Deutschland

Rufe nach einem Vorziehen der Gaspreisbremse werden lauter

Vor einer endgültigen Entscheidung will die Regierung mit den Versorgern reden. Immer mehr Stimmen aus der Politik fordern zudem eine Entlastung auch bei Öl und Pellets.
21.10.2022

Die Gaspreisbremse ist beschlossene Sachen. Um ihre konkrete Ausgestaltung wird zwischen Bund und Ländern aber noch gerungen.

Bürgerinnen und Bürger und kleinere Firmen können angesichts hoher Energiepreise möglicherweise darauf hoffen, von der geplanten Gaspreisbremse früher als im März profitieren zu können. Kanzler Olaf Scholz (SPD) kündigte an, er wolle einen Starttermin zum 1. Januar ausloten und dazu mit den Energieversorgern beraten.

«Das wird nur in einem großen Schulterschluss in Deutschland gelingen», sagte er am Wochenende bei einem Treffen mit der Handwerkersbranche in München. «Den organisieren wir gerade, um die Fragen zu diskutieren, wie das geht.»
 

Scholz schloss eine Entscheidung über einen früheren Start der Gaspreisbremse zum 1. Januar ohne vorherige Konsultationen mit den Energieversorgern aus. Zugleich äußerte es sich optimistisch, dass die Preisbremse in Kürze von EU-Seite genehmigt wird: «Da sind wir ganz zuversichtlich, dass wir in den nächsten Tagen das Go für unsere Unterstützungsleistungen endgültig bekommen.»

Scholz: Keine Entscheidung ohne Versorger

Bayerns Handwerkspräsident Franz Xaver Peteranderl hatte gefordert: «Wir brauchen genau wie die Industrie diesen Preisdeckel schon zum 1.1.» In seiner Replik sicherte Scholz zu: «Wir gehen das alles jeden Tag noch fünf Mal durch.»

Der Kanzler schränkte jedoch ein: «Was wir nicht machen, ist zu beschließen, das klappt am 1. Januar; und dann sagen die Unternehmen, die das herstellen müssen, die Versorgungsunternehmen, das klappt aber nicht.»

Wie Scholz versprach am Wochenende auch Bundesfinanzminister Christian Lindner Bürgerinnen und Bürgern eine schnellstmögliche Entlastung bei den hohen Energiepreisen, ließ ein Vorziehen der Gaspreisbremse aber offen. «Wir wissen zur Stunde nicht, ob das technisch möglich ist», sagte der FDP-Chef am Sonntag in der ARD-Sendung «Bericht aus Berlin».

Auch Länder machen sich für Vorziehen auf Januar stark

Die Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) hatte  am Freitag gefordert, die Gaspreisbremse schon zum 1. Januar einzuführen. In dem MPK-Beschluss heißt es, eine unterbrechungsfreie Unterstützung sei erforderlich.

Sofern Energieversorger technisch nicht in der Lage sein sollten, ihre Abrechnungssysteme bereits zum 1. Januar umzustellen, könnte die Frist zum 1. März verlängert werden - müsste dann aber rückwirkend zum 1. Januar greifen und bereits bei der Kalkulation der Abschläge für Januar und Februar berücksichtigt werden.

VKU-Chef Liebing: "Wer es schneller will, muss es einfacher machen"

„Wenn es schneller gehen soll, muss es eine einfachere Lösung geben. Je komplexer, desto aufwändiger“, kommentierte VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing in einer Pressemitteilung. Der VKU habe frühzeitig pragmatische Vorschläge für eine schnellere Lösung, etwa durch pauschalen Rabatt/Discount auf die kWh gemacht. „Wer es schneller will, muss es einfacher machen“, so Liebing.

Länder fordern erneut einen Schutzschirm für Stadtwerke

Die Chefinnen und Chefs der Länder hatten sich auf ihrer zweitägigen Konferenz in Hannover zudem für die Einrichtung eines von Bund und Ländern gemeinsam getragenen Schutzschirms für Stadtwerke und kommunale Energieversorger stark gemacht. Sie folgten damit dem Appell der Verbände BDEW, VKU und der kommunalen Spitzenverbände von Mitte vergangener Woche.

Als mögliche Instrumente wurden beispielsweise Bürgschaftsprogramme für Beschaffungsprobleme im außerbörslichen Handel oder eine durch den Bund abgesicherte Forderungsausfallversicherung nach dem Vorbild der staatlich abgesicherten Warenkreditversicherung  genannt. Um Vorfinanzierungsbedarfen gerecht zu werden, plädieren die 16 Länder-Regierungschefinnen und -Regierungschefs außerdem für staatliche Liquiditätshilfen und ein befristetes Insolvenzmoratorium.

