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Studie: Zahlungsausfallrisiko bei energieintensiven Industrien steigt mittelfristig

Der Kreditversicherer Atradius geht von dauerhaft steigenden Energiekosten in mehreren verbrauchsintensiven Branchen aus. Das erhöht das Forderungsausfallrisiko von Energieanbietern.
04.11.2021

Große Energieverbraucher, wie die Stahl- und Chemieindustrie (Symbolbild), haben ihre Bezugspreise für Energie meistens langfristig ausgehandelt. Eine Studie des Kreditversicherers Atradius geht jedoch davon aus, dass es hier nur gerinfügige Entlastungen in den nächsten Jahren für die betroffenen Unternehmen geben wird.

Der internationale Kreditversicherer Atradius geht angesichts der Entwicklungen bei den Strom-, Öl- und Gaspreisen davon aus, dass auf Lieferanten und Dienstleister von energieintensiven Unternehmen mittelfristig mehr Zahlungsausfälle und -verzögerungen zukommen werden. Das ist das Ergebnis einer internen Analyse. „Unmittelbar trifft die derzeitige Preisrallye an den Energiemärkten die Zahlungsfähigkeit von Strom-, Öl- und Gasanbietern“, so die Einschätzung des Forderungsausfallrisikoexperten.

Diese Firmen können die stark gestiegenen Bezugskosten kurzfristig oft nicht an ihre Kunden weitergeben und seien gezwungen, anderweitig nach Einsparungen zu suchen. Viele ihrer Lieferanten und Dienstleister müssen noch in diesem Jahr mit Forderungsausfällen rechnen, so der Kreditversicherer.

Transformationsdruck steigt erheblich an

Atradius erwartet zudem, dass sich die Energiekosten vor allem für verbrauchsintensive Industrien in den nächsten Jahren deutlich erhöhen. Der Innovations- und Transformationsdruck beschleunigt sich dadurch in mehreren Branchen erheblich, wodurch sich auch ihr Insolvenzrisiko erhöhen dürfte. Zahlreiche Unternehmen stelle der rekordhohe Gaspreis vor große Probleme, auch Öl- und Strompreis seien in den vergangenen Wochen beträchtlich angestiegen.

"Die größten Energieverbraucher der deutschen Industrie, unter anderem aus den Bereichen Baumaterialienherstellung, Stahl, Metall und Chemie, haben ihre Bezugspreise für Energie in den meisten Fällen langfristig ausgehandelt. Bei ihnen ist zumindest kurzfristig kein erhöhter Liquiditätsdruck aufgrund steigender Energiekosten zu befürchten, sagt Michael Karrenberg, Regional Director Risk Services Germany, Central, North, East Europe & Russia/CIS.

Zunehmende Belastungen durch Energiewende

Man gehe jedoch davon aus, dass es in den nächsten Jahren bei den Energiekosten - wenn überhaupt - nur geringfügige Entlastungen für diese Firmen geben werde verglichen mit den vergangenen Jahrzehnten. Ursache hierfür seien unter anderem zunehmende Belastungen infolge der Energiewende. „Das wird diese Branchen ganz erheblich verändern und das Zahlungsrisiko an mehreren Stellen erhöhen."

Atradius rechnet damit, dass sich in den kommenden fünf Jahren die energieintensiven Unternehmen erheblich transformieren müssen, um weiter am Markt bestehen zu können. Auf sie könnte jetzt ein ähnliches Szenario zukommen wie auf zahlreiche Automobilzulieferer nach der Dieselaffäre vor sechs Jahren.  

Dekarbonisierung wird sich beschleunigen

Der Rückzug beziehungsweise die Verteuerung von fossilen Energieträgern, unter anderem aufgrund der zunehmenden CO2-Bepreisung und der Verringerung von CO2-Zertifikaten, führe dazu, dass große, viel Energie zehrende Anlagen in ihrer jetzigen Art immer seltener noch profitabel geführt werden können. Dies dürfte zu einer erheblich beschleunigten Dekarbonisierung der deutschen Industrie führen. Am Ende könnte es darauf hinauslaufen, dass nur solche Industrieunternehmen überleben, die es schaffen, ihre Anlagen auf alternative Energieträger umzustellen, beispielsweise auf Wasserstoff. (hoe)