„Bei der Wärmewende nicht alles über einen Kamm scheren“
Ist denn das Konzept einer Energiewende 2.0, so wie es im Koalitionsvertrag skizziert wird, zu urban und zu zentralistisch angelegt? Fehlt die Einbindung des ländlichen Raums und der Regionen?
Man muss natürlich die urbanen und die ländlichen Regionen gleichermaßen bei der Energiewende mitnehmen. Die dezentrale Erzeugung Erneuerbarer Energie findet überwiegend auf dem Land statt, während die urbanen Regionen zu den größten Verbrauchern gehören. Es muss zu einer gleichmäßigen Verteilung der Lasten zwischen Stadt- und Landbevölkerung kommen.
Das gilt auch für andere Sektoren wie den Verkehr. Es macht ja einen großen Unterschied, ob ich im dicht besiedelten städtischen Raum oder auf dem flachen Land z. B. ohne eigenes Auto von A nach B kommen will. Entsprechend unterschiedlich müssen die Lösungen für Stadt und Land aussehen – hier gibt es nicht die eine Universallösung. Auch bei der Wärmewende darf man nicht alles über einen Kamm scheren. Je nach Standort bieten sich ganz unterschiedliche Möglichkeiten und Herausforderungen, sei es bei der Umstellung von Ölheizungen auf moderne Gaskessel, der Fernwärme oder der Nutzung von Wärmepumpen. Bei Neubauten spielen Wärmepumpen sicherlich künftig eine große Rolle, im Bestand ist dies schon wesentlich anspruchsvoller. Ich erwarte jedenfalls von der Politik, dass sie hier differenzieren kann und technologieoffen vorgeht.
Sie fordern ja, dass alle Maßnahmen bei der Energie- und Klimawende bezahlbar und sozialverträglich umgesetzt werden müssen. Doch sind Verhaltensänderungen ohne Folgen für den eigenen Geldbeutel nicht schwierig? Muss wirksamer Klimaschutz nicht auch manchmal weh tun?
Ob es wirklich weh tun muss, darüber könnten wir jetzt lange diskutieren. Ich glaube, dass Bürgerinnen und Bürger in den letzten Jahren schon sehr lange stillgehalten haben, denken Sie nur an die EEG-Umlage. Doch auch hier ist irgendwann der Punkt erreicht, an dem die Kunden sagen, jetzt reicht‘s. Das entscheidende Ziel unter Klimagesichtspunkten ist ja, dass wir den Ausstoß von CO2 reduzieren. Aber es macht eben einen großen Unterschied, ob ich jetzt hingehe und sage, ich baue mir eine sehr moderne Heizung ein oder es wird mir vorgeschrieben, meine komplette Wohnung zu sanieren. Letzteres kann ja richtig teuer werden und amortisiert sich häufig erst nach über 20 Jahren. Am Ende zählt die eingesparte Tonne CO2 und das zu den möglichst geringsten Kosten und hier hat der Wechsel von bspw. einer alten Ölheizung auf eine hochmoderne und effiziente Gas-Brennwerttherme klare Vorteile.
Müssten also erhebliche zusätzliche Fördermittel bereitgestellt werden, um die energetische Sanierung und die CO2-Einsparung im Gebäudebereich voranzubringen?
Die Kosten für die energetische Sanierung - vor allem von größeren Gebäuden - sind schon erheblich. Hierauf sehr viele Fördermittel zu konzentrieren und andere Möglichkeiten zur CO2-Reduzierung, die viel schneller, kostengünstiger und effektiver sind, dabei unter den Tisch fallen zu lassen, ist kein intelligenter Ansatz.
CCS, also die Abscheidung und Speicherung von CO2, erlebt ja in einigen Ländern ein Comeback, aber in Deutschland hat die Technologie bisher nie eine Chance gehabt. Glauben Sie, dass das mal anders werden kann?
Ich schätze es aus meiner Erfahrung als Ingenieur als sehr unwahrscheinlich ein, dass CCS in Deutschland heute eine Chance hat. Das spricht aber nicht gegen diese Technologie in Gänze. Es ist ja durchaus vorstellbar, dass in Norwegen die Abscheidung und Einlagerung des Kohlenstoffes stattfindet und uns der klimaneutrale Wasserstoff geliefert wird.
Wie sehen Sie eigentlich das Miteinander von Gas- und Wärmenetzen? Wie wichtig ist denn hierbei die bundesweite Einführung einer kommunalen Wärmeplanung, die im Koalitionsvertrag angesprochen wird, und welche es schon in Bundesländern wie Baden-Württemberg gibt?
Die Idee einer bundesweiten kommunalen Wärmeplanung ist vom Ansatz her sicherlich zu begrüßen. Wer, wenn nicht die Kommunen und ihre Stadtwerke, kennt die Situation vor Ort am besten?
