Der Stromhandel und die Schwankungen der Netzfrequenz
Mit der Netzaufteilung könnte beispielsweise eine Gemeinde mit einem lokal gesteuerten Blockheizkraftwerk und ihrer eigenen Wind- und Photovoltaik-Erzeugung weitestgehend energieautonom operieren. Doch wie wirkt sich die Aufteilung in kleine Zellen und zusätzliche erneuerbare Erzeuger auf das Stromnetz aus? Um diese Frage zu beantworten, haben Wissenschaftler des Forschungszentrums Jülich und dem MPIDS die Schwankungen der Netzfrequenz in Stromnetzen in verschiedenen Regionen der Welt analysiert – und mithilfe mathematischer Modelle Vorhersagen über mögliche Anfälligkeiten und deren Ursachen erstellt.
Zwei Überraschungen in einer Analyse
Durch Messungen in Europa, Japan und den USA erhielten sie Daten, deren Analyse gleich zwei Überraschungen enthielt. „Zum einen zeigt das Netz alle 15 Minuten besonders starke Schwankungen“, erklärt Dirk Witthaut vom Jülicher Institut für Energie- und Klimaforschung und dem Institut für Theoretische Physik der Universität Köln. „Dies ist genau der Zeitraum, in dem sich Erzeuger auf dem Strommarkt in Europa auf eine neue Verteilung für die Erzeugung einigen – damit ändert sich, wo wie viel Strom in das Netz eingespeist wird. Zumindest in Europa leistet der Stromhandel also einen wesentlichen Beitrag zu den Schwankungen der Netzfrequenz."
Zum anderen folgen die statistischen Schwankungen des Netzes um den Sollwert von 50 Hertz nicht, wie erwartet, einer Gauß-Verteilung – also einer symmetrischen Verteilung um einen Erwartungswert: Stattdessen sind mehr extreme Schwankungen wahrscheinlich. Und im Vergleich der untersuchten Regionen zeigt sich, dass ein größerer Anteil an erneuerbaren Energien tatsächlich zu größeren Schwankungen im Netz führt. Für einen erhöhten Anteil an erneuerbaren Energiequellen, so empfehlen die Wissenschaftler, sollte daher verstärkt in eine intelligente Anpassung der Erzeuger und Verbraucher an die Netzfrequenz – sogenannte Primärregelung und Demand Control – investiert werden.
Was beeinflusst die Netze entscheidend?
Zwar sind die Schwankungen durch einen steigenden Anteil erneuerbarer Energie im Netz durchaus nennenswert, viel bedeutender sind jedoch die durch den Stromhandel hervorgerufenen Frequenzschwankungen – die in 15-Minuten-Abständen wiederkehrenden Schwankungsamplituden belegen es. Eine Aufteilung der Stromnetze sehen die Wissenschaftler jedoch kritisch: „Unsere Studie weist darauf hin, dass eine Aufteilung eines großen und damit sehr trägen Netzes – wie etwa das kontinental-europäische Stromnetz – in Microgrids zu größeren Frequenzschwankungen führt“ so Benjamin Schäfer. „Technisch sind Microgrids daher nur eine Option, wenn die heutigen sehr strikten Frequenz-Standards aufgeweicht würden.“ Und das ist zugleich eine klare Botschaft in Richtung der politisch Verantwortlichen ebenso wie an die großen und kleinen Energieversorger. (sig)