Wasser

Wahlkampfthema Wasser: "Wir sollten nicht erst handeln, wenn der Druck akut ist"

Wasser ist "höchstes Gut", findet die Union. Ähnlich sehen das SPD und Grüne. Aber warum spielt das Thema im Wahlkampf nur eine untergeordnete Rolle? Ein Interview mit VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing.
14.02.2025

VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing

Die Anliegen der Wasserwirtschaft finden in diesem Bundestagswahlkampf eher wenig Beachtung. Die Union schreibt in ihrem Wahlprogramm, dass sie Trinkwasservorkommen besonders schützen und zur Reinhaltung von Gewässern auf das Verursacherprinzip setzen will. Die SPD verspricht eine Städtebauförderung zur Anpassung an den Klimawandel. Städte sollen dadurch besser Schwammstädte schaffen und Wasserflächen ausweiten können.

Am ausführlichsten äußern sich die Grünen. Auch sie plädieren dafür, dass die Verursacher für die Folgen von Wasserverschmutzung aufkommen. Konkret wollen sie stärker Hersteller von wassergefährdenden Stoffen in die Verantwortung nehmen. Die Grünen wollen zudem die finanziellen und personellen Bedingungen schaffen, um die Ziele der 2023 verabschiedeten Nationalen Wasserstrategie umsetzen zu können. Und was fordert die kommunale Wasserwirtschaft? Ein Interview mit VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing.

Herr Liebing, die Wasserversorger stehen vor einer doppelten Herausforderung: Sie müssen die Infrastruktur erneuern und sie für den Klimawandel ertüchtigen. Muss die Politik den Anliegen der Wasserwirtschaft größere Priorität einräumen?

Eindeutig ja. Die Ampel hat zwar mit der Nationalen Wasserstrategie Themen gesetzt. Aber wir müssen aus der Strategiephase zu konkreten Maßnahmen kommen.

Können Sie das konkretisieren?

Wir sprechen in der Wasserwirtschaft derzeit von jährlichen Investitionen in Höhe von rund neun Milliarden Euro. Wir werden aber deutlich mehr investieren müssen, um die bestehende Infrastruktur zu erneuern und an den Klimawandel anzupassen. Zum einen müssen wir für Dürrezeiten klimaresilienter werden. Gleichzeitig müssen wir in Starkregenvorsorge und Hochwasserschutz investieren, weil wir zu bestimmten Zeiten zu viel Wasser haben werden.

Von welchem Investitionsvolumen reden wir denn künftig und wer wird dafür zur Kasse gebeten?

Das ist Thema eines von uns in Auftrag gegebenen Gutachtens. Ziel ist es, den Investitionsbedarf der Wasserwirtschaft in den nächsten 10 bis 20 Jahren zu prognostizieren. Eines steht fest: Wir werden nicht alle Kosten über Entgelte umlegen können, wenn Wasser und Abwasser für alle bezahlbar bleiben sollen. Also müssen wir uns auch über Fördermöglichkeiten und Refinanzierung Gedanken machen.

Die nächste Bundesregierung wird die kommunale Abwasserrichtlinie in nationales Recht umsetzen müssen. Haben Sie die Befürchtung, dass diese Vorgabe auf nationaler Ebene im wahrsten Sinne des Wortes wieder verwässert wird?

Die Ziele sind gesetzt. Pharma- und Kosmetikunternehmen müssen sich künftig an den durch ihre Produkte verursachten Kosten der Abwasserbehandlung beteiligen. Das heißt: Sie werden mindestens 80 Prozent der Kosten tragen, die beim Ausbau und Betrieb der neuen, vierten Reinigungsstufe entstehen.

Das kann eine neue Bundesregierung nicht mehr infrage stellen. Wir müssen aber schon darauf achten, dass die Gestaltung in nationales Recht praktikabel gestaltet wird und der Umsetzungsaufwand realistisch bleibt.

Was verstehen Sie unter einer praktikablen Umsetzung?

Unsere Empfehlung ist es, es so einfach wie möglich zu organisieren und die Zahlungsströme aus den Investitionen und dem Betrieb der Abwasserentsorgung und deren Refinanzierung durch die Verursacher gerecht zusammenzubinden.

Warum spielt die Wasserversorgung im Vergleich zur Energiewirtschaft im politischen Berlin eine untergeordnete Rolle?

Ich sehe zwei Gründe dafür. Erstens gilt für die Wasserversorgung heute, was früher auch für die Energieversorgung gegolten hat: Sie ist nahezu zu 100 Prozent sicher und verlässlich. So war es immer. Es ist selbstverständlich, dass Wasser aus dem Wasserhahn kommt. Alles, was selbstverständlich ist, ist politisch nicht mehr so relevant.

Die politische Diskussion kümmert sich um die Themen, die strittig sind oder wo erkennbar großer Handlungsbedarf besteht, wie nach dem russischen Überfall auf die Ukraine und einer drohenden Versorgungskrise. Das war so dramatisch in der Wasserwirtschaft noch nicht der Fall, obwohl in der Dürreperiode zwischen 2018 und 2020 in einigen Landesteilen schon ein großer Druck auf dem System war. Deshalb sollten wir nicht erst dann handeln, wenn der Handlungsdruck akut ist. Wir müssen resilienter werden und jetzt handeln. Denn, wenn etwas bei Infrastrukturen einmal richtig ins Rutschen gerät, dann kann man es kurzfristig nur schlecht aufhalten.

Fehlt der zweite Grund.

Die finanzielle Dimension ist eine andere. In der Wasserwirtschaft sprechen wir derzeit von Investitionen von rund neun Milliarden Euro pro Jahr. In der Energieversorgung waren es vergangenes Jahr mehr als 32 Milliarden Euro. Mit Blick in die Zukunft sprechen wir im Energiebereich von bis zu einer Verfünffachung des jährlichen Investitionsbudgets.

Und in der Wasserwirtschaft?

Eine Vervielfachung erwarten wir auch hier, wenngleich die Gesamtsumme sicherlich geringer ausfallen wird. Trotzdem: Wasser ist unser Lebenselixier. Es gibt kein Leben ohne Wasser. Und auch keine Wirtschaft, schließlich ist Wasser ein Standortfaktor. Deshalb brauchen wir Akzeptanz für die notwendigen Investitionen, um die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung auch in zunehmenden Dürre- und Starkregenzeiten sicher und verlässlich zu gewährleisten.

Das Interview führten Klaus Hinkel, Julian Korb und Andreas Baumer


Einen Überblick über die VKU-Positionen zur Bundestagswahl 2025 erhalten Sie hier. Wasserspezifische Handlungsempfehlungen des BDEW für die nächste Wahlperiode können Sie hier aufrufen.

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