"Stadtwerke haben das wichtigste Alleinstellungsmerkmal im Plattform-Geschäft"
Die Metering Days hatten dieses Jahr einen neuen Punkt im Programm: Teilnehmer, die noch weitere Fragen rund um das neue Messwesen hatten, konnten diese in den Workshops der Veranstaltung nach dem Mittagessen diskutieren. Ein Angebot, das bei den 600 Teilnehmern in Fulda rege genutzt wurde.
Einen zentralen Punkt der Veranstaltung nahm das Thema Gateway-Zertifizierung und Mehrwerte durchs Metering ein. Kommunalversorger sehen laut der Stadtwerkestudie von Ernst &Y oung (EY) und dem Verband BDEW vor allem in der spartenübergreifenden Bündelablesung Geschäftspotenzial.
Plattform als Grundlage für Mehrwerte
Demnach denken hier 55 Prozent, dass sich dieses Geschäft am ehesten lohnen wird, sagt Helmut Edelmann, Director Power & Utilities bei EY. 47 Prozent denken zudem, dass in der Verbrauchsvisualisierung große Chancen schlummern und 46 Prozent in variablen Tarifen. Eher am Rande für neue Geschäftsmodelle wurden mit elf Prozent die Datenvermarktung an Dritte und mit sechs Prozent disaggregierte Messung, mit der sich die einzelnen Haushaltsgeräte identifizieren lassen genannt.
Damit sich die ganzen möglichen Geschäftsmodelle im Rahmen des Smart-Meter-Rollouts aber auch realisieren lassen, sei dringend der Einstieg in das Plattform-Denken nötig, verdeutlichte zuvor Trianel-Chef Sven Becker.
Intensiver Wettbewerb erwartet
Der Übergang von der analogen zur digitalen Welt sei die gleiche Situation wie von der regulierten zur liberalisierten Welt, nur werde es jetzt einen wesentlich intensiveren Wettbewerb geben als 1998. "Wichtig ist es, gemeinschaftlich in neue Know-how-Felder aufzubrechen", so Becker.
Google, Apple, Amazon, Facebook oder Lieferheld würden mit großem Erfolg Plattformen betreiben. Wer hier zuerst einen guten Ausgleich zwischen Nachfragern und Anbietern schaffe und damit Kunden gewinne, könne hier einen wichtigen Wettbewerbsvorteil erlangen. Für die Nachfolgenden werde es dann sehr schwierig, in diesen Markt gelangen, was man auch an den großen Playern sehe, die nicht mehr verdrängt werden.
Stadtwerke mit dem wichtigsten USP im Plattform-Geschäft
Plattformen jedoch funktionierten nur mit vielen Daten, verdeutlicht Becker. Die Leistungen für Endkunden sind quasi kostenfrei, dafür bekomme der Plattformbetreiber Daten zum Nulltarif. Stadtwerke verfügen hier über den wichtigsten USP im Plattform-Geschäft, betont Becker: den Endkundenzugang und damit über die wichtigsten Daten.
Interessant seien die Verbrauchs- und Erzeugerdaten vor allem für Endkunden, die Wohnungswirtschaft, Energieeffizienzberater, Gerätehersteller, aber auch für Versicherungen oder Krankenkassen. Für kleine Stadtwerke sei eine solche Plattform allerdings nur schwer zu realisieren, weshalb das Stadtwerke-Netzwerk hier Unterstützung bietet.
Barometer 2018: Situation noch verbesserungswürdig
Wie weit der System- und Plattformgedanke des Gesetzes zur Digitalisierung der Energiewende von den verschiedenen Beteiligten, also Gesetzgeber, Behörden, Energiebranche und Industrie umgesetzt wurde, soll das "Barometer 2018" zeigen, dass Ende des Jahres – aber weit vor Weihnachten – veröffentlicht werden soll, so Helmut Edelmann von E&Y.
Verbesserungsbedarf sieht Edelmann in allen Bereichen. So müsse beispielsweise das Mess- und Eichrecht anders interpretiert werden, etwa beim Thema Updates der Software. In der Industrie sei die Interoperabilität zu verbessern. Ebenso die Zusammenarbeit der verschiedenen Normungsgremien. In der Energiebranche selbst habe sich der Gedanke, dass hier eine Plattform aufgebaut werden soll, noch nicht so ganz durchgesetzt, fasst Edelmann zusammen. Und außerdem: "Mit dem Gateway kann ich mehr als nur Strom ablesen, hier ist noch Überzeugungsarbeit nötig."
Saarlouis geht voran
Geht es um den Rollout, reagiere "eher Abscheu und Entsetzen", macht Wolfgang Müller, Geschäftsführer der Stadtwerke Saarlouis aus. Nur ganz wenige sagen, "das ist interessant, das ist die Zukunft, damit beschäftigen wir uns".
Die saarländische Stadt plant den Vollrollout ihrer 25 000 Stromzähler. "Wir vernetzen das Stadtwerk intelligent mit allen Kunden." Dazu hat das Stadtwerk einen außergewöhnlichen Weg gewählt: Alle Gateways werden in die Ortsnetzstationen gehängt, das sind etwa 200 Stück. Die Kommunikation läuft über ein sogenanntes Mesh-System der Mannheimer Firma Hausheld AG, an der die Stadtwerke beteiligt sind und die sich um den Einbau der Geräte kümmert. Künftig sollen dann die E-Mobilität, Verbundangebote, Prosumer, Verbrauchsvisualisierung und zeitvariable Tarife unter anderem in das neue Messwesen integriert werden. Und das alles innerhalb der Preisobergrenze, wie Müller betont. "Das ist die Chance: So kann das Stadtwerk in der Stadt die Digitalisierung anführen." (Mehr dazu auch in der aktuellen gedruckten ZfK)
Neue moderne Messeinrichtung
Innogy Metering indes plant eine neue moderne Messeinrichtung. Die aktuelle mit Taschenlampe sei wie "Pizzaservice, bei dem man die Pizza dann aber selbst abholen muss", moniert der Geschäftsführer von Innogy Metering, Oliver Schmitt.
Die meisten Kunden, die sich zwar für das neue Messwesen interessiert hätten, seien nicht wirklich von diesem Zähler begeistert gewesen. Durch die hohen Datenschutz- und -sicherheitsbestimmungen ziehe Deutschland daraus den Schluss, "wenn es nicht sicher ist, machen wir die Daten gar nicht verfügbar", so Schmitt. Das könne nicht die Lösung sein.
Innogy habe daher eine Lösung, die sicher, wirtschaftlich und bestandsanlagentauglich sowie einfach sei – und zwar für Kunden mit einem Verbrauch unter 6000 kWh – immerhin 80 Prozent der Kunden –, die ihre Messwerte mit dem neuen System trotzdem sehen können. Ausgerollt werden soll die neue moderne Messeinrichtung von Dezember an und später auch den Verbrauch von Wärme, Gas und Wasser darstellen können. (sg)