Deutschland

Gutachten: Klimapaket spart viel CO2 – es reicht aber nicht

Die Kritik am Klimapaket war vernichtend. Nun haben Experten berechnet: Der Treibhausgas-Ausstoß dürfte damit zwar deutlich sinken, es reicht aber tatsächlich nicht für die Klimaziele. Für diesen Fall gibt es inzwischen neue Regeln.
05.03.2020

Das Klimapaket der Bundesregierung reicht längst nicht aus, um die Klimaziele bis 2030 zu erreichen. Es muss nachjustiert werden.

Das Klimaschutzpaket der schwarz-roten Koalition reicht nach Berechnungen im Auftrag der Bundesregierung nicht, um die Ziele Deutschlands bis 2030 zu erreichen. Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) fordert deswegen mehr Anstrengungen im Klimaschutz, vor allem im Verkehr.

Wie die Deutsche Presse-Agentur aus Regierungskreisen erfuhr, dürfte mit dem Klimaschutzprogramm 2030 der Treibhausgasausstoß in den kommenden zehn Jahren - je nach Gutachten - um 51 oder 52 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken. Ziel ist eine Minderung von 55 Prozent. Sowohl Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) als auch Schulze hatten Experten beauftragt, die Wirkung der neuen Vorgaben und Förderprogramme zu berechnen.

Beschwichtigung und Kritik

«Es gibt ein paar Problemfälle», sagte Schulze am Donnerstag in Brüssel am Rande eines EU-Umweltministertreffens. «Wir sind im Verkehrsbereich noch nicht an dem Ziel, was wir erreichen müssen. Da muss noch mehr getan werden, da wird das Klimakabinett jetzt wieder zusammenkommen müssen.» Gleichwohl belegten die Gutachten Fortschritte bei der Vermeidung von Klimagasen, bei Abfallentsorgung, Industrie und Energieversorgung. «Das ist erstmal eine gute Nachricht», fügte sie hinzu.

Ganz anders sieht das Simone Peter, Präsidentin des BEE: "Die Bundeskanzlerin muss beim Erneuerbaren-Gipfel am 12. März endlich ein Machtwort sprechen und den Ausbau Erneuerbarer Energien beschleunigen, deren Einsatz im Wärme- und Verkehrsbereich umfassend mobilisiert und im Stromsektor fortgesetzt werden muss. Alles andere stellt die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung grundsätzlich in Frage."

VKU: Bei Wärmewende alle Optionen offen halten

Das Gutachten dürfe nicht Anlass geben, dass sich die Politik beim Energiesektor zurücklehnt, erklärte der stv. VKU-Hauptgeschäftsführer Michael Wübbels. Das Ziel – 65 Prozent EE und Kohlereduzierung bis 2030 – sei klar. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen zum Ausbau seien jedoch immer noch nicht geklärt. Hier müsse die Bundesregierung zügiger arbeiten. "Dazu gehört, die Windenergie aus der Krise zu führen, den Kohleausstieg rechtssicher zu gestalten sowie den KWK-Ausbau und die Wärmewende voranzubringen. Gerade bei letzterer sollten wir uns sämtliche Optionen offen halten. Daher sollte unbedingt auch die Wärmeversorgung Teil der angekündigten Wasserstoffstrategie sein", erklärte Wübbels. Ansonsten blieben die Berechnungen der Gutachter nur ein Wunschszenario. 

Gebäudesektor ist ebenfalls Hauptbaustelle

Laut Gutachten würde Deutschland ohne das Klimaschutzprogramm, auf das Union und SPD sich nach monatelangen Verhandlungen im Herbst geeinigt hatten, bis 2030 seine Treibhausgas-Emissionen nur um 41 Prozent senken im Vergleich zu 1990. Im vergangenen Jahr waren nach ersten Berechnungen rund 35 Prozent geschafft - amtliche Zahlen dazu kommen bald. Die Zielmarke für 2020 waren eigentlich 40 Prozent.

