Strom

Supraleiter fürs Übertragungsnetz

Noch kamen Supraleiter nie in der 380-kV-Höchstspannungsebene in Deutschland zum Einsatz. Eine Machbarkeitsstudie zeigt nun, dass die Technologie eine Alternative für herkömmliche Leistungskabel auf kurzen Netzabschnitten sein könnte.
28.06.2018

In den USA wurde beim Netzbetreiber LIPA auf Long Island bereits 2008 eine 600 Meter lange Supraleiter-Pilotanlage mit 138 kV im Hochspannungsbereich in Betrieb genommen. In Korea hat der Kabelhersteller LS Cable derzeit eine 154 kV Kabelstrecke über mehr als einen Kilometer aufgebaut, in Japan wurde eine 275 kV Installation durch den Hersteller Furukawa Electric erfolgreich demonstriert. In Europa hat der Kabelhersteller Nexans ein supraleitendes HGÜ

System für 200 kV qualifiziert. Für die 380-kV-Ebene gibt es indes noch keine Erfahrungen in der Praxis mit Supraleitern.

 

3500 Kilometer neue Übertragungsnetze entstehen in Deutschland, um den Strom aus Windenergie von Norden nach Süden zu transportieren. Vor allem in der Nähe von Städten und Dörfern werden in Pilotprojekten Erdkabel verwendet. Mit supraleitetenden Kabelsystemen in einigen Abschnitten, würden sich erhebliche Vorteile gegenüber konventionellen ergeben. Das ist das Ergebnis einer Machbarkeitsstudie, die das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) im Rahmen des Kopernikus-Projekt Ensure zurzeit mit Übertragungsnetzbetreiber Tennet durchführt.

Unter Supraleitern versteht man Kabel,  die beim Unterschreiten einer bestimmten Temperatur, keinen elektrischen Widerstand mehr aufweisen und somit Strom nahezu verlustfrei leiten. Im Gegensatz zu konventionellen Tieftemperatur-Superleitern, die auf mindestens minus 250 Grad Celsius heruntergekühlt werden müssen, reichen bei Hochtemperatur-Supraleiter  minus 196 Grad. Erreicht werden die Minusgrade mit flüssigem Stickstoff – eine relativ kostengünstige Variante.

Kabelanlage für eine Dauerleistung von 2300 MW konzipiert

Das KIT hat bereits Erfahrungen mit dem Praxiseinsatz der Surpaleittechnologie mit "AmpaCity" in Essen 2014 gesammelt. Mit über einem Kilometer Länge gilt es als das längste Hochtemperatursupraleiterkabel der Welt. Allerdings ist hier die Spannungsebene von elf Kilovolt (kV) betroffen. In der Höchstspannung bei 380 kV ist die Supraleittechnik allgemein noch nie eingesetzt worden, sagt Mathias Noe, Professor am Institut für Technische Physik (ITEP) des KIT.

"Mit unseren neuen Kabelkonzepten konnten wir nun in der Machbarkeitsstudie nachweisen, dass es technologisch grundsätzlich möglich ist", so Noe. Die Kabelanlage wird für eine Dauerleistung von 2300 MW konzipiert und weist bei hoher Strombelastung deutlich geringere Verluste als eine vergleichbare Freileitung oder herkömmliche Kabel mit einem Leiter aus Kupfer auf. Die Studie soll bis zum Ende des Jahres abgeschlossen sein und auch ökologische und ökonomische Abwägungen enthalten.

Platzsparende Variante

Auch beim Trassenbau könnte die Supraleittechnologie Vorteile mit sich bringen. "Bei einer herkömmlichen Kabelanlage im Übertragungsnetz benötigen wir zwölf Drehstromkabel", erklärt Hanno Stagge, der das Projekt bei Tennet betreut. Eine supraleitende Kabelanlage hingegen könnte dieselbe Leistung mit sechs Kabeln übertragen. Die Trassenbreite würde sich so deutlich reduzieren.

Ein weiterer Vorteil: Aufgrund des Aufbaus der Kabel wird der Stromfluss in der elektrischen Schirmschicht kompensiert. Außerhalb des Kabels existiert daher kein Magnetfeld, so dass sich das Kabel emissionsfrei betreiben lässt. Bis zur Einsatzreife ist es jedoch noch ein weiter Weg: "Im Anschluss an die Studie muss das Kabel samt der nötigen Verbindungsmuffen und Endverschlüsse zunächst gefertigt und anschließend zusammen mit einer Kühlanlage intensiv getestet werden", so Stagge vom KIT. Dabei müsse auch die Frage der Vorlaufzeit geklärt werden. (sg)