Wasser

Hochwasserschutz braucht mehr Regulierung auf kommunaler Ebene

Für viele Infrastrukturanlagen der Stadtwerke gilt nur ein Schutz für ein 100-jährliches Ereignis. Das ist für sogenannte Sonderrisiko-Objekte nicht genug, meint Timo Heinisch, Professor an der IU Internationale Hochschule.
31.01.2022

Die Flutkatastrophe im Ahrtal im Juli 2021 hatte zahlreiche Kläranlagen beschädigt. Als Übergangslösung stellte das Rote Kreuz mobile Anlagen auf.

 

Kommunen und deren Stadtwerke betreiben sogenannte Sonderrisiko-Objekte, die auch bei Naturgefahren wie Hochwasser reibungslos funktionieren müssen. Allein die Strom- oder Wasserversorgung sollte niemals ausfallen, denn die Folgeschäden sind hoch – gerade für die lokale Wirtschaft. Es kann für einen Stromausfall schon ausreichen, dass ein Häuschen überflutet wird, das den Strom in einem größeren Gebiet verteilt, denn Sonderrisiken bestehen auch im Kleinen: Wenn das Stromverteilerhäuschen unter Wasser steht, sind ganze Gemeinden ohne Strom. Der durch den Stromausfall entstehende Schaden ist meist höher als der eigentliche Hochwasserschaden. Aber die Stromversorger haben meist nicht den Hochwasserschutz im Fokus. Ebenso benötigen Kläranlagen – die oft nah an Gewässern liegen – einen Hochwasserschutz, der tatsächlich dem örtlichen Risiko angemessen ist.

Die Vorgabe des Umweltbundesamts für den Hochwasserschutz von Sonderrisiko-Objekten liegt bei HQ 100, dem 100-jährlichen Hochwasser. Die Bundesländer legen den Schutzgrad für ihre Sonderrisiko-Objekte individuell fest. Beispielsweise gilt in Bayern oder Baden-Württemberg der HQ100 Hochwasserschutz, aber es wird bei jedem Objekt geprüft, ob ein höherer Schutz notwendig ist. Eine pauschale Antwort auf den notwendigen Hochwasserschutz gibt es schlicht nicht.

Jede Kommune ist selbst zuständig

Das Risikomanagement bei Hochwasser muss im Grunde jede Kommune selbst betreiben und es gibt oft Nachlässigkeiten wegen mangelnder Regulierung. Es besteht beispielsweise keine Verpflichtung für die Kommunen, in die Hochwasserkarten zu schauen, bevor ein neues Bauvorhaben startet. An dieser Stelle sollte es für die Kommunen sogar verpflichtend werden, in die Naturgefahrenkarten zu schauen, um allen Naturkatastrophen bestmöglich vorzubeugen. Die Hochwasserkarten stellen die Hochwasserzentralen der Länder kostenfrei bereit. Jede Kommune kann online nachsehen, wie groß das Hochwasserrisiko in der direkten Umgebung eines Baugebiets ist.

Europaweit gilt der risikobasierte Ansatz nach der Hochwasserrisikomanagement-Richtlinie (HWRM-RL): Man schaut sich das Schadenspotenzial an und orientiert sich rückblickend am größten Hochwasserereignis der vergangenen Jahre – 100 oder gar 500 Jahre. Auf der Basis definiert man den notwendigen Schutzgrad mit Argumenten der Wirtschaftlichkeit, was durchaus zielführend ist.

Grundschutz ist in Deutschland zu niedrig

Deutschland setzt die HWRM-RL mit dem Wasserhaushaltsgesetz (WHG) in nationales Recht um. In der Störfallverordnung sind die Risiken rund um Hochwasser nicht geregelt. Am Rhein in Baden-Württemberg gilt die Schutzklasse 4 (sehr hoch) für Objekte mit Sonderrisiken wie konventionelle Kraftwerke oder Raffinerien mit überregionaler Bedeutung. Der Hochwasserschutz wird bei diesen Einrichtungen als Einzelfall bewertet und eingerichtet.

In der Schweiz ist der Schutzgrad für Sonderrisikoobjekte generell höher: HQ 300 plus ein Schutz nach individueller Risikobewertung. Im föderalen Deutschland ist die Erhöhung des vorgegebenen Schutzgrads durch die Bundesländer nicht einheitlich geregelt. Das WHG wird durch die Bundesländer individuell ergänzt. Die Länder setzen den Hochwasserschutz um.

Fazit: Beim Hochwasserschutz genauer arbeiten

Das richtige Vorgehen bei der Hochwasservorsorge ist aufwendig, aber der Schutz im Katastrophenfall notwendig. Gerade bei Sonderrisiko-Objekten sollten die Ingenieurbüros und die Fachgutachter aus den Ämtern der Bundesländer genauer hinschauen und den Hochwasserschutz eher hochsetzen, um auch Folgeschäden zu minimieren. Mit dem One-Size-Fits-All-Ansatz zur Risikobewertung werden in Deutschland die Details in den jeweiligen Regionen zu wenig berücksichtigt.

Gastbeitrag von  Prof. Dr.-Ing. Timo Heinisch, Professor für Bauingenieurwesen an der IU Internationale Hochschule