Nach einem Bericht des «Spiegels» (Mittwoch) reichen die Maßnahmen vor allem im Verkehr und im Gebäudebereich, also beim Heizen, nicht aus. Beim Verkehr gibt es demnach eine Lücke von 30 bis 33 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten pro Jahr. In diese Einheit werden alle Treibhausgase umgerechnet.

Kritik an Scheuer

Das Verkehrsministerium teilte mit, Minister Andreas Scheuer (CSU) habe die «Nationale Plattform Zukunft der Mobilität» gebeten, die Gutachten mit Blick auf den Verkehrssektor auszuwerten. Es solle festgestellt werden, wie sich die bereits getroffenen Maßnahmen zur Erfüllung der «ambitionierten Klimaziele» im Verkehr weiter beschleunigen und ausbauen ließen. Scheuer hatte sich bereits dafür ausgesprochen, dass es deutlich mehr Dynamik brauche: «Klimaschutz ist ein laufender Prozess und unsere Überlegungen sind mit dem Klimapaket noch lange nicht abgeschlossen.»

Die Opposition erneuerte ihre Kritik an Scheuer. Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag, der Grünen-Politiker Cem Özdemir, sagte der dpa, Scheuers Klimapolitik sei «Arbeitsverweigerung». Schulze habe offenbar nicht die Autorität, ihren Kabinettskollegen zum Abliefern zu bewegen. «Wenn wir den Durchbruch bei E-Mobilität schaffen wollen, müssen wir ran an die Subventionen für Dieselkraftstoff und wir brauchen ein wirksames Bonus-Malus-System in der Kfz-Steuer, damit Spritschlucker zahlen und klimaneutrale Fahrzeuge einen dicken Bonus bekommen», sagte Özdemir. Der Grünen-Verkehrspolitiker Oliver Krischer bezeichnete die Gutachten zum Klimapaket als «blaue Briefe». Es müsse nun nachgelegt werden.

Entwurf zur spritabhängigen KfZ-Steuer

Zum Klimaschutzprogramm gehören etwa der CO2-Preis, der ab 2021 Heizöl, Sprit und Erdgas nach und nach teurer machen soll, eine Austauschprämie für Ölheizungen, günstigere Steuern auf Bahntickets seit Jahresanfang und höhere auf Flugtickets ab April. Manches ist auch noch offen: Die Kfz-Steuer soll sich stärker nach dem Spritverbrauch und damit dem CO2-Ausstoß richten, dafür soll Finanzminister Olaf Scholz (SPD) einen Entwurf vorlegen.

Ziel des Programms war es, die Klimaziele für 2030 zu erreichen - dafür reicht es aber den Gutachten zufolge nicht. Klimaschützer hatten die Kompromisse heftig kritisiert, weil etwa der CO2-Preis zu niedrig sei und weil parallel die Pendlerpauschale steigen soll. Deutschland reißt bereits verbindliche EU-Vorgaben für den Treibhausgas-Ausstoß und muss deswegen wohl bald für viel Geld Verschmutzungsrechte anderer Staaten kaufen. Nicht ganz klar ist auch, ob es beim 55-Prozent-Ziel für 2030 bleibt. Schließlich will die EU ihr Ziel erhöhen. Wie genau, darüber wird nun verhandelt.

Debatte um Tempolimit könnte weitergehen

Mit dem Klimaschutzgesetz gibt es in Deutschland seit Kurzem neue Regeln fürs Einsparen von Treibhausgasen. Ab diesem Jahr existieren für Bereiche wie Industrie, Energie, Landwirtschaft und auch Verkehr einzelne, vorgeschriebene CO2-Budgets. Wenn die nicht eingehalten werden, muss der Fachminister nachsteuern - dies trifft vor allem auf Scheuer zu. Gut möglich ist nun, dass die Debatte ums Tempolimit weitergeht. Denn höchstens Tempo 130 auf Autobahnen würde knapp zwei Millionen Tonnen CO2 einsparen, wie das Umweltbundesamt gerade berechnet hat. (dpa/ls)