Strompreis-Pläne: Wo sich Scholz, Habeck und Merz tatsächlich unterscheiden
Von Andreas Baumer
Wenn sich die Umfragen nicht noch komplett drehen, werden wohl vier Parteien bei der Bildung einer neuen Bundesregierung die wichtigsten Rollen spielen: CDU und CSU mit Spitzenkandidat Friedrich Merz, die SPD mit Kanzler Olaf Scholz und die Grünen, die mit Robert Habeck als Kanzlerkandidat ins Rennen gehen. Doch wo stehen die Parteien bei einem Thema, das die Energiebranche besonders umtreibt, der Strompreisentlastung? Ein Überblick mit sieben Leitfragen, basierend auf den Wahlprogrammentwürfen der Parteien:
Frage eins, die Grundsatzfrage: Fördert der Staat, entlastet er auf Steuer- und Abgabenseite oder sollen nur die Rahmenbedingungen geändert werden, damit die Strompreise sinken?
CDU/CSU: Die Unionsparteien setzen vor allem auf Entlastungen und Änderungen in der Struktur. So sollen Verbraucher dank Digitalisierung und Smart Meter flexibler auf den Strompreis reagieren können. "So sinken Verbrauch und Kosten", heißt es im Programmentwurf. Einnahmen aus dem CO2-Emissionshandel sollen zuerst für die Entlastung bei Netzentgelten und Stromsteuer verwendet werden und dann erst für Förderprogramme.
SPD: Die Sozialdemokratie wirbt für einen sogenannten Deutschlandfonds, der öffentliches und privates Kapital mobilisiert. Aus diesem Topf sollen beispielsweise der Ausbau der Stromnetze bezuschusst und Netzentgelte gedrückt werden. Für eine zusätzliche Senkung von Steuern und Abgaben, etwa der Stromsteuer auch für Haushalte, spricht sich die SPD nicht aus.
Grüne: Die Ökopartei verspricht eine Mischung aus Systemoptimierung, Steuersenkung und Staatsförderung. Sie setzt auf eine konsequente Digitalisierung des Energiesektors samt flexibler Stromnetze und dynamischer Tarife. Das soll die Bürger in die Lage versetzen, in Zeiten von viel Wind und Sonne den Strom per Batterie oder Wärmepumpe systemdienlich zu speichern oder das Elektroauto laden zu lassen. "Damit kann jeder Geld sparen und von den Vorteilen der Erneuerbaren Stromwelt direkt profitieren", heißt es im Programmentwurf. "Zugleich sinken die Kosten im Gesamtsystem." Auch die Grünen wollen einen Deutschlandfonds errichten, um Investitionen im großen Stil tätigen zu können.
Fazit: Mit ihrer Deutschlandfonds-Idee sind Scholz--SPD und Habeck-Grüne nah beieinander. Hier drohen Konflikte mit der Merz-Union. Für eine weitere Digitalisierung des Strommarkts dürften alle drei Parteien sein, auch wenn die SPD das nicht explizit in ihr Programm geschrieben hat.
Frage zwei: Was wird aus den Netzentgelten?
CDU/CSU: Die Schwesterparteien wollen mit den CO2-Einnahmen unter anderem die Netzentgelte reduzieren. Außerdem versprechen sie recht vage eine "Reform der Netzentgelte". Strukturell werben CDU und CSU für eine effiziente Verknüpfung des Ausbaus von erneuerbaren Energien, Netzen und Speichern. Dafür wollen sie mehr privates Kapital gewinnen. Die Unionsparteien wollen darüber hinaus verstärkt Freileitungen bauen.
SPD: Die Sozialdemokraten versprechen, die Übertragungsnetzentgelte, die inzwischen bei rund sieben Cent pro Kilowattstunde (kWh) liegen, zunächst zu stabilisieren und sie dann "schnellstmöglich" bei drei Cent pro kWh zu deckeln. Zur Einordnung: Übertragungsnetzentgelte werden in der Regel nicht eins zu eins an Stromkunden weitergereicht. Je nach Kundengruppe variieren die Kosten. Wie hoch die tatsächliche Entlastung für Stromkunden in einem solchen Fall wäre, hängt also von verschiedenen Faktoren ab. Zudem will die SPD, dass ein größerer Kreis besonders stromintensiver Unternehmen von reduzierten Netzentgelten profitieren könne.
Grüne: Recht schwammig heißt es, dass die Partei die Finanzierung des Netzausbaus "reformieren" will, um die Netzentgelte zu senken. Die Übertragungsnetzentgelte sollen dabei aus dem Deutschlandfonds übernommen werden. Das würde den Bund noch mehr Geld kosten als die SPD-Pläne. Auf Systemebene will die Ökopartei für neu zu planende Hochspannungsgleichstromleitungen Freileitungen wieder zum Standard machen und Erdverkabelung nur noch bei besonderen örtlichen Erfordernissen nutzen.
