„Die Mitarbeiter brauchen einen Eisbrecher, der sich etwas traut"
Ist ein „Unternehmen der zwei Geschwindigkeiten“ ein Weg, um Energieversorger fit für die Zukunft zu machen? Gelingt es aus dem Bestand heraus, Neugeschäft zu entwickeln? Jein, denn dies hängt von der Ausgangslage und dem wirtschaftlichen Handlungsdruck ab. Unabdingbar ist es jedoch, möglichst viele Mitarbeiter bei der Transformation für ein zukunftsfähiges Unternehmen mitzunehmen. Dies erfordert begeisterungsfähige, innovative Führungskräfte, wie eine Paneldiskussion gestern Nachmittag bei der „Handelsblatt" Jahrestagung Energiewirtschaft 2018 in Berlin zeigte.
„Ich komme aus einem Unternehmen, das zu 60 Prozent aus der Kernenergie kommt“, umschrieb Uli Huener, Chief Innovation Officer bei EnBW, den Handlungsdruck. Versuche, Neugeschäft aus dem Bestand heraus zu entwickeln, seien bei EnBW gescheitert. Bewährt habe es sich jedoch, einen Innovationsraum im Unternehmen zu schaffen, der außerhalb der bisherigen Geschäftsfelder stehe, doch trotzdem „nahe genug dran". Alle Mitarbeiter hätten Zugang zu diesem Inkubator und könnten so neue Arbeitsstile, Ideen und Knowhow aufnehmen und mit in ihren Bereich zurücknehmen. „Mein Job ist es, die Motivation und die Vernetzung der Mitarbeiter aus den verschiedenen Bereichen zu fördern", sagte Huener. „Die Mitarbeiter brauchen einen Eisbrecher, der sich etwas traut", unterstrich er. Ausgebaut worden sei entsprechend die Zusammenarbeit und die Beteiligung an Start-ups. So sei es in ersten Schritten gelungen, neue Geschäftsmodelle aufzubauen und das Innovationstempo im gesamten Unternehmen zu erhöhen. Doch sei die Kulturtransformation eine der wichtigsten Herausforderungen, unterstrich Huener.
90 Prozent Bestandskundengeschäft in Salzburg
„Ich bin nicht der Meinung, dass ein Unternehmen der zwei Geschwindigkeiten der richtige Weg ist“, sagte Leonhard Schitter, Vorstandssprecher Salzburg AG für Energie, Verkehr und Telekommunikation und Präsident von Österreichs Energie. Zugute kommt diesem Ansatz allerdings, dass bei der Salzburg AG das Bestandskundengeschäft mit einem Anteil von über 90 Prozent noch stark dominiert. Begünstigt werde dies durch die „Stadtwerke ähnliche breite Auslegung des Unternehmens mit einem hohen Mehrwert für Kunden", so Schitter. Die Strategie sei aus dem Bestandsgeschäft heraus noch stärker individualisierte Kundenangebote zu entwickeln. Innovationsbotschafter versuchten neue Ideen und Arbeitsstile in die einzelnen Fachbereiche zu tragen. Dies müsse durch die Begeisterungsfähigkeit der Führungskräfte gestützt werden. Man gehe auch gezielt Kooperationen mit Start-ups ein, allerdings habe man sich bisher nicht an solchen beteiligt.
„Ein Unternehmen mit zwei Geschwindigkeiten wird nicht funktionieren, es sollte in eine Richtung marschieren", betonte Andreas Cerbe, Netz-Vorstand bei Rheinenergie. Für entscheidend hält er es auch, angesichts des demografischen Wandels, attraktive Angebote für Mitarbeiter zu machen und besonders junge Leute mitzunehmen. Doch dürfe man nicht den Fehler machen, die Innovationsbereitschaft von Mitarbeitern nur am Alter festzumachen, sagte Cerbe. (hcn)