Recht & Regulierung

Von sofort an wieder Leistungspreis angeordnet

Im Sekundär- und Minutenreserveleistungs-Markt geben seit Freitag wieder Leistungspreise den Ausschlag bei der Vergabe. Next Kraftwerke (Bild) ließ das neue Mischpreissystem nach einem Tag gerichtlich stoppen. Vorläufig.
13.07.2018

Energiehändler: Durch Umstellung auf Leistungspreise viele Unternehmen vor dem Aus?

Das Oberlandesgericht (OLG) Köln hat in einem Beschluss angeordnet, dass das gerade erst eingeführte Mischpreisverfahren bei der Vergabe in den zwei betroffenen Segmenten des dreigliedrigen Strom-Regelenergiemarktes sofort wieder abgeschafft werden muss. Bis 15. Oktober gilt wieder das Leistungspreisverfahren. Das geht aus Mitteilungen der Bundesnetzagentur (BNetzA) und des Klägers Next Kraftwerke vom Donnerstag hervor.

Damit fanden erst je zwei Vergaben mit der neuen Zuschlagsmethode im Sekundär- und im Minutenreserveleistungsmarkt (SRL und MRL) statt, nämlich am Mittwoch und am Donnerstag. Zu deren Einführung hatte die Bundesnetzagentur die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) verpflichtet. Erst am Donnerstag aber wurde der OLG-Beschluss der BNetzA und dem Kläger Next Kraftwerke zugestellt. Noch am selben Tag informierte die Behörde die ÜNB, dass sie am Freitag für Samstag wieder das alte Leistungspreisverfahren anwenden müssen.

Mit heißer Nadel gestrickt

Das OLG hatte einem Eilantrag des Virtuelles-Kraftwerks-Betreibers Next Kraftwerke auf aufschiebende Wirkung stattgegeben. Nach übereinstimmender Darstellung mit der beklagten BNetzA hatte das Gericht Bedenken hinsichtlich der kurzfristigen Einführung des Mischpreisverfahrens.

Aber da ist noch das Hauptsacheverfahren. Hier gibt sich die Behörde zuversichtlich, dass das OLG ihre Rechtsauffassung zum Mischpreisverfahren teilt:

  • Die BNetzA verfolge den legitimen Zweck, den Wettbewerbsdruck auf die Arbeitspreiskomponente in der SRL und der MRL zu erhöhen.
  • Es spreche mehr dafür, dass die Regelenergie-Beschaffung damit effizienter und im Ergebnis günstiger für die Stromwirtschaft werden könne, als dagegen spreche.
  • Es setze Next Kraftwerke keiner "unbilligen Härte" aus. Der Anbieter müsse zwar sein Geschäftsmodell und seine Gebotsstrategie anpassen, jedoch gebe es keinen Anspruch auf gleiche Marktchancen oder auf stabile Marktbedingungen. Dem Anbieter drohe kein dauernder Ausschluss vom Regelenergiemarkt.

Next: Mischpreissystem macht alles teurer

Das sieht Next Kraftwerke naturgemäß anders. In einer Stellungnahme des Unternehmens heißt es über das Mischpreisverfahren unter anderem:

  • Es verteuere gegen die erklärte Absicht den Regelenergieaufwand. An dem einen Donnerstag mit Mischpreisverfahren seien die Leistungspreise in der MRL um mindestens den Faktor fünf gegenüber dem Leistungspreisverfahren am Wochenanfang gestiegen, in der SRL Minimum um den Faktor zehn.
  • Es verteile die Kosten unfair.
  • Und es mache die Versorgung unsicherer.
     

Next Kraftwerke fordert stattdessen eine "zügige Umsetzung der europäischen Richtlinie zur Ausgestaltung eines Regelarbeitsmarkts, der Free Bids zusätzlich zum bisherigen Auktionsdesign ermöglicht". Diese Free Bids sind in der Stromwirtschaft umstritten.

