Abwasser

Abwasserrohre verursachen Mikroplastik

Das Fraunhofer Umsicht hat erstmals die Mengen quantifiziert, die durch Plastikrohre in öffentlichen und privaten Abwassersystemen entstehen. Ein Teil gelangt durch Klärschlamm und über Vorfluter in Gewässer und Boden.
07.12.2021

Knapp 18 Prozent des öffentlichen Abwassernetzes bestehen aus Kunststoff.

 

Der Anteil an Kunststoffrohren im Abwassersystem steigt seit Jahren. Mittlerweile bestehen knapp 18 Prozent des öffentlichen Abwassernetzes aus Kunststoff – das entspricht einer Strecke von 106.920 Kilometern unter der Erde. Die Vorteile: Sie besitzen eine glatte Oberfläche und hohe Elastizität.

Dennoch geben Kunststoffrohre Mikroplastikpartikel an die Umwelt ab. »In den Kanälen herrschen sehr aggressive Bedingungen durch Feuchtigkeit, Strömung und Abrasivstoffe«, schildert Jürgen Bertling, stellvertretender Abteilungsleiter Nachhaltigkeits- und Ressourcenmanagement beim Fraunhofer Umsicht. »Durch den Verschleiß setzen die Rohre schließlich Mikroplastikpartikel frei.«

Problematisches Niederschlagswasser  

Die partikulären, schleißenden Bestandteile stammen überwiegend aus dem Niederschlagswasser und finden sich deshalb in Regen- und Mischkanälen. Zwar geht nicht der gesamte Abrieb in die Umwelt, da Abwasserbehandlungsanlagen einen Teil zurückhalten. Allerdings wird ein Teil davon mit dem Klärschlamm wieder auf Felder ausgebracht. Reine Regenwasserkanäle führen dagegen meist ungeklärt oder nur durch einfache Absetzbecken in die Vorfluter.

Die Forschenden von Fraunhofer Umsicht konnten in einer ersten Studie im Auftrag der Fachvereinigung Betonrohre und Stahlbetonrohre im öffentlichen Kanalnetz einen Abrieb von 120 Tonnen Mikroplastik pro Jahr abschätzen. Davon hält die Abwasserbehandlung etwa 62 Prozent zurück. Die freigesetzte Abriebmenge beträgt daher 46 Tonnen pro Jahr.

PE und PVC schwer abbaubar

Im privaten Bereich gestaltet sich die Abschätzung durch die wenigen vorhandenen Daten schwieriger. Das Team hat angenommen, dass der Durchmesser der Rohre kleiner, aber der Kunststoffanteil demgegenüber hoch ist. Der abgeschätzte Abrieb von rund 500 Tonnen pro Jahr im Abwassernetz auf privaten Grundstücken reduziert sich durch die Abwasserbehandlung auf ca. 190 Tonnen pro Jahr.

Im Vergleich zur Gesamtmenge der Mikroplastikemissionen sind diese Mengen eher gering, stellt Fraunhofer Umsicht fest. Diese Menge wird in Deutschland auf 330.000 Tonnen pro Jahr geschätzt. Allerdings gelten die von den Abwasserrohren emittierten Polymere PE und PVC als besonders schwer abbaubar.

Suche nach Quellen und Umwelteinträgen

Fraunhofer Umsicht arbeitet seit 2015 daran, den Erkenntnisstand rund um die Thematik Kunststoffemissionen zu verbessern. Das Forschungsteam der Konsortialstudie Mikroplastik konnte im Juni 2018 insgesamt ca. 70 Quellen für Mikroplastikemissionen identifizieren. Aktuell versuchen die Wissenschaftler*innen, einzelne Quellen genauer zu bestimmen und auch die Transferpfade in die Umwelt aufzuschlüsseln. (hp)