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Wie KI die Medienbranche und die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit verändert

Vorschläge für Überschriften und Teaser, personalisierte Nutzerformate: Bei den Medientagen in München ging es um Chancen, Risiken und Perspektiven der KI-Nutzung.
30.10.2023

Engagierte Diskussion bei den Medientagen München: (von links) Theresa Körner von der Hochschule Ansbach; Cécile Schneider vom Bayerischen Rundfunk und Alessandro Alviani von Ippen Digital.

Künstliche Intelligenz hat bereits breitflächig Einzug in den Arbeitsalltag vieler deutscher Medienhäuser gehalten, das gilt auch für den  bayerischen Medienstandort: 78 Prozent der Befragten geben dort an, dass in ihrem Unternehmen schon mit KI-Tools gearbeitet wird.

96 Prozent der Befragten, die KI auch selbst nutzen, tun dies regelmäßig, hauptsächlich zur Textgenerierung und zur Erstellung von Bildern und Videos. Das zeigt die aktuelle KI-Studie „Chancen, Risiken und Perspektiven für Medien“ von CXPLR: MEDIA in Bavaria“ in Zusammenarbeit mit "1E9". Diese wurde am vergangenen Freitag im Rahmen der Medientage München vorgestellt. „XPLR:Media in Bavaria“ ist eine Initiative für den Medienstandort Bayern und eine Tochter der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien.

Rund ein Drittel der Befragten gab an, dass KI in ihrem Unternehmen ein hoher oder gar sehr hoher Stellenwert eingeräumt wird. Und 86 Prozent zeigen sich überzeugt, dass KI in Zukunft eine große Bedeutung für die Medienbranche haben wird.

Ippen Media: KI-Tool ist im Contentmanagementsystem integriert

Im Newsroom der Ippen Media (zu dem Verlag gehört unter anderem die Tageszeitung Münchner Merkur) wird bereits ein auf KI basierendes Tool eingesetzt. „Dieses macht Vorschläge für Überschriften und Teaser und ist direkt in das Contentmanagement-System integriert“, erklärte Alessandro Alviani, der Chef von Ippen Digital bei einer Podiumsdiskussion im Rahmen der Medientage München.

Die Redakteure seien bei diesem Arbeitsprozess von Anfang an miteinbezogen worden. „Für uns war es ganz wichtig, die neuen Tools nicht top-down einzuführen, sondern die Redakteure mitzunehmen und das Ganze an ihren praktischen Bedürfnissen zu orientieren und ihnen zuzuhören“, berichtete Alviani.

Die Journalisten könnten im Contentmanagesystem selbst entscheiden, ob sie die Vorschläge übernehmen, sich neue Varianten erstellen lassen oder aber die von der KI generierten Überschriften und Teaser nach ihrem Gusto anpassten.

Bayerischer Rundfunk sieht Potenzial bei "personalisierten Formaten"

Ippen Media nutzt aber auch bereits KI-basierte Bildgeneratoren. „Hier arbeiten wir mit sehr klaren Leitplanken, Fotorealismus vermeiden wir“, ergänzte Alviani. Auch im Videobereich und bei Apps wird bereits auf KI zurückgegriffen.

Viel Potenzial bei der nutzergerechten Aufbereitung von Inhalten und der Personalisierung und Regionalisierung sieht Cécile Schneider, die die Produktentwicklung im "AI + Automation Lab" des Bayerischen Rundfunks steuert. Im Kern gehe es dabei um „personalisierte, auf Nutzerbedürfnisse zugeschnittene Formate“. All das läuft in der Fachsprache unter dem Begriff „Versionierung“.

Dabei gehe es beispielsweise darum, aus kurzen lange Texte zu machen, Content aus Audio- in Videoformate zu überführen oder aber auch komplexere Texte in eine einfachere Sprache umzuformulieren. Das AI + Automation Lab arbeitet nach eigenen Angaben als interdisziplinäres Team im BR an der Schnittstelle von Journalismus, Informatik und Produktentwicklung.

Das ist eine Riesenchance, um Menschen abzuholen, die noch keinen Zugang zu Nachrichten haben. (Theresa Körner, Hochschule Ansbach)

„Wir wollen heute ein sehr fragmentiertes Publikum erreichen, das ganz unterschiedliche Nutzungsvorlieben mitbringt“, so Schneider weiter. Beim Formatieren und dem Umformen von Inhalten zwischen verschiedenen Medienformaten könnten KI-Anwendungen sehr hilfreich sein, etwa beim Erstellen von Bullet Points, Bilduntertiteln, Audios und Videos, leichter Sprache oder Instagram-Stories.