Der Verbände VKU und BDEW begrüßten ausdrücklich das neuerliche Bekenntnis der Länder. Der BDEW forderte zudem, dass der Schutzschirm neben kommunalen auch privatwirtschaftlichen Energieversorgern offen stehen solle.

Ministerium: Preisbremsen für Gas und Strom zusammen denken

Das Bundeswirtschaftsministerium betonte am Wochenende, dass bei der Entlastung von Bürgern und Unternehmen angesichts der hohen Energiepreise die geplanten Preisbremsen für Gas und Strom zusammen gedacht werden müssten. «Das ist systematisch wichtig, weil bei Strom und Gas zentralisierte Netz- und Versorgerstrukturen vorhanden sind und so eine breite Adressierung möglich ist», teilte das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz am Sonntag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit.

Bei den dezentralen Märkten für Mineralölprodukte, Holz oder Kohle sei das so nicht möglich, so dass dort nicht das gleiche Instrument greifen könne.

Die Bundesregierung arbeite aktuell an der Umsetzung der Gas- und Strompreisbremse und prüfe auch die verschiedenen flankierenden Maßnahmen, die die Expertenkommission Gas vorgeschlagen habe. Richtig sei aber, dass die Steigerung bei den Gaspreisen aktuell sowohl für Verbraucherinnen und Verbraucher wie auch für die Wirtschaft die höchste Kostenbelastung sei - nochmal höher als bei Strom oder bei anderen Produkten wie Öl, Holzpellets oder Kohlebriketts. «Daher liegt hier auch ein Schwerpunkt der Maßnahmen.»

Klingbeil: Schnelle Beratung des Bundestags im November

SPD-Chef Lars Klingbeil sagte im Deutschlandfunk, die vorgeschlagene Abschlagszahlung im Dezember und Subventionierung ab März 2023 griffen zu kurz: «Was machen wir eigentlich in der Phase Januar/Februar», fragte er. «Muss man da nicht auch etwas finden, um den Unternehmen und vor allen Dingen den Bürgerinnen und Bürgern noch mal stärker unter die Arme zu greifen?» Das werde den Bundestag «in kurzen, schnellen Beratungen im November» beschäftigen.

SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch forderte in der «Bild am Sonntag»: «Wir brauchen auch Lösungen für den Januar und Februar sowie Härtefalllösungen für andere Energieträger wie etwa Öl.» Er setzt auf Änderungen am Gesetzentwurf im parlamentarischen Verfahren.

Handwerk will «Härtefallbrücke» für Januar und Februar

Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer sagte der «Neuen Osnabrücker Zeitung», die Vorschläge der Expertenkommission seien gut, aber für energieintensive Betriebe zu wenig und zu spät. «Wir müssen für Januar und Februar eine Härtefallbrücke bauen. Unser Vorschlag ist, dass der Staat für Januar und Februar die Hälfte des Abschlags bei Strom und Gas übernimmt.» Betroffen seien vor allem Bäcker, Konditoren, Metzger, Brauer, Galvaniseure, Oberflächenveredler, Textilreiniger und Kfz-Werkstätten.

Wüst und diverse Politiker der Ampel für Entlastungen auch bei Öl und Pellets

Unterdessen mehren sich die Stimmen aus der Politik, die auch eine Entlastung der Bürgerinnen und Bürger fordern, die mit Öl und Holzpellets heizen. «Es darf am Ende keine Spaltung geben im Land entlang der Energiequellen», erklärte NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU).

Mehrere Politiker der Ampel-Fraktionen hatten zuvor im Bundestag bereits angedeutet, dass sie das unterstützen würden. «Wir wissen, dass auch andere Energieträger spürbar teurer geworden sind. Darum arbeiten wir auch hier an Lösungen, um Härtefälle abzufedern», sagte etwa die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Katja Mast. Laut SPD-Franktionsvorsitzendem Rolf Mützenich ist das auch die Haltung der SPD-Bundestagsfraktion.

Bundestag gibt grünes Licht für 200-Milliarden-Kredite

Der Bundestag hat am Freitag Kredite von 200 Milliarden Euro genehmigt, mit denen die dramatisch gestiegenen Energiepreise gebremst werden sollen. Nach einem Beschluss der Abgeordneten darf der Wirtschaftsstabilisierungsfonds, ein Sondertopf außerhalb des Bundeshaushalts, nun diese Schulden aufnehmen. Nach dem Bundestag muss auch der Bundesrat zustimmen.

Die Kredite sollen den Plänen der Bundesregierung zufolge bis 2024 ausreichen, aber noch in diesem Jahr aufgenommen werden. (dpa/hoe)