Fazit: Eine Reform der Netzentgelte wollen sie alle. Doch während sich Scholz-SPD und Habeck-Grüne schuldenbasierte Senkungen vorstellen können (Deutschlandfonds), will die Merz-Union einen Teil der CO2-Einnahmen verwenden – die aber aktuell für andere Energiewendeprojekte reserviert sind. Strukturell liegen Union und Grüne mit ihrer Forderung nach einer Rückkehr zum Freileitungsvorrang nah beieinander. Die SPD vertrat hier in der Vergangenheit keine einheitliche Position und lässt das Thema im Programm aus.
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Frage drei: Was passiert mit der Stromsteuer?
CDU/CSU: Die Unionsparteien wollen die Stromsteuer für alle senken, also auch für Haushalte.
SPD: Die Absenkung der Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß, in dessen Genuss derzeit das produzierende Gewerbe kommt und das nach jetzigem Gesetzesstand Ende 2025 ausläuft, soll entfristet werden.
Grüne: Die Ökopartei will die Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß senken.
Fazit: Hier gibt es Überschneidungspunkte zwischen Merz-Union und Habeck-Grünen, während die Scholz-SPD offenbar nicht über den Status quo hinausgehen will.
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Frage vier: Wie geht es mit der Förderung und dem Ausbau erneuerbarer Energien weiter?
CDU/CSU: Die Unionsparteien positionieren sich hierzu nicht explizit. Sie weisen lediglich darauf hin, dass sie für einen weiteren "zielgerichteten" Ausbau der erneuerbaren Energien stehen. Für die Schwesterparteien sind sowohl Windkraft als auch Solarenergie, Geothermie, Wasserkraft, Bioenergie und Holz erneuerbare Energien. Die Potenziale der Kraft-Wärme-Kopplung wollen sie konsequent nutzen.
SPD: Den Sozialdemokraten ist eine sichere und bezahlbare Energieversorgung "vor allem mit erneuerbarem Strom" wichtig. Aus ihrer Sicht sind Windkraft und Photovoltaik schon heute die günstigste Form der Stromproduktion. Ihr konsequenter Ausbau soll die Strompreise senken. Zur Förderung erneuerbarer Energien im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), die den Bund dieses Jahr nahezu 20 Milliarden Euro kosten dürfte, äußert sich die SPD im Wahlprogramm nicht. Um die Akzeptanz der Energiewende zu erhöhen, möchten die Sozialdemokraten Energiegemeinschaften, auch Energy Sharing genannt, fördern.
Grüne: Zu einem Ende der Erneuerbaren-Förderung positioniert sich die Ökopartei nicht. Vielmehr stellt sie fest, dass die EEG-Umlage für Verbraucher bereits abgeschafft wurde und nun vollständig aus dem Haushalt finanziert wird. Die Ökopartei beharrt darauf, beim "Rekord-Ausbautempo" der vergangenen Jahre im Wind- und Solarbereich Kurs halten zu wollen. Sie versprechen zudem, die Infrastruktur so auszubauen, dass der günstige Strom auch bei Menschen und Unternehmen ankommt. Bis 2035 soll nach grüner Vorstellung Strom komplett klimaneutral hergestellt werden. Das würde heißen, dass auch keine Erdgaskraftwerke mehr Strom produzieren dürften. Aus der Kohleverstromung wollen die Grünen bereits 2030 aussteigen.
Fazit: Für ein zügiges Ende der Erneuerbaren-Förderung spricht sich keine der Parteien aus. Am kritischsten dürfte die Merz-Union einer dauerhaften Subventionierung gegenüber eingestellt sein. Sie vermeidet es aber, sich hier klar zu positionieren. Die Scholz-SPD dürfte eine Mittelposition einnehmen. Der größte Widerstand bei der Dämpfung der Erneuerbaren-Förderung dürfte bei den Habeck-Grünen zu erwarten sein, die am deutlichsten die selbst gesteckten Ausbauziele betonen und bereits 2035 eine grüne Stromerzeugung haben wollen. Dass dies gelingt, ist mit dem Aus des Kraftwerkssicherheitsgesetzes ein ganzes Stück unwahrscheinlicher geworden.
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Frage fünf: Was ist beim Bau von steuerbaren Kraftwerken und Speichern geplant?
