Deutschland

"Was das Habeck-Ministerium vorgeschlagen hat, ist völliger Wahnsinn"

FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler erklärt im Rahmen der ZfK-Bundestagswahlserie, wie seine Partei die Netzentgelte reformieren will. Beim Thema Kraftwerksstrategie wird er deutlich.
10.02.2025

Lukas Köhler ist stellvertretender FDP-Bundestagsfraktionsvorsitzender. In seinen Zuständigkeitsbereich fällt die Energiepolitik.

Wenn die Ampel an Energiegesetzen feilte, war Lukas Köhler nie weit weg. Schließlich gehört Energiepolitik zum Verantwortungsbereich des stellvertretenden FDP-Fraktionsvorsitzenden. Zudem galt Köhler als ampelaffiner als manch andere Kollegen in seiner Fraktion. Köhler muss angesichts der niedrigen Umfragewerte der FDP und seines wenig aussichtsreichen Listenplatzes auf ein kleines Wunder hoffen, will er wieder in den Bundestag einziehen. Im ZfK-Interview erklärt er, was die FDP für niedrigere Netzentgelte tun will – und warum er Habecks Kraftwerksgesetz für Wahnsinn hält.

Herr Köhler, die hohen Netzentgelte für Strom spielen auch im Wahlkampf eine Rolle. Sie wollen die Netzentgelte spürbar senken. Wie soll das gelingen?

Da sehe ich drei Säulen: Zum einen wollen wir weitere Hürden beim Netzausbau beseitigen und so Kosten senken. Zur Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung haben wir in den vergangenen Jahren viel vorangetrieben. Wir können aber noch mehr tun, etwa, indem wir bei neuen Übertragungsnetzen statt der Erdverkabelung auf Freileitungen setzen. Das spart 20 bis 30 Milliarden Euro an zusätzlichen Kosten.

Die zweite Säule?

Der Anschlusszwang für erneuerbare Energien ist in der jetzigen Form auch nicht sinnvoll. Wir brauchen ein System, in dem systemdienliche Anlagen vorrangig behandelt werden. Wenn Sie noch weiter große Solarparks in Netzgebieten bauen, die ohnehin bereits überlastet sind, hat das immense Kosten zur Folge. Auch bei Speicherprojekten hat man derzeit das Gefühl, da wird erst einmal angemeldet, ohne zu wissen, ob das Projekt jemals errichtet wird. Das sorgt für eine riesige Antragsflut bei den Netzbetreibern, die erst einmal abgearbeitet werden muss.

 

Fehlt der dritte Teil.

Das sind die Netzkosten selbst. Staatliche Zuschüsse zu den Netzentgelten sind ein sinnvolles Instrument, um jetzt kurzfristig wichtige Entlastung zu schaffen. Doch die eigentlichen Kosten sinken dadurch nicht. Für die FDP ist daher klar: Wir brauchen keine Strohfeuer, wie sie Rot-Grün plant, sondern eine nachhaltige, strukturierte und gegenfinanzierte Reform der Netzentgelte. Das bedeutet: Netze durch Digitalisierung effizienter machen, Engpässe durch dynamische Netzentgelte im Preis abbilden und so die Nachfrage dorthin lenken, wo Kapazitäten vorhanden sind. So schaffen wir eine langfristige Entlastung bei den Stromkosten – ohne die Belastungen nur zu verschieben.

Welches Preisniveau schwebt Ihnen vor?

Bei den Übertragungsnetzentgelten sind wir derzeit bei über sechs Cent pro Kilowattstunde. Ziel sollte sein, die Belastung durch Reformen zu halbieren. Der genaue Wert hängt aber auch von anderen Faktoren ab, etwa der Höhe der Stromsteuer. Wir wollen die Stromsteuer zunächst auf das europäische Mindestmaß senken und uns auf EU-Ebene für ihre Abschaffung einsetzen.

Wie wollen Sie diese Maßnahmen gegenfinanzieren?

Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner hat dazu bereits im November konkrete Vorschläge gemacht. Für uns ist zum Beispiel wesentlich, den Klima- und Transformationsfonds umzubauen. Dort gibt es unheimlich viele Gelder, die entweder nicht abgerufen werden oder an falscher Stelle investiert werden. So lässt sich viel Geld sparen. Auch in anderen Bereichen lassen sich Gelder effizienter einsetzen, etwa beim Bürgergeld.

Wenn Sie im Klima- und Transformationsfonds (KTF) sparen wollen: Was wird dann aus Förderprogrammen wie dem Fernwärme-Programm BEW?

Die gezielte Unterstützung der kommunalen Wärmeplanung halten wir für sinnvoll. Aber viele Förderprogramme im KTF sind nicht zielgerichtet und werden kaum ausgeschöpft. Zudem greifen manche Programme ineinander. Das führt dazu, dass unterschiedliche Dinge im gleichen Bereich gefördert werden. Das ist ineffizient. Da lässt sich eine Menge reduzieren. Langfristig soll der Klima- und Transformationsfonds abgeschmolzen werden und die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung sollen durch eine Klimadividende zurück an die Bürgerinnen und Bürger fließen.

Die kommunale Branche fordert deutlich mehr Wärmeförderung als bislang zum Bau und zur Modernisierung von Fernwärmenetzen. Halten Sie das derzeitige Fördervolumen für ausreichend?

Die Wärmeförderung hängt auch von den Gas- und Strompreisen ab. Bei der Wärmepumpe ist zum Beispiel entscheidend, wie günstig Strom über die nächsten 20 Jahre ist. Statt gegen extrem hohe Strompreise zu subventionieren, sollte der Staat für bessere Rahmenbedingungen sorgen. Wir sollten insgesamt auf bessere Rahmenbedingungen achten: günstigere Energie- und Arbeitskosten, geringere Unternehmenssteuern und weniger Bürokratie. Wir müssen davon wegkommen, lauter Einzeltechnologien zu fördern und strukturelle Probleme unter einem großen Berg an Subventionen zu verstecken.

Die nächste Bundesregierung wird sich auch mit Kraftwerksausschreibungen und Kapazitätsmarkt auseinandersetzen müssen. Wie stehen Sie zu dem Konzept, das das grün-geführte Bundeswirtschaftsministerium erarbeitet hat?

Das, was das Wirtschaftsministerium vorgeschlagen hat, ist völliger Wahnsinn. Wir brauchen dringend Investitionen in neue Gaskraftwerke. Wir haben derzeit zwar keine Unterversorgung. Aber in den jüngsten Dunkelflauten haben wir gesehen, dass wir an die Grenzen unseres Systems kommen und massiv importieren müssen. Wenn es darauf ankommt, muss Deutschland sich selbst mit Strom versorgen können. Die erste Säule der geplanten Kraftwerksausschreibungen zur Versorgungssicherheit erfüllt auch diesen Zweck.

Und die Säule zur Dekarbonisierung?

Diese Säule braucht es auf keinen Fall. Vor allem nicht mit diesen unrealistischen Vorgaben. Der Staat kann darauf vertrauen, dass ein Energieunternehmen weiß, wann der Emissionshandel greift und wann die Kosten für fossile Energien steigen. Die Kraftwerksbetreiber sorgen ohnehin dafür, dass die Kraftwerke auf einen klimaneutralen Betrieb umgerüstet werden können. Die volkswirtschaftlich und marktwirtschaftlich völlig abstrusen Vorschläge des Bundeswirtschaftsministeriums sorgen nur dafür, dass Unternehmen auf massiven Risiken sitzen und sich das natürlich entsprechend vergüten lassen.

Damit meinen Sie die Frist von acht Jahren, in denen ein Gaskraftwerk auf den Betrieb mit Wasserstoff umgestellt werden muss?

Ja, genau. Das Abstruse dahinter ist, der Staat verlangt von einem Unternehmen, dass es nach einer kurzen Übergangszeit von wenigen Monaten auf Wasserstoff umsteigt. Was passiert aber, wenn der Staat mit der Wasserstoffinfrastruktur nicht hinterherkommt? Oder wenn bis dahin gar nicht genügend Wasserstoff zur Verfügung steht, weil der Markt dann noch nicht so weit hochgelaufen ist?

