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Flächendeckendes Sofortprogramm für Übertragungsnetze

Eine Studie von Agora Energiewende listet einfache technische Optimierungen am Stromnetz auf, die Netzeingriffe vermindern und die Funktion des Strommarkts deutlich verbessern. Diese seien Stand der Technik. Vorgestellt werden auch Langfristoptionen.
09.01.2018

Laut der Studie „Toolbox für die Stromnetze“ ist eine erhebliche Ausweitung der Transportkapazitäten der Stromübertragungsnetze möglich. Durch diese Netzoptimierung lasse sich die Zeit bis zur Fertigstellung der großen Stromautobahnen Mitte der 2020er-Jahre überbrücken, ohne den Ausbau erneuerbarer Energien zu verlangsamen, teilt Agora Energiewende dazu mit. Gleichzeitig würden die Kosten für den Redispatch von Kraftwerken – Eingriffe der Netzbetreiber in den Betrieb von Kraftwerken – begrenzt. 
Die Studie unterscheidet zwischen kurzfristigen bis 2020 umsetzbaren und langfristigen ab 2030 umsetzbaren Maßnahmen.

Als kurzfristige Maßnahmen werden genannt:

  • Freileitungsmonitoring (FLM) und Hochtemperaturleiterseile (HTLS):  Beim FLM werden die Temperatur oder der Durchhang der Leitung beobachtet. Zudem wird der maximal zulässige Strom dynamisch angepasst. Der Einsatz von HTLS ermögliche etwa 50 bis 100 Prozent mehr Übertragungskapazität als herkömmliche Leiter, heißt es in der Studie.
  • Lastflusssteuerung im Übertragungsnetz: Dies verlagert Strom von einer überlasteten Leitung auf eine nicht ausgelastete.
     

Als langfristige Maßnahmen werden genannt:

  • Netzdienlicher Einsatz von Speichern: Die Errichtung neuer Speicher am Übertragungsnetz sind laut Studie aufgrund hoher Speicherkosten und niedriger Spreads derzeit nicht sinnvoll. Dies sehe auf Verteilnetzebene anders aus. Dadurch ergebe sich ein Zusammenspiel zwischen Verteil- und Übertragungsnetz.
  • Online Dynamic Security Assessment für die Netzleitstelle: Das Tool beurteilt die dynamische Netzsicherheit. Diese Echtzeitanalyse der Netzstabilität ermögliche den aktuellen Zustand zu berücksichtigen und benötige keine langfristigen Vorhersagen.
  • Weiterentwicklung des (n-1)-Kriteriums und weitere Automatisierung der Systemführung: Dies ermöglichte eine höhere Auslastung der Betriebsmittel des Netzes und stellte sicher, dass bei einem Ausfall von Betriebsmitteln weiterhin keine Grenzwertverletzungen oder Versorgungsunterbrechungen auftreten.


Zu den kurzfristigen Maßnahmen betont der Direktor von Agora Energiewende, Patrick Graichen: Diese seien „Stand der Technik“ und würden nur noch nicht flächendeckend eingesetzt. Es gehe jetzt darum, rechtliche und regulatorische Hindernisse zu beseitigen, um mehr aus den bestehenden Netzen herauszuholen. „Ziel muss es sein, schon 2020 deutlich mehr Strom durch unser Bestandsnetz zu transportieren, weil der dringend notwendige Ausbau der Stromautobahnen erst nach 2025 abgeschlossen sein wird“, sagt der Agora-Chef.

Die nächste Stufe

Die langfristigen Maßnahmen gelten als nächste Stufe der Netzoptimierung. Laut Studie können durch eine weitere Digitalisierung mit automatisierter Systemführung der Stromübertragungsnetze, drohende Netzengpässe dann in Echtzeit verhindert werden. Beispielsweise lasse sich so die Zahl der Netzeingriffe, die möglicherweise unnötig sind, aber dennoch vorsichtshalber durchgeführt würden, vermindern. Graichen sieht hier schon ganz neue Potenziale: Durch die automatisierte Betriebsführung sei es perspektivisch möglich, den bisher für die Zeit nach 2035 geplanten zusätzlichen Netzausbau fast vollständig zu ersetzen. (mn)


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