Klärschlamm: Wettrennen bei Bauprojekten und um Entsorgungsmengen
Das Marktforschungsinstitut für die Ver- und Entsorgungswirtschaft waste:research hat eine neue Auflage der Potenzialstudie „Klärschlammverwertung in Deutschland bis 2040“ herausgebracht. Der sich bereits in den Vorauflagen abzeichnende Druck auf den Markt für die Verwertung von Klärschlamm bestätigt sich.
Aufgrund der Gefahr einer bevorstehenden Überkapazität am Markt entwickelt sich der Bau von neuen Klärschlamm-Monoverbrennungsanlangen weiterhin zu einem Wettrennen um die verbliebenen Mengen. Aktuelle Krisen sowie die Inflation verschärfen die Situation weiterhin, da unter anderem dadurch die Gestehungskosten der Bauprojekte stark gestiegen sind.
Drei Bundesländer mit der Hälfte des Aufkommens
Die bereits im vergangenen Jahrzehnt erkennbare rückläufige Tendenz des Klärschlammaufkommens in Deutschland setzt sich fort: In den vergangenen Jahren ist die Menge von 1,74 Mio. Tonnen TS im Jahr 2018 auf 1,7 Mio. Tonnen TS im Jahr 2022 leicht gesunken – bei einer deutlich steigenden Bevölkerung.
Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg verfügen dabei weiterhin über die größten Klärschlammaufkommen. Zusammen erzeugen diese drei Bundesländer rund die Hälfte des in Deutschland anfallenden Klärschlamms.
Thermische Verwertung steigt weiter stetig an
Während das Klärschlammaufkommen insgesamt leicht rückläufig ist, steigt – im Wesentlichen aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen – die thermische Verwertung von Klärschlamm an: Die Monoverbrennung erhöhte sich in Deutschland von 2015 bis 2019 um knapp 20 Prozent auf 515 Tsd. Tonnen TS und dann bis zum Jahr 2022 auf 647 Tsd. Tonnen TS um weitere 25 Prozent.
Der Anteil der Monoverbrennung als Entsorgungsweg für Klärschlämme beträgt in Deutschland rund 31 Prozent, während die Mitverbrennung in u.a. Kohlekraftwerken und Zementwerken aktuell knapp 47 Prozent ausmacht. In beiden Fällen ist ein leichtes Wachstum zu verzeichnen, während die Entsorgung in der Landwirtschaft weiter abnimmt und inzwischen auf einen Anteil von 13 Prozent gefallen ist.
Umbauten für Nutzung biogener Brennstoffe
Neben dem Neubau von Monoverbrennungsanlagen werden zunehmend auch bestehende Anlagen umgebaut bzw. Standorte genutzt, vor allem auch durch den starken Trend zur Nutzung von biogenen Brennstoffen für die Wärme- und Stromversorgung („fuel switch“). Die Vorteile bei einem An- oder Umbau sind u.a. Synergien bei Bau und Betrieb, z.B. die Mitnutzung vorhandener Infrastruktur sowie die geringeren Investitions- und Betriebskosten.
Diese Entwicklungen auf dem Wärme- und Strommarkt, getrieben durch die aktuellen Krisen sowie die strategische Ausrichtung einiger Marktteilnehmer, führten zu einem teilweise extremen Preiseinbruch bei entwässerten und getrockneten Klärschlämmen – sogar in Einzelfällen bis hin zur Zuzahlung.
Der frühe Vogel fängt den Wurm
Trotz des leicht sinkenden Klärschlammaufkommens und der hohen verfügbaren Kapazitäten bei der Mitverbrennung werden viele Bauprojekte von Monoverbrennungsanlagen initiiert. Der Bau von neuen Klärschlamm-Monoverbrennungsanlagen gleicht daher weiterhin einer Art „Wettrennen“.
Die Anlagen, die als erstes die benötigten Kapazitäten anbieten, haben Chancen, die Verträge zu erhalten und somit ihre Anlage auszulasten. Bei späterer Realisierung sinken die Chancen, ausreichende regionale Mengen zu akquirieren – und bei überregionalen Aufträgen senken die steigenden Transportkosten aufgrund hoher Energiepreise, steigenden Mautgebühren, Kraftfahrermangel usw. deren Rentabilität.
Sonderstellung kommunaler Anlagen
Ausnahme des Wettrennens sind teilweise kommunale Anlagen, die durch regionale Argumente und Spezifika punkten können und ihre Mengen durch Vereinbarungen – z.B. in einem Zweckverband – absichern. Diese bleiben allerdings hinsichtlich der sinkenden Marktpreise weitgehend außen vor.
Für die Projekte in Planung gilt, dass die Gestehungskosten, also die Kosten (CAPEX und OPEX) für den Neu-, An- oder Umbau von Monoverbrennungsanlagen, weiter gestiegen sind und auch in den kommenden Jahren voraussichtlich weiter steigen werden. Die Gründe hierfür liegen in den aktuellen Krisen, den derzeit allgemein ansteigenden Preisen (insbesondere bei Bau-, Material- und Personalkosten) und gestiegenen Zinsen.
Völlig neue Vorzeichen für Bauprojekte
Auch höhere rechtliche Anforderungen und eine hohe Nachfrage nach (Brenn-)Stoffen, die die örtliche Fernwärmeversorgung sichern und damit zur Autarkie beitragen, beeinflussen die Projekte. Durch diese größtenteils unvorhersehbaren Umstände müssen die Bauprojekte nun unter völlig anderen Bedingungen als ursprünglich angenommen vollendet – oder eben nach sorgfältiger Evaluation doch eingestellt – werden. (hp)