Dann sitzen die Unternehmen auf einem nicht abgeschriebenen Gaskraftwerk und müssen im Zweifel noch Strafe nachzahlen. Dieses Risiko lassen sich Unternehmen daher natürlich vergüten. Deshalb kostet die zweite Ausschreibungssäule auch unverhältnismäßig viel mehr als die Erste. Das ist völlig bescheuert.

In Ihrem Wahlprogramm setzen Sie sich auch für den ungeförderten Ausbau von Kernenergie ein. Glauben Sie, dass sich dafür Investoren finden werden?

Das würde ich dem Markt überlassen. Wir können als Staat doch keine Technologie vollständig ausschließen. Um uns herum nutzen alle die Kernenergie. Unserer Meinung nach war es ein Fehler, erst aus der Kernenergie auszusteigen und dann aus der Kohle. Ich glaube nicht, dass der Staat über Subventionen lenken sollte, was gebraucht wird. Dafür sind Märkte da. Wenn jemand in Deutschland ein AKW baut, ohne dass wir den Bau oder die Endlagerung subventionieren müssen – dann ist das doch eine spannende Technologie.

Gegen staatliche Subventionen sind Sie auch bei den erneuerbaren Energien. Würde die FDP die EEG-Förderung abschaffen?

Niemand kann ein Freund des aktuellen EEG sein. Das Gesetz hat zwar dafür gesorgt, dass Erneuerbare in Deutschland und auch weltweit extrem günstig geworden sind. Aber mittlerweile machen Erneuerbare 60 Prozent des Marktes aus. Wir stecken jedes Jahr eine gigantische Milliardensumme in diese Produktgruppe. Das kann nicht mehr sinnvoll sein.

Wie soll es dann künftig gehen?

Wir brauchen nur noch einen marktgetriebenen Zubau, etwa in Kombination mit Speichern oder netzdienlichen Anlagen oder Offshore-Windkraft. Wird der Kapazitätsmarkt so ausgestaltet, dass die Stärken und Schwächen der einzelnen Technologien berücksichtigt werden, dann können sich klug geplante Erneuerbaren-Anlagen dort auch behaupten. Nur müssen Sie dann eben auch die systemdienliche Integration ins Netz in die Entscheidung miteinbeziehen. Auch über PPAs können sich Erneuerbare förderfrei finanzieren.

Die Erneuerbarenbranche warnt, dass in einem solchen Fall der Ausbau einbrechen würde. Das sorgt Sie nicht?

Die EEG-Förderung ist für die Erneuerbaren-Branche natürlich ein super Geschäftsmodell. Ich verstehe, dass dort niemand möchte, dass das EEG ausläuft. Aber ich glaube nicht, dass es zu einem Fadenriss des Erneuerbaren-Ausbaus kommen würde. Vielmehr würden wir eine stärkere Fokussierung auf Projekte sehen, die im Markt funktionieren.

Beim aktuellen PV-Zubau müssen wir uns fragen, ob unser Stromnetz diese Entwicklung noch lange packt oder ob wir einfach reihenweise alles abregeln, damit uns das Netz nicht um die Ohren fliegt. Das Prinzip muss sein, dass Anlagen nur gebaut werden, wenn sie sich am Markt behaupten können. Und dann ist es egal, ob es sich um eine Erneuerbaren-Anlage oder um ein Gaskraftwerk handelt. Am Ende muss es sich rechnen.

Das Interview führte Julian Korb


Dieses Interview ist Teil der ZfK-Bundestagswahlserie. Bis zum 23. Februar werden auf der ZfK-Website Interviews mit energiepolitischen Vertretern aller im Bundestag vertretenen größeren Parteien erscheinen. Bisherige Folgen im Überblick:

Linken-Abgeordneter Lenkert: "Wir brauchen eine Entgeltregulierung ähnlich wie bei Stromnetzen"

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