Recht & Regulierung

Verband sieht gravierende Fehler bei BMWK-Langfristszenarien

Die erneuerbare Leistung würde in den Prognosen deutlich unterschätzt. Der BEE fordert daher Änderungen.
21.09.2023

Der BEE sieht "gravierende" Probleme bei den bestehenden Langfristszenarien des Bundeswirtschaftsministeriums. (Symbolbild)

Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) hat die Langfristszenarien des Bundesministeriums für Wirtschaft- und Klimaschutz (BMWK) in Frage gestellt. In einer zweiten Analyse verweist der Verband auf erhebliche Problem, was die ermittelte erneuerbaren Stromerzeugung in den Szenarien angeht. Es bestehe die Gefahr, dass auf den Szenarien aufbauende politische Konzepte fehlerhaft würden, teilt der BEE mit.

"Die Annahmen und Ergebnisse der Langfristszenarien sollten in der jetzigen Form nicht als Grundlage weiterer Studien oder politischer Entscheidungen dienen", wird Simone Peter, Präsidentin des BEE, in einer Mitteilung zitiert. "Es muss sichergestellt werden, dass eine so wichtige Basisstudie keine Folgefehler produziert."

Abweichungen im TWh-Bereich

Die Langfristszenarien werden seit 2017 im Auftrag des BMWK erstellt und modellieren die zukünftige Entwicklung des Energiesystems, mit denen die energie- und klimapolitischen Ziele erreicht werden können. Laut dem BEE habe eine Analyse ergeben, dass die Berechnungen bei allen erneuerbaren Technologien die Realität nicht korrekt abbildeten.

Dies führe in der Summe zu Abweichungen im hohen zweistelligen Terawattstunden-Bereich. "Die tatsächlich verfügbare Leistung bzw. der Beitrag aus Erneuerbaren Energien bei der Stromerzeugung wird in den Szenarien somit deutlich unterschätzt", so Peter weiter. "Das gilt es zu korrigieren."

Offshore überschätzt

So gingen die Szenarien bei Windenergie-an-Land von einer bestmöglichen Anlagenkonfiguration im Jahr 2040 aus, die deutlich schlechter als der heutige Stand sei. Allein in den vergangenen zwei Jahren sei bei etwa 75 Prozent aller Neuanlagen eine bessere Anlagenkonfiguration zu verzeichnen.

Gleichzeitig würde die Auslastung der Anlagen unterschätzt. Im Gegensatz dazu würde die Auslastung im Offshore-Bereich überschätzt. "In den letzten acht Jahren ist in keiner Stunde eine reale Auslastung von mehr als 95 Prozent im deutschen Offshore-Bereich aufgetreten", so Peter. "In den Langfristszenarien treten diese Zeitfenster aber in 600 bis über 800 Stunden auf."

Unzulässige Abregelung

Die zugrunde gelegten Annahmen führten demnach auch bei der Photovoltaik zu einem verzerrten Bild. Wenn auf nationaler Ebene eine Auslastung von etwa 50 Prozent der Nennleistung erreicht werde, komme es zu einer praktisch nahezu unmöglichen und rechtlich unzulässigen pauschalen Abregelung der darüber hinausgehenden Einspeisung, so der BEE weiter.

Zusätzlich sehen die Szenarien in diesen Zeitfenstern teilweise vermehrt teure Nettostromimporte vor. "Günstigen erneuerbaren Strom abzuregeln, um teuren Graustrom aus dem Ausland zu beziehen, ist weder wirtschaftlich noch aus Sicht der Energiewende und des Klimaschutzes sinnvoll", so die Verbandspräsidentin.

Biomasse ausgeblendet

Außerdem blenden die Annahmen zum nachhaltigen Biomassepotenzial laut BEE bestimmte Biomasse-Sortimente vollständig aus. Damit senke das BMWK künstlich deren Potenzial. Gleichzeitig werde die Flexibilität der Bioenergie gegenüber den vorangegangenen Langfristszenarien unbegründet stark verringert, was wiederum zu einem erhöhten Bedarf an Leistung aus H2-Gasturbinen führe.

Für die Wasserkraft würden in der Berechnung gänzlich falsche Annahmen getroffen, die weder technisch noch praktisch mit dem Kraftwerkspark in Deutschland umgesetzt werden könnten. (jk)