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Uniper muss schneller auf europäischen Kohleausstieg reagieren

Der Kraftwerksbetreiber bekommt durch politische Vorgaben in den Niederlanden und Frankreich Probleme. In Gelsenkirchen wird Kohle durch Gas ersetzt.
07.08.2018

Mitarbeiter des Uniper-Steinkohlekraftwerks Maasvlakte. Die niederländische Regierung will bis 2029 aus der Kohleverstromung aussteigen.

Das Kohlegeschäft des Kraftwerksbetreibers Uniper gerät angesichts strikter Vorgaben vor allem in den Niederlanden und Frankreich erheblich unter Druck. So soll in den Niederlanden nach dem jüngsten Regierungsbeschluss die Kohleverstromung 2029 enden. Beim Düsseldorfer Dax-Konzern ist davon besonders das neue Steinkohle-Kraftwerk Maasvlakte 3 (1,1 Gigawatt) bei Rotterdam betroffen, wie Uniper-Finanzvorstand Christopher Delbrück am Dienstag bei einer Telefonkonferenz mit Journalisten sagte. "Dieses Kraftwerk ist nicht gebaut worden, um es nach nicht einmal fünfzehn Jahren wieder abzureißen", erklärte Delbrück. Zudem erwägt die niederländische Regierung noch einen nationalen CO2-Preis einzuführen.

Ähnliche Probleme gibt es in Frankreich. Dort kündigte Präsident Emmanuel Macron an, bis Ende 2021 aus der Kohleverstromung auszusteigen. Das betrifft sehr kurzfristig mehr als die Hälfte des französischen Erzeugungsgeschäfts von Uniper. Denn die Düsseldorfer haben zwei Kohlekraftwerke mit jeweils 600 Megawatt installierter Kapazität. "Von heute 2.100 Megawatt installierter Kapazität, die technisch noch viele Jahre laufen könnten, blieben uns dann noch ganze 900 Megawatt", klagte Delbrück.

Frankreich-Geschäft auf dem Prüfstand

Werde die Regierung in Paris diese Planung durchziehen, sei das komplette Geschäft in Frankreich gefährdet. Außer Uniper gibt es in Frankreich ohnehin nur noch einen weiteren Kohlekraftwerksbetreiber, und zwar EdF mit 1.800 Megawatt Kapazität. Trotz dieser Unwägbarkeiten besteht laut Delbrück - zumindest momentan - kein weiterer Wertberichtigungsbedarf auf den europäischen Kraftwerkspark. Ein größeres Impairment war bereits im zweiten Quartal 2016 vorgenommen worden.

Kohle-Standort Scholven als Konversions-Projekt

Angesichts dieser ersten Erfahrungen mit dem Kohleausstieg setzt Uniper für die anstehenden Gespräche zum Kohleausstieg in Deutschland auf bessere "Rahmenbedingungen". Die notwendigen Entschädigungen würden "Deutschland nicht aus der Bahn" werfen, so der Uniper-Finanzvorstand. "Wir sind uns sicher, dass bereits mit wenigen Milliarden Euro, die über mehrere Jahre verteilt werden könnten, ein deutlich messbarer Beitrag zur Reduktion der CO2-Emissionen möglich wäre", formulierte Delbrück seinen Wunsch an die kommenden Gesprächsrunden der Kohlekommission.

Strategisch will Uniper künftig verstärkt auf Gas setzen. "Gas ist ein Wachstumsmarkt weltweit. Dort waren wir schon zu Ruhrgas-Zeiten stark, und dort suchen wir aus allen Ebenen der globalen Wertschöpfung gezielt nach neuen Chancen für Wachstum", sagte Delbrück. Quasi als Blaupause für diese Strategie und als Modell für weitere Gaskraftwerke kündigte der Düsseldorfer Energiekonzern den Umbau des Steinkohlekraftwerks im Stadtteil Scholven in Gelsenkirchen zu einem Gasstandort an. Dort wird bis spätestens Ende 2022 eine kombinierte Kraft-Wärme-Anlage mit zwei Gasturbinen und einem Dampfkessel neu gebaut, welche die bisherigen Kohle-Erzeugungsanlagen ergänzen und später ganz ersetzen sollen. Das Investitionsvolumen bezifferte der Finanzvorstand auf einen "niedrigen dreistelligen Millionen-Euro-Betrag".

KWK-Novelle ein Fall für die Kohlekommission

Nach einem Bericht der WAZ soll der am Industrie-Standort Scholven künftig erzeugte Strom direkt vor Ort verbraucht und nicht mehr im großen Stil in das Netz für Haushaltskunden eingespeist werden. Doch will Uniper aber wie bisher Fernwärme für rund 100.000 Haushalte liefern. Das neue Gaskraftwerk wir mit einer Kapazität von voraussichtlich rund 100 Megawatt allerdings deutlich kleiner sein als die bisherigen Kohle-Blöcke mit 700 Megawatt, die seit 1968/69 in Betrieb sind. Uniper-Vorstand Delbrück nutzte die Ankündigung gleichzeitig, um energiepolitisch die Trommel für die Kraft-Wärme-Kopplung zu rühren. Wenn die Politik mehr solcher Konversions-Projekte von Kohle zu Gas wolle, müsse dafür ein langfristig stabiler Rahmen geschaffen werden. Die im Koalitionsvertrag angekündigte KWK-Novelle solle daher "mit in die Überlegungen zum Kohleausstieg einbezogen werden".

Die Jahresprognose bekräftigte das Management. Uniper will im laufenden Jahr ein bereinigtes operatives Ergebnis von 0,8 bis 1,1 Milliarden Euro erreichen. Im ersten Halbjahr kam das Unternehmen auf 601 Mio. Euro, ein Minus von mehr als einem Drittel. Grund sind unter anderem der Wegfall von Ergebnisbeiträgen aus dem inzwischen verkauften russischen Gasfeld Yushno Rosskoje sowie die Stilllegung von Kraftwerksblöcken.

Im ersten Halbjahr rote Zahlen

Unter dem Strich schrieb Uniper im ersten Halbjahr rote Zahlen. Grund sind negative Bewertungseffekte aus Rohstoff-Derivaten im Volumen von rund einer Milliarde Euro. Mit diesen sichert der Konzern unter anderem die langfristigen Strom- und Gaspositionen gegen Preisschwankungen ab. Die negative Bewertung ergibt sich aus dem gestiegenen Strompreis. Uniper hatte seine Positionen zu einem früheren Zeitpunkt zu einem niedrigeren Preis gehedgt. (hil)