Wasser

Milchmädchenrechnung zu erhöhten Trinkwasserpreisen

Die Fraktion der Grünen beklagt, die Kosten für Trinkwasser seien zwischen 2005 und 2016 um mehr als 25 Prozent wegen Verunreinigungen gestiegen. VKU und BDEW widersprechen der Preiserhöhung auf Kosten der Verbraucher in mehreren Punkten.
11.05.2018

Während in Thüringen und Berlin Trinkwasserkosten seit 2005 sogar gesunken sind, zahlt man im Saarland fast 50 Prozent und in Bayern sogar 60 Prozent mehr, beklagt die Bundestagsfraktion der Grünen als Reaktion auf eine Analyse des Statistischen Bundesamts. Demnach sind zwischen 2005 und 2016 die Trinkwasserpreise um über 25 Prozent gestiegen, was 50 Euro mehr für jeden Haushalt bedeute.

Vor allem zwischen 2014 und 2016 sei der Preisanstieg mit 3,59 Prozent erheblich gestiegen und habe damit sogar die Inflationsrate von 1,7 Prozent um mehr als das Doppelte übertroffen. Schuld sei die Agrarindustrie: Die Aufbereitung von Trinkwasser werde zunehmend kostenintensiver wegen des übermäßigen Einsatzes von Dünger, Pestiziden und Medikamenten. Außerdem: Der Staat ziehe sich an vielen Stellen bei der Erhaltung der Trinkwasserinfrastruktur zurück, so dass vor allem Verbraucher von kleinen und mittleren Einkommen noch stärker durch die steigenden Preise belastet würden.

VKU widerlegt Rechnung

Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) kontert den Vorwurf des maßlosen Kostenanstiegs in mehreren Punkten:

  • Regionaler Vergleich: Da es regional unterschiedliche Gegebenheiten wie Topografie des Geländes, Menge des Trinkwassers oder Menge der Verbraucher gebe, sei ein Wasserpreisvergleich verschiedener Orte sehr schwierig. Ohne Berücksichtigung dieser Faktoren könne außerdem nicht bestimmt werden, ob ein Trinkwasserpreis angemessen sei.
     
  • Zu hohe Preise: Trinkwasser sei allgemein sehr günstig: Für einen Betrag von 4,99 Euro bekomme man – je nach genauem Wasserpreis – etwa fast 2500 Liter Trinkwasser. Dies reiche für fünf Jahre. Kaufe man für die gleiche Summe einen Kasten stilles Wasser, reiche dieser dagegen nur eine Woche.
     
  • Zu starker Kostenanstieg: Von 2014 an veränderte das Statistische Bundesamt (Destatis) den "Musterhaushalt" für Trinkwasserpreise. Galten zuvor 80 Kubikmeter Wasser plus Grundpreis, waren es von da an 89,213 Kubikmeter. Damit stieg die Bemessungsgrundlage um zehn Prozent. Wäre Destatis bei den alten Zahlen geblieben, wäre der Wasserpreis zwischen 2005 und 2016 demnach um 17,22 Prozent gewachsen anstatt wie von den Grünen bemängelt um über 25 Prozent. Nachdem die Inflationsrate zwischen 2005 und 2016 17,41 Prozent betragen habe, lag der Wasserpreis sogar darunter. "Ein überproportionaler Anstieg des Trinkwasserpreises hat also – rein statistisch bzw. in realer Kaufkraft – nicht stattgefunden", so der Verband. 
     
  • Nitrat reduzieren statt teuer aus dem Trinkwasser herauszulösen: Zu guter Letzt verweist der VKU darauf, dass es nach einer Untersuchung des Umweltbundesamts (UBA) wesentlich teurer ist, das Nitrat aus der Landwirtschaft wieder aus dem Wasser zu entfernen, als wenn die Einträge vorher reduziert worden wären. Das UBA schätzt, dass in betroffenen Regionen die Trinkwasserkosten um 55 bis 76 Cent pro Kubikmeter steigen könnten – das entspräche einer Preissteigerung von 32 bis 45 Prozent. Es sei also im Interesse aller, Nitrateinträge möglichst rasch zu verringern.

Besorgniserregende Lage

Auch der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) fordert die gängige Düngepraxis zu ändern. Die Lage sei inzwischen besorgniserregend. Im Schnitt werde laut einem aktuellen Bericht der Union zur Nitratbelastung der Wasserressourcen an 28 Prozent der Messstationen der Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter überschritten.

Als weiteres Problem macht der BDEW die Überalterung der Gesellschaft und den steigende Pro-Kopf-Verbrauch an Medikamenten aus. Bis 2045 soll sich dieser um bis zu 70 Prozent erhöhen. Hersteller seien gefordert, umweltschädliche Wirkstoffe nach Möglichkeiten zu ersetzen, Apotheken sollten auf bedarfsgerechte Verpackungsgrößen achten und Verbraucher ihre alten Medikamente sachgerecht über den Haus- oder Sondermüll entsorgen.

Bauernverband findet Auflagen bereits exorbitant

Auch der Bauernverband meldete sich zu Wort: Die Auflagen für Landwirte in Trinkwassergebieten seien bereits "exorbitant". Udo Hemmerling, stellvertretender Generalsekretär des Deutschen Bauernverbands, sprach von Panikmache der Grünen. (sg/dpa)