Wasser

Projekt gegen Mikroplastik in Seen: Der stumme Hilferuf

Die Natur- und Umweltschutzorganisation Global Nature Fund (GNF) hat gemeinsam mit europäischen Partnern das Projekt "LIFE Blue Lakes" gestartet. Deutsche und italienische Gewässer sollen vor der unsichtbaren Gefahr geschützt werden, die von kleinsten Kunststoffpartikeln ausgeht.
06.07.2020

Kleinste Plastikpartikel belasten nicht nur die Weltmeere, sondern auch Binnengewässer.

Plastik ist überall. Wie aktuelle Studien zeigen: auch in unseren Seen und Flüssen und in unserem Trinkwasser. Aber nicht nur in Form großer Kunststoffobjekte wie traurig dahindümpelnder Plastiktüten, sondern auch als mikroskopische Kügelchen, die z.B. Kosmetika zugesetzt werden oder durch Verwitterung und Abschleifungsprozesse aus größeren Plastikteilen entstehen: das sogenannte Mikroplastik. Die ökologischen und gesundheitlichen Folgen der Verschmutzung mit winzigen Kunststoffpartikeln sind kaum absehbar, doch ist das Problembewusstsein gerade in Bezug auf Mikroplastik – und die damit verbundene Belastung von Binnengewässern – noch gering.

Um dem entgegenzuwirken, hat sich der Global Nature Fund (GNF) mit Partnern zusammengeschlossen, die im vierjährigen Projekt "LIFE Blue Lakes" auf die stille Gefahr aufmerksam machen wollen. Gefördert vom LIFE-Programm der EU-Kommission und koordiniert von der italienischen Naturschutzorganisation Legambiente beteiligen sich neben dem GNF auch die Bodensee-Stiftung und vier weitere italienische Partner an gezielten Aktionen, die exemplarisch am Bodensee und Chiemsee in Deutschland sowie an den Seen Garda, Bracciano und Trasimeno in Italien umgesetzt werden. Blue Lakes widmet sich dem Ziel, bereits vorhandenes Mikroplastik zu reduzieren und zukünftiger Entstehung von Mikroplastik vorzubeugen.

GNF-Geschäftsführer Udo Gattenlöhner weist auf die Erfahrung und Expertise des Global Nature Fund in Sachen Gewässerschutz hin: "Als Initiator und Koordinator des internationalen Seennetzwerks Living Lakes sind wir sehr besorgt über das wachsende Problem der Mikroplastikverschmutzung von Seen, Feuchtgebieten und anderen Ökosystemen weltweit und die möglichen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit." Er und die Partnerorganisationen hätten es sich zur Aufgabe gemacht, Unternehmen dazu bewegen, mehr Verantwortung zu übernehmen", so Gattenlöhner.

Hintergrund zu den Umwelteinflüssen von Mikroplastik
 
Mikrokunststoffe gelangen über häusliche und industrielle Abwässer, Oberflächenabflüsse, atmosphärische Ablagerungen und die Zerkleinerung größerer Kunststoffabfälle in die Umwelt. Es handelt sich bei Mikroplastik um einen komplexen Schadstoff, der aus Materialien besteht, die in ihrer chemischen Zusammensetzung, Form, Struktur und Größe variieren können und diverse umweltschädliche Wirkungen entfalten.

So enthalten einige Mikropartikel Stoffe, die als besonders belastend für Gewässer gelten (Anhang II der EG-Richtlinie 2008/105), z.B. Diethylhexylphthalat (DEHP), Nonylphenol, Octylphenol und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK). Als Teil der aquatischen Umwelt kontaminieren sie Nahrungsketten, reichern sich in Organismen an und landen letztlich nicht nur in unserem Trinkwasser, sondern auch im Fisch auf unserem Teller.

Gezielte Maßnahmen im Rahmen von LIFE Blue Lakes
 
Zu den geplanten Projektaktionen zählt eine Informationskampagne, die Verbraucher in den italienischen und deutschen Seenregionen dazu anregen soll, ihr Konsumverhalten zu überdenken. Gemeinsam mit der Bodensee-Stiftung tritt der Global Nature Fund mit Unternehmen der Reifen-, Textil- und Kosmetikindustrie in Austausch, um sie aktiv an der Entwicklung von Lösungen zu beteiligen, welche die weitere Verunreinigung von Seen durch Mikroplastik reduzieren und vermeiden sollen.

Die Polytechnische Universität Marken ist verantwortlich für den Entwurf und die Erprobung eines technischen Protokolls zur Reduzierung der Freisetzung von Mikroplastik aus Kläranlagen, das im Pilotgebiet des Gardasees realisiert werden soll. Die hier erarbeiteten Erkenntnisse werden den Betreibern von Kläranlagen in Italien und Deutschland unter anderem im Rahmen von Seminaren vorgestellt.

Lokal denken und handeln

Am Bracciano und Trasimeno entwerfen und testen die Partner ein standardisiertes Überwachungsprotokoll, um in europäischen Seen vorhandene Mikrokunststoffe einheitlich zu bewerten. Auch dieses Protokoll wird an die zuständigen Behörden in Italien und Deutschland weitergegeben. Unter Beteiligung der fünf Seegemeinden bringt Blue Lakes außerdem einen partizipativen Prozess für die Ausarbeitung des Seenpapiers voran, eines freiwilligen Instruments zum Schutz der Seen, das von den lokalen Behörden und Gemeinden in den Projektgebieten angenommen und von Kommunikations- und Sensibilisierungsmaßnahmen für Bürger und Touristen begleitet werden soll. (amo)