Gas

Initiative H2vorOrt kritisiert Debatte über Rückbau der Gasnetze

Staatssekretär Graichen hatte Stadtwerke jüngst aufgefordert, den Rückbau der Gasinfrastruktur zu planen. Aus Sicht der Branche ist das der völlig falsche Ansatz: ohne Gasnetze keine Energiewende.
19.05.2022

Neuer Wein in alten Schläuchen: Das ist die Idee hinter der Umwidmung der Gasnetze.

Die Partner der Initiative H2vorOrt – 45 Unternehmen sowie der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW) und der Verband kommunaler Unternehmen (VKU), die an einer zügigen Transformation der Gasverteilnetze hin zur Klimaneutralität arbeiten – können die jüngst begonnene Debatte über einen Rückbau der Gas-Verteilnetze nicht nachvollziehen.

Aus Sicht von H2vorOrt würde ein solcher Rückbau die Dekarbonisierung des Energiesystems und damit auch den Weg zur Unabhängigkeit von fossilen Energieimporten erheblich verzögern und erschweren, wenn nicht gar nahezu unmöglich machen, heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung. Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und den damit verbundenen energiepolitischen Herausforderungen sei das Gebot der Stunde gerade nicht der Rückbau von Infrastrukturen, die bereits vorhanden und finanziert und vor allem vollständig für grüne Energieträger nutzbar sind, wie die Gasverteilnetze.  

Gasnetz umrüsten, nicht zurückbauen

Jürgen Grönner, Geschäftsführer der Westnetz GmbH und Mitglied der DVGW-Landesgruppe Nordrhein-Westfalen, ist angesichts der aktuellen Entwicklungen mehr denn je überzeugt, dass doe Gasverteilnetze so schnell wie möglich auf den Transport von grünen Gasen wie Wasserstoff vorbereitet werden müssen. „In den Kommunen und Regionen stellen wir fest: Die Motivation aller Akteure hat noch einmal einen enormen Schub erfahren – von den Kommunen über die vielen Tausenden Industrie- und Gewerbeunternehmen bis hin zu den Mitarbeitenden der Verteilnetzbetreiber."

Alle würden das Ihrige dazu beitragen wollen, den Weg zu vollständig klimaneutralen Gasverteilnetzen in Rekordzeit zu ebnen. "Ein Rückbau der Gasverteilnetze würde zur Folge haben, dass mehreren hunderttausend Unternehmen und Millionen Haushalten in Deutschland die Möglichkeit des zeitnahen Bezugs von grünen Molekülen vorenthalten würde. Dies ist nicht zielführend und widerspricht der Tatsache, dass der Bedarf an grünen Wasserstoffverteilnetzen rasant steigt", so Grönner.

Wie können wir schneller bei grünen Gasen einsteigen?

Auch Florian Feller, Vorsitzender von H2vorOrt, findet, dass eineDebatte über einen Ausstieg aus den Gasverteilnetzen aus volkswirtschaftlicher Sicht nicht nachvollziehbar ist. Statt eine Ausstiegsdebatte zu führen, sollte intensiver darüber gesprochen werden, wie der Einstieg bzw. der Umstieg auf die Nutzung grüner Gase noch schneller von Statten gehen kann.  "Die Gasverteilnetze repräsentieren ein erhebliches Vermögen der Kommunen und weiterer öffentlich-rechtlicher Körperschaften in Deutschland und sind damit mittelbar auch das Eigentum der Bürgerinnen und Bürger Deutschlands", so Feller.

Wenn man diese Netze nur mit extrem hohem Aufwand für die ausschließliche Nutzung mit grünen Gasen ertüchtigen könnte, wäre eine Rückbau-Diskussion sicher plausibel. "Aber es verhält sich umgekehrt: Die Nutzung der vorhandenen Gasnetzinfrastruktur verursacht perspektivisch EU-weit jährlich um 41 Milliarden Euro geringere Kosten als der Neuaufbau der notwenigen Infrastrukturen, die es bräuchte, um die heute an die Gasnetze angeschlossenen Industrie- und Gewerbebetriebe, Haushalte und öffentlichen Einrichtungen anderweitig zu versorgen", kritisiert Feller ebenso. Wenn die Transformation zur Klimaneutralität, zur Unabhängigkeit von fossilen Energieimporten und damit zur Energiesouveränität für alle möglichst bezahlbar ausgestaltet werden soll, spreche alles dafür, die vorhandenen Netzinfrastrukturen weiter zu nutzen, führt er aus. Das Bündnis hat im März mit dem Gasnetzgebietstransformationsplan einen deutschlandweiten Prozess initiiert, um diese Transformation auf Verteilnetzebene strukturiert und koordiniert voranzubringen. (amo)