Wasser

Sulfatgipfel: Grenzwerte sollen eingehalten werden

In Berlin und Frankfurt (Oder) steigen die Sulfatwerte im Spreewasser. Neue Tagebaue sollen geflutet werden und der Sulfatgehalt könnte weiter steigen. Reichen die angeschobenen Maßnahmen?
02.02.2018

Das Wasserwerk Briesen der Frankfurter Wasser- und Abwassergesellschaft mbH (FWA) in Frankfurt/Oder nutzt als Quelle Uferfiltat der Spree, das mit hohen Sulfatfrachten belastet ist.

Gestern fand der fünfte „Sulfatgipfel“ der Länder Brandenburg und Berlin statt. Dort diskutierten Vertreter des Berliner Senats (Staatssekretär Stefan Tidow, Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz) und der Landesregierung Brandenburg (Hendrik Fischer, Ministerium für Wirtschaft und Energie des Landes Brandenburg) sowie des Bergbaukonzerns Leag, der Verwaltungsgesellschaft LMBV und der Wasserbetriebe aus Berlin und Frankfurt/Oder zur Entwicklung der Sulfatwerte in der Spree.

Zur Erinnerung: Durch steigendes Grundwasser in den Braunkohle-Tagebauen gerät zunehmend Sulfat in das Wasser der Spree. Dieses Wasser dient aber als Quelle für die Trinkwassergewinnung (Uferfiltration) der Städte Frankfurt/Oder und Berlin. In Berlin ist gerade das größte Wasserwerk Friedrichshagen von einer steigenden Sulfatbelastung betroffen.

Maßnahmen umsetzen

Der „Sulfatgipfel“ erbrachte nun folgende Ergebnisse, vermeldete gestern Abend die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz per Pressemitteilung:

  • Eine Reihe von Maßnahmen in Sachsen ist im Begriff umgesetzt zu werden, und diese werden kurz- bis mittelfristig zur Stabilisierung der Sulfatkonzentrationen im Einzugsgebiet der Spree beitragen.
  • Die bergbaubetreibenden Länder Brandenburg und Sachsen werden weitergehende Maßnahmen zur Stützung dieser Zielwerte durchführen. Die Wirkung dieser Maßnahmen wird durch das Sulfatprognosemodell abgebildet und fortgeschrieben.
  • Die Bewältigung der bergbaubedingten Sulfatkonzentrationen in der Spree bleibt eine gemeinschaftliche Aufgabe der Länder Berlin, Brandenburg und des Freistaats Sachsen sowie der Akteure des Bergbaus und der Wasserwirtschaft sowohl in der Lausitz als auch an den Wasserwerksstandorten selbst. Beide Staatssekretäre unterstützen dazu den weitergehenden fachlichen Austausch.


Mit am Verhandlungstisch saßen die Berliner Wasserbetriebe (BWB): „Wir sind zufrieden“, sagte eine Sprecherin des Unternehmens. In dem Gespräch wurde BWB von den Konzernen zugesichert, in Zukunft die entscheidenden Grenzwerte von 220 Milligramm pro Liter (mg/l) Sulfat einzuhalten – und zwar an der Messstelle in Rahnsdorf nahe des größten Berliner Wasserwerks Friedrichshagen. Mithilfe des Sulfatprognosemodells, das im Dezember veröffentlicht wurde, könne nun an den entsprechenden Stellschrauben gedreht werden, um den Wert einzupegeln.

Emissionsrichtwert wird stets überschritten

„Wir gehen davon aus, dass der Grenzwert der Trinkwasserverordnung von 250 mg/l so nicht zu halten ist“, sagte Gerd Weber, Geschäftsführer der Frankfurter Wasser- und Abwassergesellschaft mbH (FWA mbH) dem RBB in einem Interview. Die Situation in Frankfurt/Oder ist kompliziert: So wurde am Pegel Briesen in den vergangenen beiden Jahren der Emissionsrichtwert von 280 mg/l nahezu ganzjährig überschritten.

Und die Prognosen sind schlecht: Künftig werde die Sulfatfracht in der Spree weiter steigen, da die Flutung des ehemaligen Tagebaus Cottbus Nord – wie von der Leag zur Genehmigung beantragt – bereits im Herbst 2018 beginne. Zudem: Um die Flutung des Cottbuser Ostsees überhaupt genehmigungsfähig zu machen, plane das Umweltministerium des Landes Brandenburg, den Emissionsrichtwert am Pegel Briesen auf 350 mg/l anzuheben, erklärte FWA in einer Pressemitteilung am 15. Januar.

„Die Versorgung der Einwohner Frankfurts (Oder) ist akut gefährdet“

„Damit wird die Versorgung von 65.000 Einwohnern in Frankfurt/Oder und umliegenden Kommunen akut gefährdet“, schrieb das Unternehmen. Zur aktuellen Lage: Die FWA mbH fördert Grundwasser im Wasserwerk Briesen, welches in erheblichem Maße durch Spreewasserinfiltration angereichert werden muss, da die natürlichen Ressourcen an Grundwasser für die Versorgung im Einzugsgebiet bei Weitem nicht ausreichen. Der durch die Trinkwasserverordnung gesetzte Grenzwert für Sulfat im Trinkwasser von 250 mg/l konnte bisher durch Grundwassermanagement gesichert werden, bewegt sich aber in den vergangenen drei Jahren ganz überwiegend über der Marke von 200 mg/l. „Die technischen Möglichkeiten der Beeinflussung sind ausgereizt“, so die FWA. Nun hat das Unternehmen beschlossen, das stillgelegte Wasserwerk Müllrose zu ertüchtigen. Die Investition liegt bei 20 Mio. Euro. Die Wasserkosten dürften in Frankfurt um 20 Prozent ansteigen.

Oliver Powalla, Sprecher von Kohleausstieg Berlin, sieht die Entwicklung beim Sulfateintrag skeptisch: „Die Kohleverschmutzung der Spree stellt ein anhaltendes Risiko für das Berliner Trinkwasser dar. In keinem einzigen Monat werden die geltenden Emissionsrichtwerte für Sulfat eingehalten. Im Extremfall werden die Sulfatwerte mit prognostizierten 316 mg/l sogar über den bisherigen Messungen liegen.“

„Die Behörden haben kapituliert“


Und: „Die Sulfatprognose bezeugt das völlige Versagen des Gewässerschutzes in Berlin und Brandenburg, die zuständigen Behörden haben vor den Profitinteressen des Braunkohlekonzerns Leag kapituliert.“

„Die dramatische Entwicklung in Frankfurt sollte den Berliner Senat vorwarnen. Für das Wasserwerk Friedrichshagen, das ein Drittel der Berliner Haushalte versorgt, gibt es keinen Ersatz“, fuhr Powalla fort. Sollte der Sulfatgrenzwert in Berlin überschritten werden, dürften die Kosten deutlich höher als in Frankfurt liegen. Es sei dringend an der Zeit, den angekündigten Vertrag über die Kostenübernahme mit Brandenburg und Sachsen auszuhandeln. Die Kosten müssten von der Leag, dem eigentlichen Verursacher der Wasserverschmutzung, getragen werden, so Powalla. (al)