidrig?

Die Braunkohleindustrie kämpft mit harten Bandagen gegen das Aus ihrer Branche. Ein neues Rechtsgutachten lässt Zweifel an der Verfassungskonformität des Ausstieges aufkommen.
09.11.2018

Klimatechnisch bringe der Kohleausstieg kaum etwas, das legt ein rechtliches Gutachten im Auftrag von Kohleverfechtern nahe.

Nach diversen Studien um den Kohleausstieg wappnen sich die Verfechter des braunen Goldes nun mit rechtlichen Geschützen gegen die Pläne der Kohlekommission. Dem Gremium mit dem offiziellen Titel "Wachstum, Strukturwandel, Beschäftigung“ wird derzeit ein 117-seitiges Gutachten der Kanzlei "Redeker Sellner Dahs" zugestellt, berichtete "Die Welt". Im Auftrag des Deutschen Braunkohle-Industrievereins (Debriv) haben sich die Juristen damit befasst, inwieweit die politischen Pläne rund um die Kohle überhaupt verfassungskonform sind.

Ihr Fazit: Der Kohleausstieg verstoße gleich aus mehreren Gründen gegen das deutsche Grundgesetz, so der "Welt"-Bericht weiter. Bereits vor gut einem Jahr widmete sich ein Gutachten im Auftrag von Agora Energiewende einer ähnlichen Fragen. Die Rechtsanwälte der Kanzlei "Becker Büttner Held" sahen jedoch keine rechtlichen Konflikte. Grundlage der Analyse bildete ein Vergleich mit dem Atomausstiegsgesetz.

Klimaziele über CO2-Zertifikate erreichbar

Demnach wäre ein Gesetz zum Kohleausstieg auch ohne Konsens mit den Kraftwerksbetreibern möglich. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber einen sehr weitreichenden, energiepolitischen Gestaltungsspielraum zugebilligt. Das Gutachten im Auftrag von Debriv sieht das ganz anders: Zur Besiegelung des Atomausstieges sei es 2015 nur gekommen, weil es sich dabei um eine "Hochrisikotechnologie" mit "extremen Schadensfallrisiken" handle. "Mit den Treibhausgasemissionen von Braunkohlekraftwerken ist von vornherein kein vergleichbares Schadensrisiko verbunden" zitiert "Die Welt" das Gutachten.

Das Grundgesetz erlaubt dem Staat nur dann einen Eingriff in das Eigentum, wenn das im Sinne des Allgemeinwohls dringend notwendig ist. Auch wenn der Klimaschutz zu den Interessen der Allgemeinheit zählt, trage das Braunkohle-Aus nicht nennenswert dazu bei. Auch ohne staatlichen Eingriff würden die Klimaziele von der Braunkohlebranche erfüllt. Grund dafür sei der europäische Emissionshandel, der sicher stelle, dass sich die CO2-Emissionen bis 2050 um 87 Prozent verringern.

Netto-Emissionen bleiben gleich

Außerdem würde ein vorzeitiger Abschied von der Kohle nur durch andere fossile Kraftstoffe kompensiert werden müssen, so die Juristen weiter. Die "eingesparten" CO2-Berechtigungsscheine würden dann lediglich von anderen Industriezweigen aufgekauft und für entsprechende Mehremissionen verwendet. Durch diesen "Wasserbett-Effekt" blieben die Netto-Emissionen innerhalb der Europäischen Union fast unverändert, heißt es in "Der Welt".

Die Abwägung zwischen den schutzwürdigen Interessen des Eigentümers und den Belangen des Allgemeinwohls zeige, "dass dem schwerwiegenden Eingriff in das Eigentumsgrundrecht allenfalls ein vergleichsweise geringer Nutzen für das Gemeinwohl gegenüber stünde", wird das Gutachtend abschließend zitiert. (ls)