Nachrichten

Explodierende Energiepreise: Wie sag ich's meinem Kunden?

Wie lassen sich höhere Energiekosten den Kunden am besten vermitteln? Dieter Murr, Partner bei Axxcon, erklärt, warum sich Kommune und Stadtwerke hier zusammenschließen sollten.
04.09.2022

Dieter Murr, ist Partner bei der Axxcon Unternehmensberatung und Energieexperte. Er berät in dieser Funktion ein Vielzahl deutscher EVUs.

Herr Murr, in einer Phase fortlaufender negativer Nachrichten, was sollten EVUs tun, um ihre Kundenbeziehungen zu halten bzw. nicht zu verbrennen? Und welche Rolle spielt hier Kommunikation oder Transparenz?
Dieter Murr, ist Partner bei der Axxcon Unternehmensberatung und Energieexperte: Sehr wichtig in dieser Zeit mit unsicherer Regulatorik  – siehe aktuelle Diskussion Gasumlage –, extremsten Preisen und großer Unsicherheit zu den weiteren Entwicklungen ist, eine transparente, kontinuierliche Kommunikation zum Kunden aufrecht zu erhalten. Über die bekannten Medien (Internet-Homepage, Anschreiben Preisanpassungen, ggf. Kundenmagazin etc.) und insbesondere über ein inhaltlich gut informiertes Kundenzentrum und Call Center sollten die Kunden so gut und unverbindlich das aktuell eben nur gehen kann, informiert werden.

Wenn es kommunale Anteilseigner gibt, wäre es sogar dienlich, hier gemeinsame Pressemitteilungen mit der Kommune und dem Bürgermeister abzugeben. Da es die gesamte Branche und alle Kunden deutschlandweit betrifft, sollte auf den gemeinsamen Krisenstatus Bezug genommen werden, nach dem Motto „gemeinsam müssen wir da durch“ und wir als Ihr Versorger in der Kommune sind auch in dieser Zeit für Sie da.

Was können EVUs tun, um Verständnis für ihre Preispolitik beim Kunden zu erreichen?
Hier gilt oben gesagtes. Absolute Transparenz zu den Umlagen, Preisentwicklungen ggf. unterstützt durch Grafiken und ein Preismodell, das dieses Verständnis auch über vergleichende Preiskomponenten auch widerspiegelt.

Wenn es parallel, wie aktuell branchenüblich, eine Einstellung von vertrieblichen Aktivitäten  wie Neukundengewinnung gibt, sollte dies mit einer Argumentation hinterlegt sein, die auf die nicht überschaubaren Risiken zur Preisentwicklung und überhaupt Bezugsgarantien referenziert. Dies verbunden mit dem vertrauensbildenden Inhalt, dass dies auch deshalb so gewählt wird, um die Versorgungssicherheit der Bestandskunden zu erhalten und abzusichern.

Energiepolitik heißt stetige – meist negative – Veränderung. Wie kann man da überhaupt eine Strategie entwickeln? Und wie müsste diese aussehen?
Auch hier ist nicht nur die Energiewirtschaft betroffen, sondern durch die Entwicklungen im Kontext Nachhaltigkeit, Umwelt- und Klimaschutz, Verkehrs- und Wärmewende etc. sind alle Bereiche betroffen. Eine Strategie der höheren Flexibilität, erhöhten Veränderungsgeschwindigkeit und insbesondere Investitionsbereitschaft in neue Geschäftsfelder im Kontext Digitalisierung und der oben genannten Anforderungen sind Grundvoraussetzungen für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung.

Welche Rolle spielt bei diesen kurzfristigen Schritten überhaupt noch Nachhaltigkeit?
Es erscheint aktuell so, dass das Thema Nachhaltigkeit durch die Diskussionen um die Verlängerung der Einsatzzeiten der Atomkraftwerke oder die Rückkehr von Kohlekraftwerken in die Erzeugung weniger Gewicht haben würde. Dies ist jedoch ausnahmslos der kritischen, geopolitischen Situation geschuldet. In keinem anderen Feld sind aktuell Aufweichungen der Regulatorik, die mit Nachhaltigkeit zu tun haben ersichtlich – siehe aktuelle CO2-Bepreisung, Kosten für Öko-Zertifikate etc. Daher ist dies exklusiv im Kontext des Kraftwerkseinsatzes, um die Notsituation des kommenden Winters zu verhindern.

Vor allem die Politik spricht davon, dass man erst mal über den Winter kommen müsse. Ist das nicht ein bisschen kurzfristig gedacht?
Da der Versorgungsengpass über den kommenden Winter konkretes Gefährdungspotenzial aufweist, ist dies durchaus vorrangiges Thema. Allerdings sind die angesprochenen Entwicklungen zu perspektivisch aufzubauender größerer Unabhängigkeit in der Versorgung mindestens gleich betont und notwendig. Beide Anstrengungen sind aktuell zu beobachten.

Inwieweit profitieren eigentlich die Energieversorger von den steigenden Preisen? Profitieren sie überhaupt?
Dies kann nicht pauschal beantwortet werden. Die Versorger profitieren nur dann von diesen steigenden Preisen, wenn sie auch Mengen zu diesen Preisen verkaufen können. Dies dürfte eher für die Kraftwerksbesitzer gelten oder diejenigen, die überhaupt handelbare Mengen zur Verfügung haben. Der Großteil der deutschen Energieversorger und Stadtwerke hat eher mit deutlich höheren Bezugspreisen und Umlagen sowie viel größeren Risiken zu kämpfen. Daher wahrscheinlich eher ein Effekt, der die größeren Konzerne begünstigen könnte.

Ein aus meiner Sicht ganz wichtiger Punkt: Gibt es überhaupt noch Wettbewerb? Wie kann ich mich als Anbieter noch von einem Wettbewerber abgrenzen? Geht das? Falls ja, wie?
Aktuell ist der Wettbewerb um Neukunden eher nicht vorhanden, aufgrund der hohen Risiken zu Kosten etc., die der Krisensituation geschuldet sind. Gerade jetzt macht es Sinn, wie oben bereits erwähnt, gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit der Kommune/Stadt die Regionalität und die Verantwortung hierfür als Argument für eine nachhaltige Zusammenarbeit ins Feld zu führen und sich gerade aktuell mit entsprechenden Informationen und Unterstützungen für die Kunden zu zeigen. Dies können wie oben erwähnt regelmäßige Pressemitteilungen oder Homepage-News sein, aber auch ganz pragmatische Tipps zur Einsparung von Gas- und Stromverbräuchen etc. (sg)