Bei der Wärmeversorgung müssen wir differenzieren. Also schauen, wo wir Gasnetze haben, die nach wie vor genutzt und auf klimaneutrale Gase umgerüstet werden können und auch sollten. Und wir haben je nach Standort teilweise Fernwärmenetze, die man ausbauen oder erweitern kann. Gerade im Neubaubereich werden wir sicherlich künftig auch mehr Wärmepumpen sehen. Doch ist das kein Wettbewerb, man muss es situativ vor Ort und im Zusammenspiel sehen. Das wird auch mittlerweile erkannt. Auch geht es nicht darum die Technologiearten unbedingt gesetzlich festzuschreiben, weder landes- noch bundespolitisch. Es muss den Kommunen ein technologieoffener Werkzeugkasten an Lösungen zur Verfügung gestellt werden. In jedem Fall hängt die Wirtschaftlichkeit der Nahwärmeversorgung sehr stark davon ab, wie hoch die Investitionen in die Infrastruktur, sprich die Netze sind.
Was sollte denn die neue Regierung tun, um nötige Investitionen in die Verteilnetze voranzutreiben? Die Entscheidung über die Festlegung der Netzrenditen ist ja von Seiten des Regulierers kürzlich erst gefallen.
Die Bedeutung der Verteilnetze wird bisher in der Politik, sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene, nicht genügend wahrgenommen. Und die Reduktion des Eigenkapitalzinses der vergangenen Jahre ist alles andere als zufriedenstellend. Es besteht eine große Gefahr, dass man glaubt über die Regulierung zu günstigeren Preisen für Strom und Gas zu kommen. Wenn man sich jedoch die vergangenen 15 Jahre anschaut, besteht absolut kein Zusammenhang zwischen der Höhe des EK-Zinses und der Entwicklung der Energiepreise.
Doch wichtig ist, dass die Rolle der Verteilnetze im Rahmen der Energiewende genügend gewürdigt wird. Es gibt einige Unternehmen, die nun gegen die jüngste Entscheidung der Bundesnetzagentur zur Festlegung des EK-Zinses vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf klagen. Wir tun das auch bei Thüga – zusammen mit 50 kommunalen Unternehmen aus unserem Verbund. Denn allein mit Anpassung der Netzrenditen nach unten werden wir die Energiewendeziele nicht erreichen, das sollte nicht nur der Politik, sondern auch den Juristen in den Gerichten klar werden. Die Bundesnetzagentur hat bisher hauptsächlich das Ziel bzw. die Aufgabe gehabt, die Kosten über die EK-Verzinsung so gering wie möglich zu halten. Aber der Weg nach vorne, was die Investitionen und die Notwendigkeit der Verteilnetze angeht, ist dabei ein Stück weit in Vergessenheit geraten.
Sie haben also zusammen mit 50 Unternehmen aus dem Thüga-Verbund Klage gegen die EKZ-Festlegung der Bundesnetzagentur erhoben?
Wir haben die Klage gemeinsam mit Thüga-Partnerunternehmen Mitte Dezember beim OLG Düsseldorf eingereicht. Ob wir Erfolg haben werden, das weiß ich nicht. Aber wir haben ganz klar reagiert.
Aus aktuellem Anlass noch eine Nachfrage zu dem Rechtsstreit der Thüga über den Rückkauf der Drewag mit dem Energieverbund Dresden. Sie sind ja hier in einer Auseinandersetzung vor Gericht um immerhin 80 Millionen Euro. Setzen Sie darauf, dass es im Sinne beider Seiten eine außergerichtliche Einigung geben sollte? Sind Sie optimistisch, dass das gelingen kann?
Bitte haben Sie Verständnis, dass ich mich zum aktuellen Stand des laufenden Verfahrens nicht im Detail äußern kann. Ich finde es persönlich sehr schade, dass wir die gute Zusammenarbeit mit den Kolleg:innen in Dresden nicht fortsetzen können. Leider hat man sich kommunalpolitisch für einen Rückkauf der Anteile entschieden, das ist zu akzeptieren. Allerdings muss dieser Rückkauf nach den gemeinsam vereinbarten Regeln ablaufen. Wir hoffen, dass es mittelfristig zu einer vernünftigen Lösung kommt. Uns geht es darum, dass wir fair und nachvollziehbar aus dieser Beteiligung rausgehen, zu dem Preis, den auch das Gutachten festgelegt hat.
Sie sagten mittelfristig, was heißt das?
Das gesamte Verfahren läuft ja bereits seit rund zwei Jahren. Und ich hoffe sehr, dass es nicht noch einmal so lange dauert, bis wir zu einer endgültigen Lösung kommen. Doch ist für mich nicht entscheidend, wie schnell es geht, sondern dass wir ein faires Ergebnis bekommen.
Das Interview führten Klaus Hinkel und Hans-Christoph Neidlein
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