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Vor Nord-Stream-1-Wartung: Kreml macht Hoffnung und droht kurz danach massiv

Diesen Montag beginnen die jährlichen Wartungsarbeiten an der Ostseepipeline. Kanada will die Lieferung der benötigten Turbine trotz Sanktionen gegen Russland ermöglichen.
08.07.2022

Russlands Präsident Wladimir Putin

Die zuletzt wichtigste Verbindung für russisches Erdgas nach Deutschland wird am Montagmorgen abgeschaltet. Grund sind jährlich wiederkehrende Wartungsarbeiten an der Ostseepipeline Nord Stream 1, die der Betreiber bereits vor längerer Zeit angekündigt hatte.

Das russische Staatsunternehmen Gazprom hatte im Juni bereits die Liefermenge durch die mehr als 1200 Kilometer lange Pipeline von Russland nach Mecklenburg-Vorpommern deutlich gedrosselt - und das auch mit dem Fehlen einer Turbine von Siemens Energy begründet, die wegen der Sanktionen nach abgeschlossener Wartung nicht mehr aus Montréal nach Russland geliefert werden konnte. Derzeit wird die Leitung laut Bundesnetzagentur nur zu etwa 40 Prozent ausgelastet.

Kanada hat inzwischen aber angekündigt, die Lieferung der gewarteten Turbine aus Montréal trotz der Sanktionen gegen Russland zu ermöglichen. Dazu werde Kanada «eine zeitlich begrenzte und widerrufbare Erlaubnis» an Siemens Canada geben, sagte der für Bodenschätze zuständige Minister Jonathan Wilkinson am Samstag. Die Turbine soll aus Kanada erst nach Deutschland und anschließend nach Russland geliefert werden.

Ukraine kritisiert Kanada für Sanktionsausnahme bei Turbine

Kanada hatte argumentiert, ohne die nötige Gasversorgung würde die deutsche Wirtschaft sehr leiden und die Deutschen wären möglicherweise nicht in der Lage, im Winter ihre Wohnungen zu heizen. Man wolle dafür sorgen, dass Europa «Zugang zu zuverlässiger und erschwinglicher Energie» habe, während es sich langsam von russischem Öl und Gas löse.

Die Ukraine hat am Sonntag gegen die geplante Lieferung der gewarteten russischen Nord-Stream-1-Turbine von Kanada nach Deutschland protestiert. Man sei «zutiefst enttäuscht» über die Entscheidung der kanadischen Regierung, in diesem Fall eine Ausnahme von den gegen Russland verhängten Sanktionen zu machen, hieß es in einer am Sonntag veröffentlichten Erklärung von Außen- und Energieministerium in Kiew. «Wir fordern die kanadische Regierung auf, diese Entscheidung zu überdenken und die Integrität des Sanktionssystems sicherzustellen.»

Kremlsprecher stellt Zunahme der Gaslieferungen in Aussicht

Kremlsprecher Dmitri Peskow hatte am Freitag der Agentur Interfax gesage, Russland wolle im Fall einer Rückkehr seiner reparierten Turbine aus Kanada die Gaslieferungen durch den Doppelstrang wieder hochfahren.

"Wenn die Turbine nach der Reparatur kommt, dann erlaubt das eine Zunahme der Umfänge", wird er zitiert. "Die Frage ist nur, warum das nicht gleich so gemacht wurde." Peskow wies einmal mehr zurück, dass Russland sein Gas als politisches Druckmittel einsetze.

Peskow: Russland erfüllt alle Verpflichtungen

Mitte Juni hatte der russische Gaskonzern Gazprom seine Lieferungen über die Pipeline auf 40 Prozent der Kapazität gedrosselt und gleichzeitig seine Mengen etwa über die Alternativroute in der Ukraine nicht erhöht. Während Russland auf die fehlende Turbine verwies, stufte die deutsche Regierung das Vorgehen als politisch motiviert ein.

Es handele sich nicht um ausgedachte Reparaturarbeiten, sondern um planmäßig angesetzte Instandhaltungen, wiederholte Peskow nun. "Wir weisen voll und ganz jedwede Andeutungen oder direkte Mitteilungen zurück, dass die russische Seite Gas oder Öl als Waffe für einen politischen Druck benutzt." Russland erfülle alle Verpflichtungen gemäß der Verträge. "Und Russland ist vor allem in der Lage, die volle Energiesicherheit Europas zu gewährleisten."

Durch die Drosselung russischer Gaslieferungen durch Nord Stream 1 kletterten die Gaspreise im Großhandel weiter nach oben und erreichten diese Woche Werte von fast 200 Euro pro MWh. Zudem geriet Deutschlands  größter Gasimporteur Uniper in Turbulenzen und rief nach Staatshilfen.

Putin warnt Westen vor Ausweitung der Sanktionen

Die Probleme auf dem Gasmarkt könnten sich noch verschärfen. Die große Sorge ist, dass Russland nach der Wartung den Gashahn nicht wieder aufdreht.

Russlands Präsident Wladimir Putin hatte am Freitagabend im Falle einer Ausweitung der Sanktionen gegen sein Land mit weitreichenden Folgen für den Westen gedroht. «Eine weitere Anwendung der Sanktionspolitik kann zu noch schwerwiegenderen, ohne Übertreibung sogar zu katastrophalen Folgen auf dem globalen Energiemarkt führen», sagte Putin am Freitag der Agentur Interfax zufolge bei einem Treffen mit Regierungsvertretern. (dpa/aba/hoe)