Strom

Die meisten Stromeinkäufer erwarten 52 bis 56 Euro

59 Prozent der Einkäufer in Industrieunternehmen rechnen den Rest des Jahres mit einer "volatilen Seitwärtsbewegung" im Stromgroßhandelspreis. Dies ergab eine nichtrepräsentative Blitzumfrage von MVV Trading.
17.10.2018

Der Handelsflur der MVV Trading, einer Stadtwerkekooperation unter Führung der MVV Energie aus Mannheim.

Allein die Stromlieferung für 2019 hat sich an der Börse EEX von März bis September um 73 Prozent auf knapp 57 Euro pro MWh verteuert - wenn es auch bis Dienstag nach starken Schwankungen einen Rückgang auf zuletzt 52,33 gab.

Die Ära der stetig fallenden Energiepreise seit der Finanzkrise 2008 ist jedenfalls vorbei. Aber wie geht es jetzt weiter? Zu dieser Frage veranstaltete die Stadtwerke-Kooperation MVV Trading am Mittwoch ein Webinar, an dem nach ihrer Aussage 100 Einkäufer von Industrieunternehmen teilnahmen. Gut jedes zweite davon verbraucht jährlich mehr als fünf Mio. kWh Strom.

Nur 24 Prozent: Es wird noch teurer

59 Prozent der abstimmenden Industrieeinkäufer rechnen damit, dass der Großhandel das Jahr mit 52 bis 56 Euro pro MWh abschließt. Das ergab eine Blitzumfrage in dem Webinar. Nur jeder vierte Voter prognostiziert einen weiteren Anstieg der Notierungen. Und lediglich 17 Prozent gehen von niedrigeren Preisen aus.

Alexander Skrobuszynski von MVV Trading hielt in dem Webinar alle Szenarien für "denkbar". Er könne sich der Mehrheitsmeinung anschließen, die eine "volatile Seitwärtsbewegung" erwartet, solange die entscheidenden fundamentalen Faktoren "moderat" blieben.

Faktoren: Primärenergiepreise, Winter, Politik

Als Hauptfaktoren für einen Preisanstieg oder -rückgang sowie für eine hohe oder niedrige Volatilität (Schwankungsbreite) sieht er drei:

  • die weitere Entwicklung der Öl-, Kohle- und CO2-Preise. Deren Ansteigen in diesem Jahr gilt als Hauptursache der anziehenden Stromgroßhandels-Notierungen.
  • den Wintereffekt: Wie hart wird der Winter 2018/19? Der vergangene Winter reichte bis in den April hinein. Das trieb die Preise.
  • die Politik: Je härter der Kohleausstieg, desto knapper würden Erzeugungskapazitäten und desto höher stiegen die Preise. Und: Wie verfällt der Euro-Kurs weiter und verteuert damit bestimmte Brennstoffkosten? Inwiefern induziert die neue italienische Regierung eine Banken- und Wirtschaftskrise? Wie entwickelt sich der chinesisch-amerikanische Handelsstreit weiter?

"Wenn Sie das im Blick haben, sind Sie auf jeden Fall gut aufgestellt", fasste Skrobuszynski zusammen.

Ein Euro mehr für CO2 - 20 bis 25 Cent mehr für Strom

Der CO2-Preis war um ein Vielfaches schneller gestiegen wie der Steinkohle- oder der Ölpreis. Dies begründet nicht nur Skrobuszynski vor allem damit, dass die EU mit der Reform des Emissionshandels im November 2017 dem Markt den Glauben an dieses System zurückgegeben habe. Auf die Frage eines Teilnehmers hin taxierte der Tradingexperte den Niederschlag einer Verteuerung von einem Euro pro Tonne CO2 auf 20 bis 25 Cent pro MWh Strom aus fossilen Quellen als "verlässliche Größe". Es gebe aber, warnte er, auch Handelsphasen, in denen der Effekt bis zu einem Euro pro MWh Elektrizität ausmache.

Portfoliomanagement ist keine Erfolgsgarantie

37 Prozent der antwortenden Industrieeinkäufer decken sich immer noch in Festpreismodellen ein, schließen also Ein- bis Zwei-Jahres-Verträge ab. 40 Prozent bevorzugen Tranchenbeschaffung. Nur 15 Prozent managen ihr Energieportfolio aktiv, aber Skrobuszynski sagt: "Da gibt's kein Gut und kein Schlecht!" Man könne auch mit hohem Managementaufwand in den Einkaufszeitpunkten danebengreifen. Es gebe über den Wertpapierhandel Studien, wonach passiv gemanagte Fonds oft besser abschnitten als aktiv gesteuerte, weil bei ihren automatisierten Entscheidungen das emotionale "Bauchgefühl" keine Rolle spiele.

Zur Risikominimierung empfehle MVV Trading, so Skrobuszynski, aber eine Eindeckung von bis zu drei Jahren im Voraus. Diese Strategie glätte die Preissprünge aus dem Spothandel weg. Der Spotpreis sei zwar günstiger, weil er aufgrund vollständiger fundamentaler Daten keinen Risikoaufschlag mehr enthalte, könne aber wie gesehen von Tag zu Tag extrem nach oben gehen.

Spot? Futures? Keine pauschale Empfehlung

Zum richtigen Anteil von Termin- und Spotprodukten im Beschaffungsportfolio gebe es, so Skrobuszynski, "keine pauschale Empfehlung". Ein Kurzfrist-Anteil von 30 bis 40 Prozent sei indes ab 500.000 kWh Jahresverbrauch üblich. (geo)