Abwasser

Industrieabwasser: Auch moderne Anlagen klären nicht alles

In den Abwässern von Produktionsanlagen sind sehr viel höhere Konzentrationen an unerwünschten Stoffen zu finden als in Haushaltsabwässern. Forscher geben Empfehlungen für Gegenmaßnahmen.
01.08.2022

Das beste Vorgehen zur Verringerung von problematischen Industrieabwässern wäre eine Analyse der Situation des jeweiligen Standorts, stellen die Forscher fest.


Die Vielzahl von synthetischen Verbindungen, die aus der pharmazeutischen und chemischen Industrie in den Gewässern landet, wird stark unterschätzt – obwohl die Abwässer der Firmen in modernen Kläranlagen gereinigt werden. Das zeigt eine Studie des Wasserforschungsinstituts Eawag und der Eidgenössische Technische Hochschule (ETH) Zürich.

Bestimmte Quellen der chemischen Verschmutzung der aquatischen Umwelt, wie die Landwirtschaft oder kommunale Abwässer, sind mittlerweile recht gut bekannt, heißt es in einer Mitteilung der Eawag. Doch das Wissen über die Menge und Vielfalt der synthetischen organischen Verbindungen, die bei der Produktion und Herstellung von Chemikalien in den Abwässern der jeweiligen Industriezweige freigesetzt werden, sei lückenhaft und punktuell.

Blinde Flecken

Das sei nicht unproblematisch, denn unter den Stoffen sind Verbindungen, die sehr langlebig sind, sich in Organen von Organismen anreichern oder die Bildung von Resistenzen – etwa in Bezug auf Antibiotika – fördern können. Zudem fielen viele Stoffe mit den bisher üblichen Überwachungsmethoden sozusagen durch die Maschen, weil schlicht nicht nach ihnen gesucht wird.

In ihrer Studie haben die Forscher:innen das gereinigte Abwasser aus elf Kläranlagen über mehrere Monate hinweg näher analysiert. Sie haben dazu Anlagen ausgewählt, die sehr unterschiedliche Anteile von Industrieabwasser zu bewältigen haben – von null bis 100 Prozent. Mit hochaufgelöster Massenspektrometrie, teilweise automatisiert, wurde dann das behandelte Abwasser untersucht. So wurde es möglich, die Gesamtzahl der vorhandenen Verbindungen zu ermitteln und auch Substanzen zu verfolgen, die nur kurzzeitig in Spitzenkonzentrationen auftraten.

Drei Erkenntnisse der Studie

  • Mehr Stoffe und höhere Konzentrationen als im häuslichen Abwasser: Das behandelte Industrieabwasser enthält zeitweise bis zu 15mal mehr verschiedene Stoffe und um bis zwei Größenordnungen höhere Konzentrationen an synthetischen organischen Verbindungen mit deutlich größeren Schwankungen als das häusliche Abwasser.
  • Spiegel der Produktionsprozesse: Die chemische Vielfalt der Abwässer ist sehr standortspezifisch und spiegelt die Herstellungsprozesse der jeweiligen Firmen wider. Doch sie ist auch stark durch weitere Faktoren beeinflusst, etwa durch Art und Umfang der Abwasser-Vorbehandlung, die Praxis, wie die Betriebe ihr Abwasser zur Kläranlage schicken, oder den Betrieb der Kläranlagen.
  • Komplexe Mischungen: Unter der enormen Vielzahl gefundener Substanzen können auch toxische Verbindungen sein, die eine Bedrohung darstellen für die aquatische Artenvielfalt. Dies nicht zuletzt auch deshalb, weil die stark schwankenden Emissionen zu unerwarteten Spitzenkonzentrationen führen und das in laufend wechselnden chemischen Zusammensetzungen. Es wurden auch nicht registrierte Chemikalien gefunden.

Maßgeschneiderte Monitoring-Programme

Die an der Studie beteiligten Forschenden ziehen den Schluss, dass die gängige Praxis zur Prüfung und möglichen Verbesserung der Wasserqualität nicht genügt. Heute werde zumeist eine Standardliste mit Zielschadstoffen sowie gewisse Summenparameter analysiert, statt an jedem Standort genau hinzuschauen. Nur so könnten jedoch maßgeschneiderte Monitoring-Programme erstellt und – wo nötig – Maßnahmen ergriffen werden, schreiben die Wissenschaftler:innen.

Strategien zur Minderung der Belastungen können einen sehr breiten Bereich umfassen, von einer Änderung der Abwasserbehandlungspraxis in den Unternehmen und Innovationen auf den Kläranlagen über Umstellungen der Herstellungsprozesse bis zu gesetzlichen Regulierungen oder gar einem Verbot gewisser Stoffe. Einige der Maßnahmen werden von Industriebetrieben bereits heute erfolgreich umgesetzt. (hp)