CDU/CSU: Hier halten sich die Schwesterparteien recht vage. An einer Stelle heißt es, dass die beiden Parteien einen technologieoffenen Kapazitätsmarkt etablieren wollen. An anderer Stelle heißt es: "Wir setzen ein Strommarktdesign um, das die neuen Realitäten anerkennt und die notwendigen Investitionen absichert. Für mehr Preisstabilität entwickeln wir die Terminmärkte weiter. Versorgungsunternehmen müssen ihre Lieferverträge besser und preisgünstiger absichern können." Am Kohlekompromiss, sprich dem gesetzlichen Kohleausstieg bis 2038, halten CDU und CSU fest. Auf dem Weg dahin dürfe es jedoch kein weiteres endgültiges Abschalten von Kohlekraftwerken geben, solange als Ersatz keine neuen Gaskraftwerke und Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen gebaut seien.
SPD: Zu den Großthemen Kraftwerksneubauten und Kapazitätsmarkt steht im Wahlprogramm nichts. Interessanterweise werden Speicher lediglich im Zusammenhang mit Wasserstoff erwähnt. Wörtlich heißt es: "Gleichzeitig müssen ausreichende Speicherkapazitäten, etwa im Rahmen einer nationalen Wasserstoffreserve, aufgebaut werden."
Grüne: Die Ökopartei wirbt für eine Kombination aus langfristiger Sicherheit für Kraftwerksinvestitionen etwa im Rahmen von Kapazitätsmärkten und intelligenten kurzfristigen Anreizen zum effizienten Stromverbrauch. Klingt ganz nach dem kombinierten Kapazitätsmarkt, den das grün geführte Wirtschaftsministerium vorgeschlagen hatte. "Damit ermöglichen wir einen zunehmend sich selbst tragenden Ausbau von Sonne, Wind und Speichern und sonstiger Infrastruktur und entlasten Strompreise und Bundeshaushalt", heißt es im Programmentwurf.
Fazit: Auch wenn sich die Scholz-SPD im Wahlprogramm nicht explizit zu Kapazitätsmärkten äußert, dürfte sie sich dem nicht entgegenstellen, zumal sie einem solchen Konzept in der Ampelkoalition bereits zugestimmt hat. Interessant dürfte werden, wie sich die Parteien bei Technologien und Dekarbonisierungsvorgaben positionieren werden. Auch hier dürfte der Weg von der Union zu den Grünen der weiteste sein.
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Frage sechs: Wie geht es bei den Heizstromkosten weiter?
CDU/CSU: Die Schwesterparteien verzichten auf den Begriff "Wärmepumpe" in ihrem Programm. Recht allgemein versprechen sie im Gebäudebereich eine verlässliche Förderung und technologieoffene Lösungen. Besondere Subventionen für Heizstrom stellen CDU und CSU nicht in Aussicht.
SPD: Die Sozialdemokraten wollen vor allem denjenigen Staatsgeld zusichern, die sich den Umstieg auf klimafreundliche Technologien wie eine Wärmepumpe nicht leisten können. Heißt: Wer sich Wärmepumpen leisten kann, soll aus SPD-Sicht eher keine Förderung bei der Anschaffung erhalten. Ärmeren Haushalten wollen die Sozialdemokraten dagegen Heiz-Mietmodelle anbieten. Zu einer Subvention von Heizstrom selbst äußert sich die SPD nicht.
Grüne: Zu Heizstrom selbst positioniert sich die Ökopartei nicht. Die bestehende Unterstützung bei der Beschaffung von Wärmepumpen will sie jedoch ausbauen.
Fazit: Während die Habeck-Grünen die Wärmepumpenförderung ausbauen wollen, zeigen sich Merz-Union und Scholz-SPD hier deutlich kritischer. Einmal mehr dürften die Positionen von Union und Grünen am weitesten voneinander entfernt sein.
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Frage sieben: Was ist mit dem Ladestrom?
CDU/CSU: Zum Thema Elektromobilität äußern sich die Schwesterparteien nur in einem Satz, der allerdings zweimal im Text zu finden ist: "Für die E-Mobilität muss die Ladeinfrastruktur angemessen ausgebaut werden."
SPD: Die geplante Deckelung der Übertragungsnetzentgelte soll auch das Laden günstiger machen.
Grüne: Die Ökopartei will "überzogene Preise" an Ladesäulen durch eine scharfe Anwendung des EU-Rechts beenden und den Verbraucherschutz stärken, so dass Strom durch mehr Wettbewerb bezahlbarer wird.
Fazit: Bezeichnend ist, dass die Merz-Union das Thema Elektromobilität fast komplett umschifft. Am stärksten wollen sich hier die Habeck-Grünen engagieren. Die Scholz-SPD nimmt einmal mehr eine Mittelposition ein.
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