AfD-Energiesprecher: "Stadtwerke müssen entideologisiert werden"

Steffen Kotré ist seit 2017 für die AfD im Bundestag. Diesmal tritt er nicht auf der Landesliste an, sondern lediglich als Direktkandidat im brandenburgischen Wahlkreis Dahme-Spreewald – Teltow-Fläming III.
Bild: © Steffen Kotré
Die AfD ist die Partei, die am stärksten für den Bruch mit dem Energiekurs der deutschen Bundesregierung steht. Sie hält entgegen gewaltiger wissenschaftlicher Evidenz die Frage nach dem menschlichen Anteil am Klimawandel für ungeklärt. Insofern hat sie für eine Senkung von CO2-Emissionen im Energiebereich nichts übrig. Doch was denkt die AfD eigentlich über die Rolle von Stadtwerken in der Energiewirtschaft und was sind ihre Rezepte gegen den Fachkräftemangel? Ein Interview mit dem energiepolitischen Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Steffen Kotré, der zum rechten Flügel der Rechtsaußenpartei zählt.
Herr Kotré, welche Rolle sollten kommunale Unternehmen aus Sicht der AfD in der Energiewirtschaft spielen?
Kommunale Unternehmen haben den Auftrag der Daseinsvorsorge. Das ist auch gut so. Allerdings sehen wir die Rekommunalisierung von Energieversorgern kritisch, denn in einer sozialen Marktwirtschaft sollte der Markt nicht mit staatlichen Ebenen vermengt werden.
Und wie viel Handlungsfreiheit würden Sie Stadtwerken zugestehen, wenn die AfD die Bundesregierung stellen würde?
Na ja, wir sehen, dass kommunale Unternehmen politisiert sind. Die müssen entideologisiert werden. Unsere Positionen sind klar: Wasserstoff ist ein Milliardengrab und die Energiewende schädlich für unser Land. Da werden wir schon sagen: Wir gehen auf Kernenergie und eine dezentrale Stromversorgung.
Was meinen Sie mit entideologisieren? Würde eine AfD-Bundesregierung einschreiten, wenn Stadtwerke im Auftrag eines demokratisch gewählten Stadt- oder Gemeinderats ihren Erneuerbaren-Kurs fortsetzen wollen?
Nein. Wir haben freiheitliche Prinzipien. Jeder soll das machen, was er machen möchte. Aber bitteschön nicht mit Steuergeldern.
Und was meinen Sie mit dezentraler Stromversorgung? Schließlich sieht die AfD Windkraft und Solarenergie bekanntlich kritisch.
Ich meine auf jeden Fall nicht diesen Kokolores, Strom über 1000 Kilometer transportieren zu wollen [gemeint ist Windstrom von der Nordsee nach Süddeutschland, Anm. d. Red.], sondern Erzeuger, die Strom für einen Umkreis von 100, 200 Kilometern an Verbraucher weiterleiten. Das ist ökonomisch und physikalisch sinnvoll.
Das ist interessant, weil gerade die von Ihnen geforderten Kern- und Kohlekraftwerke üblicherweise das Gegenteil von dezentralen Anlagen sind.
Nein, ich meine eine Stromversorgung, wie sie in Deutschland über hundert Jahre lang funktioniert hat und woanders weiterhin funktioniert.
Was halten Sie von eindeutig dezentralen Ansätzen, also von Privatleuten, Landwirten oder anderen Bürgern, die sich zusammenschließen, um beispielsweise selbst produzierten Solarstrom unter sich zu teilen?
Die sogenannte Bürgerenergie ist für mich ein Rückschritt ins Mittelalter. Das ist völliger Quatsch, wenn jeder anfängt, seine Energie selbst zu erzeugen. Wir hatten vor 30 Jahren ein funktionierendes System. Unternehmen kümmern sich um die Stromerzeugung. Damit ist die Stromerzeugung gesichert.
Die Kommunalwirtschaft fordert verlässliche Rahmenbedingungen. Kann sie bei der Wärmetransformation weg von fossilen Importen hin zu heimischen Energiequellen wie Geothermie auf die Unterstützung der AfD setzen?
Was heißt hier Unterstützung? Rahmenbedingungen setzen, das ist möglich, ja. Aber Steuergelder? Nein.
Die für Stadtwerke so wichtige Bundesförderung für effiziente Wärmenetze würde es also mit der AfD nicht mehr geben?
