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München: Energieversorgung mit Strukturproblemen

Das große Kohlekraftwerk im Münchner Norden steht zur Disposition. Die Stadt möchte dezentrale Anlagen errichten. Werden Kapazitäten ins benachbarte Unterföhring ausgelagert?
22.02.2018

Sorgt für Ärger: die per Bürgerentscheid erzwungene Abschaltung des Heizkraftwerks München Nord.

Eigentlich wünschen sich die Münchner, dass das ungeliebte Kohlekraftwerk im Norden der Stadt durch eine Geothermie-Anlage ersetzt wird. Auch deswegen wurde per Bürgerentscheid festgelegt, dass der große Kohleblock Ende 2022 vom Netz gehen muss. Doch derzeit ist noch keine Lösung für die Frage in Sicht, wie die Fernwärmeleistung aus diesem Kraftwerk ersetzt werden kann. Im Jahr 2022 geht zudem das Atomkraftwerk Isar 2 vom Netz, das den Stadtwerken zu einem Viertel gehört. Allein mit der Geothermie ist der Wärmebedarf im Münchner Norden nach der Abschaltung mehrerer großer Kraftwerke kurz- und mittelfristig nicht zu decken – das jedenfalls sagt Technik-Geschäftsführer Helge-Uve Braun. Deswegen prüfen die Stadtwerke München derzeit elf Standorte für mögliche kleinere, gasbetriebene Blockheizkraftwerke auf ihre Tauglichkeit.

In der Münchner Innenstadt sollen in den kommenden Jahren zwischen fünf und sieben neue gasbetriebene Heizwerke entstehen. Teilweise sind – mangels Alternativen – Grundstücke in die Planungen einbezogen, die städtebaulich eher unter „Filetstück“ einsortiert werden müssten. Zu den denkbaren Standorten gehören der Nußbaumpark am Sendlinger Tor, das stillgelegte Kraftwerk an der Theresienstraße, die Katharina-von-Bora-Straße nahe des Königsplatzes und das Klinikgelände an der Thalkirchner Straße. Die Zwangslage, in die der Bürgerentscheid die Münchner Stadtwerke gestürzt hat, muss erheblich sein. Es darf unterstellt werden, dass die meisten, die für eine Abschaltung des Kraftwerks votiert haben, umweltpolitisch gesehen die hehrsten Ziele verfolgen. Ob aber mehr Umweltfreundlichkeit in der Praxis umgesetzt werden kann, darf nach derzeitigem Stand füglich bezweifelt werden.

Die Grünen geben sich empört

Die Pläne für eine dezentrale, gasbetriebene Versorgung haben nun die Münchner Stadtrats-Grünen auf den Plan gerufen. Sie argwöhnen, die Stadtwerke wollten die per Bürgerentscheid erzwungene Abschaltung des Kohleblocks unterlaufen. Denn mit dezentralen Heizwerken, die im übrigen schon vor dem Bürgerentscheid als logische Konsequenz eines raschen Kohleausstiegs angekündigt waren, könne der Wegfall der Stromerzeugung im Heizkraftwerk Nord nicht aufgefangen werden. Brisant wird diese Mutmaßung, weil ein Veto der Bundesnetzagentur zur Abschaltung des Kohleblocks im Münchner Norden zu erwarten wäre, falls sie zutreffen; ein verbindliches Nein zur Stilllegung gilt keineswegs als unwahrscheinlich.

Um ein solches Veto zu umgehen, fordern die grünen, den bisherigen Kohleblock durch ein großes, gasbetriebenes Heizkraftwerk an gleicher Stelle ersetzen. Für diesen Plan spricht, dass bei der dezentralen Lösung wohl Strom von außen zugekauft werden müsste. Die Stadtwerke fahren derzeit bei der Suche nach einer Lösung für das massive Energieversorgungsproblem im norden der bayerischen Landeshauptstadt mehrgleisig. Die Gemeinde Unterföhring wurde gebeten, zu prüfen, ob Grundstücke für den Bau einer neuen großen Gas- und Dampfturbinenanlage verfügbar sind. Doch nicht einmal bei einer solchen Auslagerung ist  garantiert, dass die Bundesnetzagentur deshalb automatisch die Stilllegung des Kohleblocks akzeptiert. Es ist denkbar, dass der Münchner Kohleblock am Netz oder zumindest in Reservebereitschaft verbleiben muss, auch wenn ein neues Gaskraftwerk entsteht. Doch so haben sich die Münchner die Energiewende in ihrer Stadt gewiss nicht vorgestellt. (sig)