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Agora Energiewende: EU soll Klimaziele für 2030 erhöhen

Die Berliner Denkfabrik schlägt Brüssel zehn Maßnahmen vor, mit denen ehrgeizigere Klima- und Energieziele erreicht werden könnten.
07.03.2019

Bis 2030 müssen die Länder der Europäischen Union erhebliche Anstrengungen unternehmen, um die EU-Klima- und Energieziele zu erreichen.

Im Jahr 2020 steht für die Europäische Union eine erste Überprüfung der EU-Klima- und Energieziele im Rahmen des Pariser Abkommens an. "Dies ist ein entscheidender Moment für die globale Klimadiplomatie. Und die Frage ist nicht, ob die EU ihre Klimaziele für 2030 erhöhen sollte, sondern um wieviel", sagte Matthias Buck, Leiter Europäische Energiepolitik bei Agora Energiewende, am Donnerstag in Brüssel. "Wir schlagen vor, dass sich die EU zu einer 50-prozentigen Verringerung der Treibhausgase gegenüber 1990 verpflichten sollte. Davon könnten bis zu vier Prozentpunkte durch internationale Kooperationsmechanismen im Rahmen des Pariser Abkommens erreicht werden. Dieses um zehn Prozentpunkte ambitioniertere Ziel würde es der EU ermöglichen, den Weg zur Emissionsfreiheit bis 2050 einzuschlagen", so Buck.

Bisher ist für Brüssel der Plan, bis zum Jahr 2030 die Treibhausgasemissionen um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 zu reduzieren, den Primärenergieverbrauch um mehr als ein Viertel gegenüber 2005 zu verringern sowie den Erneuerbaren-Anteil am gesamten Endenergieverbrauch auf fast ein Drittel zu steigern.

Verbindlicher "Schattenpreis" für CO2-Emissionen

In einer neuen Studie "European Energy Transition 2030: The Big Picture" schlägt Agora Energiewende der künftigen EU-Kommission sowie dem im Mai neu zu wählenden Europaparlament eine Liste von zehn Maßnahmen vor, um den Klimaschutz voranzutreiben. So soll ein ständiger Ausschuss für die Europäische Energiewende im EU-Parlament eingerichtet sowie ein neuer Dienst bei der EU-Kommission geschaffen werden, der Mitgliedstaaten dabei hilft, konkrete Energiewende-Herausforderungen zu bewältigen. Etwa bei der Gebäudesanierung oder beim kostengünstigen Erneuerbaren-Zubau. Der europäische Beihilferahmen soll überarbeitet werden, um nationale Energiewendemaßnahmen stärker zu unterstützten.

Zudem schlägt Agora einen verbindlichen "Schattenpreis" für CO2-Emissionen vor, der in allen Infrastruktur- und Investitionsentscheidungen einbezogen wird. Dieser – nicht direkt zu bezahlende – Schattenpreis wird bei Aufträgen in die Kalkulation miteinbezogen, um die Entscheidung bei der Auftragsvergabe zu beeinflussen.

Elektrolysekapazitäten von mindestens 30 Gigawatt

Darüber hinaus fordern die Agora-Experten eine frühzeitige Verschärfung der CO2-Pkw-Verordnung, um das technisch machbare Potenzial für Emissionsminderungen im Individualverkehr auszureizen und die Einführung der Elektromobilität zu beschleunigen. Im Güterverkehr plädiert Agora dafür, die neuen CO2-Emissionsstandards für Lkw bereits 2022 zu verschärfen und um eine Quote für emissionsfreie Lastwagen zu ergänzen. Zudem benötigten die Mitgliedsstaaten mehr Spielraum, um Straßenbenutzungsgebühren an den Kosten von CO2-Emissionen ausrichten zu können. Auch müsse die nächste EU-Kommission ein Gesetzespaket zur schrittweisen Dekarbonisierung von Treibstoffen in der Schifffahrt und im Flugverkehr vorlegen.

Weitere Punkte der Agora-Agenda: Eine wettbewerbsfähige und umweltverträgliche europäische Batterie-Industrie müsse durch verbindliche Mindestanforderungen an die CO2-Bilanz von in Europa verkauften Batterien unterstützt werden. Eine EU-weite verbindliche Quote für die Beimischung von Gas aus erneuerbaren Quellen soll die Dekarbonisierung des Industriesektors vorantreiben und Investitionen in Elektrolysekapazitäten von mindestens 30 Gigawatt in Europa bis 2030 absichern. Nach dem Vorbild Kaliforniens will Agora auch in Europa alle öffentlichen Bauträger verpflichten, schrittweise bei allen öffentlichen Bauvorhaben CO2-arm hergestellten Zement und Stahl einzukaufen. Die Studie benennt auch konkrete, aus Sicht der europäischen Energiewende notwendige Anforderungen, an den im Gesetzgebungsverfahren befindlichen EU-Haushalt für die Jahre 2021 bis 2027.

Bis 2025 eine Million Gebäude energetisch sanieren

"Die zehn Maßnahmenpakete würden dafür sorgen, dass die umfangreichen europäischen Vorgaben für nationale Energiewenden tatsächlich umgesetzt werden", so Buck.

Schließlich empfiehlt das Agora-Papier der EU-Kommission vier "Flaggschiff-Projekte", um das Saubere-Energie-für-alle-Europäer-Paket umsetzen zu können. So sollen bis zum Jahr 2025 sowohl eine Million Gebäude mit industriellen Methoden energetisch saniert als auch EU-weit zehn Millionen Dächer neu mit Solaranlagen ausgestattet werden. Zudem müssten Fernwärme und -kühlung in ganz Europa gefördert sowie in den heutigen Kohleregionen Programme für eine sozial gerechte Energiewende aufgelegt werden – ähnlich wie im deutschen Kohlekonsens bereits vereinbart. (hil)