Das ist vor dem Hintergrund, dass wir Kernenergie aufbauen wollen, obsolet.
Sie sehen Atomstrom als Lösung im Wärmebereich? Das müssen Sie erklären.
Nein, mit Kernenergie erzeugen wir Strom. Ansonsten wollen wir an Öl- und Gasheizungen festhalten.
Wie stehen Sie zur kommunalen Wärmeplanung?
Das ist ein Zwangsinstrument. Wenn diese beschlossen wird, darf man keine Öl- und Gasheizungen mehr einbauen. Das ist aus meiner Sicht nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Wir würden das kommunale Wärmeplanungsgesetz wieder abschaffen.
Ihre Parteichefin Alice Weidel wirbt für eine blau-schwarze Koalition. Wo sehen Sie energiepolitische Überschneidungen mit der Union?
Das fällt mir schwer, denn auch die Union sagt ja, sie ist Klimapartei. Damit sagt sie, dass sie diese Energiewende ins Nichts, wie es Hans-Werner Sinn formuliert hat, auch ein Stück weit mitmachen will. Wo wir Überschneidungen haben, ist, dass die Union zurück zum Markt will. Da kommen wir wieder zueinander. Ansonsten sehe ich in der Energiepolitik nicht so viele Berührungspunkte.
Die Energiewirtschaft leidet unter massivem Fachkräftemangel. Ist vor diesem Hintergrund eine allzu restriktive Zuwanderungspolitik, wie sie die AfD fordert, nicht kontraproduktiv?
Wir haben kein Problem als Einwanderungsland. Wir haben ein Problem als Auswanderungsland. Allein 2023 sind rund 265.000 Deutsche ins Ausland abgewandert, drei Viertel davon mit Hochschulabschluss. [Zur Einordnung: Im gleichen Zeitraum sind laut Statistischem Bundesamt 191.000 Deutsche aus dem Ausland in die Bundesrepublik zugezogen, Anm. d. Red.] Und das geht seit Jahren so. Wir hätten das Problem also gar nicht, wenn Deutschland angesichts der links-grünen Politik der vergangenen Jahrzehnte nicht unattraktiv wäre. Außerdem haben wir viele Menschen im Bürgergeld, die man wieder aktivieren können.
Aber doch nicht als Fachkräfte, wie sie die Energiewirtschaft benötigt. Zumindest nicht in der Größenordnung.
Ja, aber auf der anderen Seite haben wir die Entwicklung zur künstlichen Intelligenz. Wir werden vermutlich sehen, dass viele, viele Arbeitsplätze auch wegfallen werden. Wir müssen einfach qualifizieren und immer mit den Ressourcen arbeiten, die da sind.
Das Interview führte Andreas Baumer
Dieses Interview ist Teil der ZfK-Bundestagswahlserie. Bis zum 23. Februar werden auf der ZfK-Website Interviews mit energiepolitischen Vertretern aller im Bundestag vertretenen, größeren Parteien erscheinen. Bisherige Folgen im Überblick:
BSW-Energiesprecher Ernst: "Die Liberalisierung der Energiemärkte war ein Fehler"
Linken-Abgeordneter Lenkert: "Wir brauchen eine Entgeltregulierung ähnlich wie bei Stromnetzen"
FDP-Abgeordneter Köhler: "Was das Habeck-Ministerium vorgeschlagen hat, ist völliger Wahnsinn"
Mehr zur Bundestagswahl 2025:
Gratis: Strompreis-Pläne: Wo sich Scholz, Habeck und Merz unterscheiden
Gratis: E-Auto und Ladestrom: Die Pläne der Parteien
Gratis: Klimageld: Deutscher Wahlkampfschlager ist andernorts massiv unter Druck
Gratis: VKU-Chef Liebing: "Energieversorger sind nicht das Sozialamt der Bundesregierung"
ZfK+: Wahlumfrage: Welche Partei Stadtwerke bei Energiekompetenz vorn sehen
ZfK+: "50 Gaskraftwerke": Die Dunkelflauten-Rezepte von Merz, Habeck und Co.
ZfK+: Putin-Gas, Heizungsgesetz und Staatsnetze: Das Energie-Programm des BSW
ZfK+: AfD sieht "keinen Grund, fossile Energien zu beschränken"
ZfK+: Merz-Energieagenda: Die Schwerpunkte des aussichtsreichsten Kanzlerkandidaten
ZfK+: Scholz und Habeck wollen Fernwärmepreise zum Wahlkampfthema machen