„Die Versionierung ist eine Riesenchance, um Menschen abzuholen, die momentan noch keinen Zugang zu Nachrichten haben“, verdeutlichte Kommunikationswissenschaftlerin Theresa Körner von der Hochschule Ansbach.

Niedrigschwellige Angebote gegen Ängste und Vorbehalte

Oft aber wird der Einsatz von KI in Journalismus und Öffentlichkeitsarbeit noch mit Vorbehalten gesehen und es treten vielerorts Ängste auf, auch mit Blick auf einen möglichen Abbau von Arbeitsplätzen. Auch intern müsse es immer noch sehr gut kommuniziert werden, dass es eigentlich primär um nutzergerechtere Anwendungen gehe anstatt bloß darum, Geld einzusparen, sagte Cécile Schneider.

Das versuche man beim BR, auch über niedrigschwellige, interne Austauschformate mit anderen Bereichen zu erreichen. Bei Ippen Media setzt man auf ein System von Hospitanzen im Digitalbereich, auch die Volontäre würden im Bereich KI entsprechend geschult und abgeholt. „Wir reden über Painpoints und schaffen es zumindestens so, die Ängste zu minimieren“, so Alviani.

Man wird künftig ein größeres und übergreifendes
technisches Verständnis und Wissen brauchen.
(Alessandro Alviani, Ippen Digital)

Die bestehenden Berufsbilder in den Medien würden sich grundsätzlich wandeln. "Zum einen, weil viel mehr Zeit für Kreativität zur Verfügung steht – die dann aber auch gefordert wird. Zum anderen wird man ein größeres und übergreifendes technisches Verständnis und Wissen brauchen", versicherte der Digital Chef von Ippen Media.

Viel Potenzial künftig auch bei der Videoproduktion

Auch bei vielen Lesern dominiert noch Skepsis gegenüber KI-generierten Inhalten. Es gebe aber auch  eine Forschung darüber, "dass die Leute in manchen Anwendungsfällen einen maschinengenerierten Text bevorzugen, weil sie meinen, dass hohe Datenmengen von Maschinen fehlerfreier verarbeitet werden können", gab Theresa Körner zu bedenken. Sie betrachteten KI-generierte Texte teilweise sogar als objektiver und glaubwürdiger.

Körner hat zum Vertrauen deutscher Leser in automatisierten Journalismus 2023 an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg promoviert und ist Teil des Entwicklungsteams der ersten KI-Kolumnist:in 'Anic T. Wae' der Taz.

Thomas Endres von TNG Technology Consulting rechnet damit, dass man in ein bis eineinhalb Jahren auch „sehr einfach“ Videos mittels KI produzieren kann. Wichtig für die weitere Entwicklung der Technologie in Deutschland sei, dass der Regulierungsrahmen die Anwendungsmöglichkeiten der KI nicht total ausbremse und gleichzeitig die Unternehmen weiterhin den urheberrechtlichen Schutz für ihre Arbeit bekommen und daraus den entsprechenden Ertrag generieren könnten.

Veränderung der Markenwahrnehmung und der Monetarisierungsmodelle

Für die Studie wurden rund 180 Medienschaffende befragt, zusätzlich wurden zehn Tiefeninterviews mit KI-Experten durchgführt. Die Erhebung macht laut Angaben von „XPLR: Media in Bavaria“ deutlich, "dass KI-Technologien nicht nur die Art und Weise verändern, wie künftig Inhalte erstellt, kuratiert und verbreitet, sondern auch, wie sie von den Verbrauchern rezipiert werden – mit potenziell drastischen Folgen für die Markenwahrnehmung und die Reichweiten von Medien sowie deren Monetarisierungsmodelle".

Als die größten Hemmnisse für die Entwicklung und Anwendung von KI im eigenen Unternehmen werden fehlendes Know-how und die unsichere Rechtslage angesehen.

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Um die Nutzung und die Potenziale und Grenzen von Künstlicher Intelligenz in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit geht es unter anderem auch am 13./14. November bei den ZfK Media Days in Darmstadt. Mehr zum Programm und zur Anmeldung finden Sie hier.