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70 Jahre ZfK – Ist Kohle wichtiger als Wasser?

Juni 1954: Ein kleiner Paragraph, ein gigantisches Projekt und ein noch größeres Risiko
03.06.2024

Die Titelseite der ersten ZfK vom Juni 1954

70 Jahre ZfK – Seit Juni 1954 berichtet die Zeitung für kommunale Wirtschaft aus und für die kommunalen Versorgungsunternehmen. Höchste Zeit also für einen Rückblick. In den Archiven finden sich dabei immer auch ganz besondere „Schätzchen“: Auf Seite 1 der ersten Ausgabe von Juni 1954 beschäftigt sich die ZfK mit dem schwierigen Verhältnis von Kohle und Wasser:

„Welches ist der wichtigste Teil des Autos?" Mit dieser Frage erschreckte uns führerscheinhungrige Autofahrer in spe vor nun schon vielen Jahren der gestrenge Sachverständige bei der Prüfung. Hören wollte er: „Der Splint, der die Verbindung zwischen Steuersäule und Steuerung sichert." Er bekam ein gutes halbes Dutzend Antworten, deren jede zweifellos genau so richtig und falsch war wie die verlangte. Denn der Unsinn liegt schon in der Frage.

Hoffnungslose Situation

In der gleichen hoffnungslosen Situation wie wir verschüchterten Fahrlehrlinge damals aber befinden sich deutsche Amtsstellen seit 89 Jahren. Denn am 1. Oktober 1865 trat das trotz völlig veränderten technischen und wirtschaftlichen Verhältnissen noch heute geltende Allgemeine Berggesetz in Kraft. Sein § 196 verlangt von der Bergbehörde, daß sie über gemein schädliche Einwirkungen des Bergbaus entscheidet, z. B. ob für die Gesamtheit der durch die Betriebshandlungen entstehende Nachteil größer ist als der Vorteil. Es soll also geprüft werden, was für die Volkswirtschaft nachteiliger wäre: der „Bergschaden" selbst oder die Unterlassung des Abbaus. Noch hoffnungsloser wird die den Rechtsgelehrten gestellte Aufgabe durch die Tatsache, daß nicht nur Vermögensschäden berücksichtigt werden sollen, sondern auch „ideelle Interessen".

Man kann sich vorstellen, wie lange z. B. ein Prozeß dauert, den eine Wasserversorgung gegen den großmächtigen Bergbau anstrengt, weil er ihr buchstäblich „das Wasser abgegraben" hat. Denn die Beweislast, daß gerade und nur die Grube und nicht irgendein anderer Faktor etwa das Versiegen oder Verschmutzen des Wassers verursacht hat, obliegt dem Geschädigten. Selbst wenn er eines Tages den Prozeß gewinnen sollte — das ist durchaus schon vorgekommen — so hat er zwar einen Rechtsanspruch, aber noch kein Wasser.

Im Recht — aber tot

Was trinken inzwischen die Einwohner der betroffenen Gemeinde bzw. des Kreises? Womit waschen und spülen sie? Womit arbeitet die Industrie? Wer sich noch daran erinnert, wie es in den Städten war, wenn das Wasser auch nur für einige Tage knapp wurde oder ausblieb, wird das Ausmaß der Katastrophe ahnen können. Die Gemeinde befindet sich in der Lage eines Fußgängers, der auf dem Bürgersteig von einem Auto überfahren wird. Er ist im Recht — aber tot.

Die Einsicht, daß für den durch zahlreiche schwerwiegende Eingriffe von Menschenhand gestörten Wasserhaushalt der Natur ein vorbeugender Schutz nötig ist, wächst angesichts der Vorzeichen einer herannahenden schweren Gefahr. Die „Vereinigung Deutscher Gewässerschutz" warnt. Über alle Parteigrenzen hinweg ist eine „Interparlamentarische Arbeitsgemeinschaft für naturgemäße Wirtschaft" entstanden, der bereits über 200 Parlamentarier aus den verschiedensten Lagern in Bonn und den Ländern angehören. Man hat erkannt, daß Wassernot eine schwerere, allgemeinere und nachhaltigere Gefahr bedeuten kann als Krieg und Hungersnot. Darum drängt man auf baldige Verabschiedung der bei den verschiedenen Bundesministerien in Arbeit befindlichen Wassergesetze.

Entwurf mit Hintertüren

Die größten Chancen, noch in diesem oder wenigstens im nächsten Jahr verabschiedet zu werden, hat, wie man hört, das Grundwasserschutzgesetz. Rund drei Viertel des Wassers der öffentlichen Versorgung stammen aus dem Grund- und Quellwasser. Und trotzdem ist dieses nach dem bis heute geltenden Wasserrecht weithin vogelfrei. Der Entwurf des Schutzgesetzes sieht vor, daß die wasserrechtliche Bewilligung für alle Maßnahmen zu versagen oder mit Auflagen zu verbinden ist, wenn zu erwarten steht, daß eine Einwirkung auf das Grundwasser das Gemeinwohl gefährdet oder den Wasserhaushalt beeinträchtigt.

Schön und gut! Das wäre ein beträchtlicher Fortschritt. Aber an anderen Stellen des Entwurfs soll nach dem Vorbild von § 396 des Preußischen Wassergesetzes angeordnet sein, daß solche Sicherungen wegfallen, wenn auf das Grundwasser im Rahmen eines von der Bergbehörde zugelassenen Betriebsplanes eingewirkt wird. Damit ist die Gefahr gegeben, daß der Schutz für das Grundwasser an einer Stelle unwirksam wird, wo ihm besonders große Gefahren drohen.