Die SRL-Ergebnisse mit Mischpreissystem

Am Donnerstag, dem zweiten Vergabetag mit Mischpreisverfahren, lag der mittlere Leistungspreis in der positiven SRL bei 53,90 Euro pro MW, in der negativen bei 48,65 Euro, so das ÜNB-Portal regelleistung.net. Das heißt beispielsweise, Anbieter von zusätzlicher Stromerzeugung bekamen für einen bestimmten Vier-Stunden-Abschnitt, in dem sie am Freitag elektrische Leistung vorhielten, 53,90 Euro pro MW, egal, ob sie abgerufen wurde oder nicht.

Für die während einer Viertelstunde abgerufene positive SRL gab es im Mittel 90,81 Euro pro MWh, für Abrufe negativer SRL waren die Anbieter im Schnitt bereit, 16,40 Euro pro MWh zu zahlen; die Gebote rechneten sich also bei diesen negativen Arbeitspreisen nur zusammen mit dem stattlichen Leistungspreis.

Und zurück zum Leistungspreissystem

Am Freitag, der ersten Vergabe, die wieder vorrangig nach dem Leistungspreis funktionierte, sank der mittlere Leistungspreis für positive SRL auf 21,65 Euro pro MW, für negative fiel er auf gut 16 Euro. Umgekehrt explodierte der Abrufpreis für positive SRL auf 1612,29 Euro pro MWh.

Jener für negative fiel auf –1492,67 Euro pro MWh. Steht so auf regelleistungs.net. Ist aber falsch, bestätigte der ÜNB Amprion der ZfK. Es sei vermutlich eines der Gebote versehentlich mit Negativvorzeichen eingegeben worden, vielleicht sogar der "Grenzpreis" für –99.999 Euro pro MWh. Dies habe den negativen Durchschnitt ergeben. Sowohl ein Einzelgebot als auch der Durchschnitt wäre für einen SRL-Anbieter betriebswirtschaftlich hochriskant gewesen: Würde seine Leistung nur für eine Viertelstunde abgerufen, hätte er im Schnitt auf ein MW bezogen zwar 64 Euro für vier Stunden Vorhalten verdient, aber 373,17 Euro, ein Viertel des Arbeitspreises, draufgezahlt.

Die Geschichten hinter der Geschichte

Was in den offiziellen Stellungnahmen der Kontrahenten nicht vorkommt: In dem Streit geht es auch darum, ob es gleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen grünen und konventionellen Regelleistungs-Anbietern gibt. Dies hängt mit den unterschiedlichen Vorhalte- und Grenzkosten grüner und herkömmlicher Kraftwerksparks zusammen. Ökoanbieter bevorzugen daher tendenziell eher das Leistungspreissystem.

Am 17. Oktober 2017 wurden in zwei Viertelstunden MRL-Gebote mit dem bislang mit Abstand größten Arbeitspreis abgerufen: für 77.777 Euro pro MWh, und zwar für 250 MW – bei Leistungspreis null. Bilanzkreisinhaber, deren Energiemengenkonten in jenen Viertelstunden unausgeglichen waren, mussten über 20.000 Euro Ausgleichsenergie zahlen. Die BNetzA ordnete zunächst am 2. Januar einen Arbeitspreisdeckel von 9999 Euro pro MWh an. Einen Monat später schlug sie dann das Mischpreisverfahren vor. Die Marktkonsultation dazu endete bereits am 21. Februar. Die behördliche Festlegung (Aktenzeichen für SRL: BK6-18-019; für MRL: BK6-18-020) wurde dann am 8. Mai beschlossen und eine Woche später veröffentlicht. Umzusetzen war sie "ab dem Erbringungstag 12.07.2018", also ab dem Vergabetag 11. Juli. Dagegen ging Next Kraftwerke vor – vom 13. Juli an vorläufig mit Erfolg. (geo)